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Einbürgerung: Ist Ja zu Israels Existenzrecht ein Muss?

29. Juni 2024

In Sozialen Medien diskutieren User eine Schlagzeile der Financial Times: "Neue deutsche Staatsbürger müssen sich zum Existenzrecht Israels bekennen". Das stimmt so nicht, auch, wenn es sich für manche so anfühlen mag.

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Symbolbild: Stift und Brille auf einem Einbürgerungstest, davor ein deutsches Fähnchen
Im Einbürgerungstest geht es um Wissen, nicht um Haltungs- oder GewissensfragenBild: Christian Ohde/CHROMORANGE/picture alliance

An diesem Donnerstag ist in Deutschland das neue Einbürgerungsgesetz in Kraft getreten. Ziel ist laut Bundesregierung, die Einbürgerung zu beschleunigen, aber gleichzeitig an strengere Voraussetzungen zu knüpfen. Dazu gehört auch das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, die so genannte "Loyalitätsbekundung". 

Genau diesen Punkt hat die britische Tageszeitung "Financial Times" (FT) unter der Schlagzeile "Neue deutsche Staatsbürger müssen sich zum Existenzrecht Israels bekennen" thematisiert. Mehrere Medien verbreiteten diese Lesart weiter, darunter der US-Sender CNN, die israelische Tageszeitung "Haaretz" und das chinesische Staatsmedium CGTN Europe. Auch in zahlreichen Social-Media-Posts wurde die Behauptung aufgegriffen und teils heftig diskutiert, inklusive Beschimpfungen der Bundesregierung. Ein User bezeichnete es als "Erniedrigung" insbesondere für palästinensische Migranten, die die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen wollten.

Wie kommt die Financial Times auf ihre These?

Die FT begründet ihre Behauptung mit zwei Änderungen, die künftig bei Einbürgerungsverfahren zum Tragen kommen sollen. Zum einen geht es darum, dass die Themen Antisemitismus, Existenzrecht des Staates Israel und jüdisches Leben in Deutschland in die mehr als 300 Aufgaben des Fragenkatalogs zum Einbürgerungstest aufgenommen werden.

Zum anderen zielen die Journalisten auf die Ergänzung der Loyalitätserklärung ab. Unter anderem verlangt das Gesetz nun auch ein Bekenntnis "zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft und ihre Folgen, insbesondere für den Schutz jüdischen Lebens".

Worauf zielt der Einbürgerungstest ab?

Der Einbürgerungstest, den die FT anführt, ist ein Multiple-Choice-Test, in dem Kenntnisse über Deutschlands Geschichte, soziale Normen und das Grundgesetz abgefragt werden. Fragen zu persönlichen Meinungen oder politischen Haltungen kommen darin nicht vor.

Eine junge Frau hält bei einer Demonstration in München ein Schild mit der Aufschrift "From the river to the sea, Palesine will be free" in die Kamera
Wer den in Deutschland als antisemitisch eingestuften Slogan "Vom Fluss bis zum Meer - Palästina wird frei sein" (siehe oben) verbreitet, könnte wohl von der Einbürgerung ausgeschlossen werdenBild: Sachelle Babbar/Zuma/picture alliance

Hinzugekommen ist nun etwa die Frage "Welche Handlung mit Bezug auf den Staat Israel ist in Deutschland verboten?". Die richtige Antwort: "der öffentliche Aufruf zur Vernichtung Israels". Eine der falschen Antworten lautet zum Beispiel "die Politik Israels öffentlich kritisieren".

Welches Bekenntnis ist Voraussetzung für eine Einbürgerung?

§10 des Staatsbürgerschaftsgesetzes, auch Einbürgerungsgesetz genannt, fordert seit dem 27. Juni 2024 als zusätzliche Voraussetzung zum Erhalt des deutschen Passes, dass ein Ausländer "sich zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft und ihre Folgen, insbesondere für den Schutz jüdischen Lebens, sowie zum friedlichen Zusammenleben der Völker und dem Verbot der Führung eines Angriffskrieges bekennt".

Eine Ausnahme bildet das Bundesland Sachsen-Anhalt. Dort müssen Einbürgerungswillige tatsächlich konkret das Existenzrecht des Staates Israel anerkennen.

Verlangt der neue Passus implizit ein Bekenntnis zum Existenzrecht Israels?

Eine rassistische oder antisemitische Einstellung steht einer Einbürgerung entgegen. Dies ist jedoch nicht neu, da sie dem Grundgesetz und damit auch den Voraussetzungen widerspräche, die das bisherige Einbürgerungsgesetz stellt.

Das Infragestellen des Existenzrechts allein wäre demnach keine Ausschlusskriterium für eine Einbürgerung, wie ein BMI-Sprecher erläutert: "Stellt eine Antragstellerin oder ein Antragsteller beispielsweise das Existenzrecht Israels in Frage, können die Staatsangehörigkeitsbehörden im Einbürgerungsverfahren hinterfragen, ob solchen Äußerungen eine antisemitische Einstellung zugrunde liegt."

Ein Hinweis auf eine antisemitische Haltung könnte es wohl sein, wenn dies mit der "Behauptung, die Existenz des Staates Israel sei ein rassistisches Unterfangen" begründet würde, wie es die Internationale Allianz zum Holocaustgedenken (IHRA) formuliert, an deren Definition von Antisemitismus sich die Bundesregierung orientiert.

Wer entscheidet, ob ein Bekenntnis gültig ist?

Zunächst einmal liegt es im Ermessen des Beamten, der einen Antrag auf Einbürgerung bearbeitet, ob eine gültige Loyalitätserklärung abgegeben wurde. Dazu gehört auch, dass sie glaubhaft ist oder Zweifel daran überzeugend ausgeräumt werden konnten.

Einbürgerungen: Menschen an Stehtischen in einem mit internationalen Nationalflaggen geschmückten Foyer
Einbürgerungsfeier in Witten: Wer teilnehmen will, muss sich dazu bekennen, das Grundgesetz und die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland zu achtenBild: Frank Oppitz/Funke/IMAGO

Allerdings können abgewiesene Antragsteller vor dem zuständigen Verwaltungsgericht ihre Einbürgerung einklagen. Spätestens dann würden Indizien für die Glaubhaftigkeit der Loyalität gefragt. So könnten etwa antisemitische, rassistische oder terrorverherrlichende Kommentare in Sozialen Medien zu einer Ablehnung der Einbürgerung führen. Aber auch das ist nicht neu. Zudem könnte die Verherrlichung terroristischer Taten in einem Social-Media-Post schon bald Grund genug für Ausweisung und Abschiebung sein.

Wie ist die Loyalitätserklärung abzugeben?

Die Umsetzung des Bundesgesetzes fällt in den Aufgabenbereich der Bundesländer, deshalb können sich Prozedere und Formulierung der Loyalitätserklärung zum deutschen Grundgesetz in Einzelheiten unterscheiden. In jedem Fall sei das Bekenntnis aber persönlich in der Einbürgerungsbehörde abzugeben, teilweise auch zu unterschreiben, erläutern Fachanwälte auf der Internetseite Migrando.de.

So müssen Einbürgerungswillige in manchen Ländern etwa ein Merkblatt dazu unterzeichnen. In Hessen enthält das Merkblatt zum Beispiel Erläuterungen zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, zu verschiedenen Formen des Extremismus und darüber, welche Folgen es haben kann, wenn man bei der Loyalitätserklärung falsche Angaben macht. Dann nämlich kann die Einbürgerung verwehrt oder auch im Nachhinein aberkannt werden.

Jan Walter Autorenfoto
Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.