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Eine Frau kämpft (weiter) für ein freies Syrien

Diana Hodali
21. Februar 2025

Als das Assad-Regime fällt, kehrt Huda nach Duma zurück – in eine Stadt aus Trümmern. Doch was sie dort findet, konfrontiert sie mit der Vergangenheit und treibt sie an, trotz allem am Wiederaufbau Syriens mitzuwirken.

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Huda Khayti nach Sturz von Assad: Sie steht vor dem Meer in der Stadt Latakia und hält die neue syrische Flagge in der Hand,
Huda Khayti ist nach dem Sturz Assads auch an die Küste nach Latakia gefahrenBild: privat

Huda Khayti wusste immer, dass dieser Tag kommen würde. Die Welt mochte Syrien vergessen haben, das Leid mit der Zeit als bloße Randnotiz betrachtet haben - aber sie hatte nie aufgehört zu hoffen. Sie hatte Syrien nie verlassen, weil sie wusste, dass es eines Tages geschehen würde: dass die Diktatur des Assad-Regimes fallen, dass die Menschen sich aus ihrer Umklammerung befreien würden. Als es dann tatsächlich geschah, spürte sie eine Erleichterung, die sie kaum in Worte fassen konnte. "Ich wusste, dass wir ihn stürzen würden", schildert sie am Telefon.

Völlig unerwartet gelang es der islamistischen Rebellengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) unter Anführer Abu Mohammed al-Dschaulani, heute auch bekannt als Ahmed al-Scharaa, das Assad-Regime zu stürzen. Aus ihrer Hochburg in Idlib rückten sie vor – wenige Tage später fiel Damaskus, Diktator Baschar al-Assad floh. Der Rest ist Geschichte - und markiert einen unsicheren Neuanfang für Syrien.

Syrien: Zurück in die Zukunft

Ein Neuanfang, der auch für Huda nicht ganz ungetrübt ist. Zuviel wurde zerstört, zu viele getötet. Und so machte die 44-Jährige sich auf den Weg - aus Idlib zurück nach Duma, zurück in die Stadt, die einst ihr Zuhause war. Mit jedem Kilometer wuchs die Angst, aber auch die Entschlossenheit. Sie musste sehen, was von ihrem alten Leben übriggeblieben war.

Syrien 2025: "Freies Syrien" - steht auf der Flagge, die Huda Khayti in die Kamera hält.
"Freies Syrien" - steht auf der Flagge, die Huda Khayti in die Kamera hält - sie hat sich nach dem Sturz Assads auf den Weg in zahlreiche Städte Syriens gemacht.Bild: privat

Nun stand sie dort, mitten in den Ruinen von Duma, und alles, was sie sah, war Zerstörung. Wo einst ihr Zuhause war, liegen heute Trümmer und die Schatten der Vergangenheit. Sie erzählt, wie sie versucht hat, das Grab ihres Bruders zu finden, der durch einen Luftangriff des Regimes und seiner Anhänger getötet wurde. "Ich wusste nicht, wo sie ihn beerdigt haben", sagt sie mit gebrochener Stimme. "Wahrscheinlich liegt er in einem Massengrab." Sie erzählt, dass in der Stadt der Duft von Jasmin in der Luft hängt, ein seltsamer Kontrast zur grauen Verwüstung.

Schließlich erreichte sie ihr Elternhaus. Die Wände waren zerschossen, ein Teil des Daches eingestürzt. Vorsichtig trat sie ein, jeder Schritt habe eine Erinnerung wachgerüttelt. "Ich habe es keine fünf Minuten darin ausgehalten", sagt sie. In dem Haus, in dem ihr Bruder getötet wurde, sind die Spuren des Angriffs bis heute sichtbar. "Ich erinnere mich an den Tag, an dem es passiert ist. Diese Ungerechtigkeit - sie schnürt mir die Luft ab."

Die schwierige Rückkehr nach Damaskus

Doch in diesem Moment fasste Huda Khayti einen Entschluss: Sie will sich nicht von der Verzweiflung überwältigen lassen. "Ich habe gegen Assad gekämpft. Ich werde auch gegen diese Gefühle kämpfen. Ich werde leben und dieses Land mit anderen zusammen wiederaufbauen."

Blumen und Bäume als Symbol für das Leben

Ein erster Schritt: Mit der Unterstützung des syrischen Zivilschutzes und anderen Organisationen pflanzen sie Blumen und Bäume für einen Park in Duma. Huda will ein Zeichen setzen, dass das Leben zurückkehrt. Dass Syrien nicht nur ein Land der Wunden ist, sondern auch eines der Hoffnung.

Huda Khayti pflanzt Blumen und Bäume für einen Park in der syrischen Stadt Duma
Huda Khayti hat mit anderen Mitbürgern zusammen einen Park in der Stadt Duma angelegtBild: privat

Bis zum Ausbruch des Krieges hat Huda Khayti ihr ganzes Leben in Duma verbracht. Sie wächst dort auf, studiert in Damaskus französische Literatur. Doch ihre persönliche Revolution beginnt lange vor dem Aufstand von 2011. Schon früh, erzählt sie, habe sie erkannt, wie sehr das Regime von Baschar al-Assad Frauen entrechtet und die eigene Bevölkerung unterdrückt.

Entschlossen, etwas zu verändern, gründet sie in Ost-Ghouta drei Frauenzentren. Gemeinsam mit anderen Frauen organisiert sie Workshops zu geschlechtsspezifischer Gewalt, gibt Erste-Hilfe- und Englischkurse, vermittelt Wissen über Frauenrechte. Doch der Krieg macht auch vor diesen Orten keinen Halt. 2013 trifft ein Giftgasangriff Ost-Ghouta, später werden alle ihre Zentren zerbombt.

Assad-Gegner mussten nach Idlib

2018 muss sie Duma verlassen, als das Regime nach jahrelanger Belagerung die Region zurückerobert. Tausende werden vertrieben, Oppositionelle und Zivilisten gleichermaßen nach Idlib gebracht - die letzte Hochburg gegen Assad, kontrolliert von der islamistischen Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS).

Huda Khayti steht an einer Tafel im Frauenzentrum in Idlib Syrien und trägt eine Maske, daneben steht eine Kollegin mit Maske.
Huda Khayti leitet in Idlib ein Frauenzentrum - während der Pandemie haben sie und ihre Mitarbeiterinnen dort Frauen zum Umgang mit Corona aufgeklärtBild: H. Khayti

Auch dort gibt sie nicht auf. Sie baut ein weiteres Frauenzentrum auf, auch wenn die Herrschaft der HTS ihr Grenzen setzt. "Es war nicht leicht. Wir hatten Einschränkungen, wir mussten uns anpassen, aber wir haben trotzdem weitergemacht."

Dann kommt der Tag im Dezember 2024, an dem Assad und sein Regime gestürzt werden. Als Damaskus fällt, ist Huda Khayti in Idlib. "Ich bin sofort auf den Platz der Freiheit in Idlib gerannt. Ich habe die Menschen umarmt, geküsst, wir haben geweint, gelacht - es war so emotional." Noch immer kommen ihr die Tränen, wenn sie davon berichtet. "Diese Stadt hat uns aufgenommen, als wir vertrieben wurden, und jetzt standen wir hier und konnten endlich fühlen, dass etwas Neues beginnt."

Der Tag, an dem Damaskus fiel

Bereits am nächsten Morgen war sie unterwegs. Sie fuhr durch eine befreite Stadt nach der anderen, ließ sich filmen, hielt die neue syrische Flagge hoch. "Schaut mal, wo ich bin, wir sind zurück", schrieb sie ihren Freunden. "Allen, die so verächtlich über uns Syrer geschrieben oder gesprochen haben, sage ich: Schaut her, wir haben es geschafft und wir werden dieses Land auch wieder aufbauen."

HTS-Anführer Ahmad al-Scharaa sitzt im Volkspalast in Damaskus und gibt führt Gespräche
Ahmad al-Scharaa ist der Anführer von HTS und jetzt Interimspräsident von ganz SyrienBild: SANA/AP/dpa/picture alliance

Duma war ihre letzte Station. Huda Khayti will optimistisch sein, auch wenn sie weiß, dass es nicht leicht werden wird. "Die Wirtschaft liegt am Boden und auch die Sicherheitslage ist fragil", sagt sie. Nach fast 14 Jahren Krieg und dem verheerenden Erdbeben von 2023 sind große Teile des Landes, der Wirtschaft und der Infrastruktur zerstört. Es gibt nur wenige Stunden Strom am Tag. 16,7 Millionen der 21,3 Millionen Syrer sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, so Ärzte ohne Grenzen.

Besonders beim Thema Bildung steht Syrien vor einer riesigen Herausforderung - das UN-Kinderhilfswerk UNICEF schätzt, dass zwei Millionen Kinder nicht zur Schule gehen. Allein 7000 Schulen wurden während des Krieges zerstört. Die Übergangsregierung steht vor riesigen Herausforderungen. Ahmed al-Scharaa sitzt im Volkspalast und ist seit Ende Januar Interimspräsident Syriens. Er hat seither viele Bezeichnungen erhalten: Rebellenführer, neuer starker Mann Syriens, Islamist, Ex-Terrorist, Dschihadist. Während viele die Praktiken seiner HTS ablehnen, unterstützen andere Scharaa als Befreier von Damaskus und sagen: "Gegen Dschaulani, aber mit Scharaa."

Skepsis gegenüber den neuen Machthabern

Dennoch, die Skepsis gegenüber den Neuen im Volkspalast ist groß, aber viele Syrer versuchen sich nun auf den Wiederaufbau zu konzentrieren. "Die früheren Dschihadisten geben sich nun human und moderat", sagte der bekannte syrische Autor Yassin al-Haj Saleh kürzlich in einem Interview. "Hoffentlich sind sie es tatsächlich."

Huda Khayti hält einen Strauß Blumen in die Kamera und lächelt.
Huda Khayti will nach vorne schauen und sich auf den Wiederaufbau ihrer Heimat konzentrierenBild: privat

Huda hat in Idlib unter der HTS gelebt. Sie erzählt, dass es vor einem Jahr zu Protesten gegen die damaligen Machthaber in Idlib gekommen ist, dass auch sie Einschränkungen bei ihrer Arbeit als Leiterin einer Frauenorganisation erlebt hat. "In Idlib hatten sie natürlich eine andere Rolle, jetzt ist HTS für ganz Syrien zuständig. Aber ich kann eines versichern: Wenn etwas falsch laufen sollte, dann werden wir das sicher nicht hinnehmen."

Huda hält an ihrem Glauben an eine gerechtere Zukunft für Syrien fest, sie pendelt vorerst zwischen Idlib und Duma. "Wir sind eine neue Gesellschaft, die ihre Rechte kennt und nicht noch einmal unterdrückt wird." Ihr Plan ist es, weitere Frauenzentren in anderen Städten zu eröffnen, um noch mehr Frauen zu ermutigen, politisch aktiv zu werden. Außerdem will sie eine Organisation zum Schutz der Umwelt gründen. "Jedes Land, das uns beim Wiederaufbau unterstützen möchte, ist willkommen,", sagt sie und ergänzt selbstbewusst: "Aber wir wollen keine ausländische Einmischung mehr hier."