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PolitikLibanon

Die Hisbollah: Militärischer Machtfaktor in Nahost

Veröffentlicht 17. Oktober 2023Zuletzt aktualisiert 25. August 2024

Als Antwort auf die Tötung ihres Kommandeurs Fuad Schukr in Beirut hat die libanesische Hisbollah-Miliz den Beginn ihres seit Wochen erwarteten Vergeltungsangriffs auf Israel verkündet. Wer ist die Miliz?

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Screenshot aus einem Video: Israels Luftabwehr im Einsatz
Screenshot aus einem Video: Israels Luftabwehr im EinsatzBild: picture alliance/Xinhua News Agency

Knapp einen Monat ließ die Hisbollah nach der Tötung ihres Militärkommandeurs Fuad Schukr verstreichen. Nun startete die libanesische Miliz ihren Vergeltungsangriff auf Israel. Man habe mehr als 320 Raketen des Typs Katjuscha unter anderem auf israelische Militärstützpunkte abgefeuert, teilte die Hisbollah am Sonntagmorgen mit. Die "erste Phase" des Angriffs sei damit abgeschlossen. Unmittelbar zuvor hatte das israelische Militär Dutzende Stellungen der Schiiten-Miliz im Nachbarland angegriffen. Nach Darstellung der Armee sollte damit einer unmittelbaren Bedrohung durch die Hisbollah zuvorgekommen werden. Hisbollah-Kommandeur Schukr war Ende Juli in Libanons Hauptstadt Beirut bei einem israelischen Angriff getötet worden.

Wer ist die Hisbollah?

"Der gewaltigste nichtstaatliche militärische Akteur im Nahen Osten - und wohl auch in der ganzen Welt": So bezeichnete das in Washington ansässige Wilson Center in einer Studie aus dem Jahr 2022 den bewaffneten Flügel der Hisbollah. Die vom Iran unterstützte Gruppe - wörtlich übersetzt "Partei Gottes" - hat ihren Sitz im Libanon, wo sie auch gegründet wurde.

Die Hisbollah ist nicht nur eine militärische Gruppe. Sie ist als wichtigste politische Kraft der Schiiten im Lande auch tief in die libanesische Politik und Gesellschaft verwoben.

"Ihr umfangreicher Sicherheitsapparat, ihre politische Organisation und ihre umfangreichen sozialen Dienstleistungen haben ihren Ruf als 'Staat im Staat' gefördert", beschrieb das in den USA ansässige "Council on Foreign Relations" (CFR)  in einer Studie von 2022 den Charakter der Organisation.

Mehrere Länder, darunter die Vereinigten Staaten im Jahr 1997 und Deutschland im Jahr 2020, haben die Hisbollah als terroristische Organisation eingestuft. Die Europäische Union hingegen stufte 2013 lediglich den bewaffneten Flügel der Hisbollah als terroristisch ein.

Aufgrund der Rolle, die die Hisbollah seit 1992 in den aufeinanderfolgenden libanesischen Regierungen spielte, war selbst diese Entscheidung innerhalb der EU damals umstritten.

Aufgrund des von ihr betriebenen umfangreichen Netzwerkes sozialer Dienstleistungen - darunter Krankenhäuser, Schulen und soziale Einrichtungen - erfreut sich die Organisation in Teilen des Libanons relativer Beliebtheit.

Dies gilt vor allem für die Libanesen schiitischer Konfession. Schätzungen zufolge stellen sie rund ein Drittel der Bevölkerung. Einer Umfrage aus dem Jahr 2020 zufolge sollen rund 89 Prozent von ihnen eine positive Einstellung zur Hisbollah haben.

Andere Libanesen hingegen stehen der Gruppe kritisch gegenüber. Sie werfen ihr vor, den Libanon immer wieder in internationale Konflikte zu treiben und nicht libanesische, sondern vor allem iranische Interesse zu vertreten.

Hisbollah Unterstützer mit gelben Schals jubeln bei einer Rede von Hisbollah Chef Hassan Nasrallah
Im Libanon unterstützen weite Teile der Bevölkerung die Hisbollah, deren Kennzeichen die gelbe Farbe istBild: Aziz Taher/REUTERS

Wie entstand die Hisbollah?

Gegründet wurde die Hisbollah 1982 in den Wirren des 1975 ausgebrochenen und rund 15 Jahre dauernden libanesischen Bürgerkrieges. In diesem Krieg standen sich unterschiedliche Gruppen der libanesischen Gesellschaft - vor allem Muslime unterschiedlicher Konfession, Christen, Linke und arabische Nationalisten - gegenüber. Ebenfalls beteiligt an diesem Krieg waren auch Syrien und bewaffnete palästinensische Gruppen.

"Inmitten dieser Kämpfe drangen 1978 und 1982 israelische Streitkräfte in den Südlibanon ein, um palästinensische Guerillakämpfer zu vertreiben, die die Region als Basis für Angriffe auf Israel nutzten", heißt es in der Darstellung des CFR.

Eine Gruppe schiitischer Muslime beschloss, gegen die israelischen Streitkräfte zu kämpfen. Der Iran - ein Staat mit persischer und zugleich schiitischer Bevölkerungsmehrheit - sah darin eine Chance, seinen Einfluss in der arabischen Welt zu vergrößern und begann, die neu gegründete Miliz auszubilden und zu finanzieren.

Im Laufe der Zeit zeigte sich der bewaffnete Flügel der Hisbollah aufgrund seiner Angriffe auf andere Gruppen im Libanon sowie Terroranschläge auf ausländische Ziele, etwa Selbstmordattentate und ähnliche Attacken, immer mehr als gewaltsam vorgehende, extremistische Organisation. 

Poster in Libanon mit Hassan Nasrallah, Leiter von Hisbollah
Allgegenwärtig im Süd-Libanon: Straßenplakat mit Hisbollah-Chef Hassan NasrallahBild: JOSEPH EID/AFP via Getty Images

Welche Ziele verfolgt die Hisbollah?

Im Jahr 1985 veröffentlichte die Hisbollah ein Manifest, in dem sie eine Reihe von Zielen aufführte: Die Vertreibung früherer westlicher Kolonialmächte aus dem Libanon beziehungsweise die Zurückdrängung ihres Einflusses, die Zerstörung des Staates Israel und die Anlehnung an den Iran. Ebenso enthielt das damalige Manifest die Forderung nach einem religiös-islamistischen Regime im Libanon nach dem Vorbild der iranischen Theokratie.

Im Laufe der Zeit schwächten die Hisbollah jedoch vor allem ihre innenpolitischen Ziele ab. Dies gründete vor allem in dem Umstand, dass sie sich mit anderen politischen Akteuren im Libanon arrangieren musste, darunter Christen unterschiedlicher Konfession, sunnitische Muslime und Drusen.

Im Jahr 2009 veröffentlichte sie ein neues Manifest. Darin räumte sie ein, dass ein islamistisches Regime für den Libanon womöglich nicht geeignet sei. Allerdings sieht die Gruppe Israel nach wie vor als ihren Hauptfeind. 

Angesichts der Eskalation zwischen der Hamas und Israel - so befürchten politische Beobachter - könnte es erneut auch zu einem größeren Krieg zwischen Israel und der Hisbollah kommen. Bereits beim Libanon-Krieg im Jahr 2006 waren mehr als 1200 Menschen ums Leben gekommen, die überwiegende Mehrheit davon auf libanesischer Seite.

Im Dezember 1985 zündeten Hisbollah-Milizen Bomben in zwei Pariser Warenhäusern. Dabei wurden 43 Personen verwundet. Das Bild zeigt Polizisten an einem der Tatorte.
Terror in Paris: Im Dezember 1985 zündeten Hisbollah-Milizen Bomben in zwei Pariser Warenhäusern - dabei wurden 43 Personen verwundetBild: MICHEL GANGNE,PASCAL GEORGE/AFP via Getty Images

Wie viele Waffen hat die Hisbollah?

Die Hisbollah verfüge über ein beträchtliches Waffenarsenal, das "überwiegend aus kleinen, tragbaren und nicht lenkbaren Boden-Boden-Artillerieraketen besteht", schreibt das in Washington ansässige "Center for Strategic and International Studies" in einer Studie aus dem Jahr 2021.

Analysten sind unsicher, wie viele Raketen die Hisbollah heute besitzt. Schätzungen zufolge könnten es bis zu 130.000 sein, womöglich sogar mehr. Darunter soll sich auch ein - kleinerer - Teil von Lenkraketen befinden, die ihr Ziel präzise ansteuern können.

Die Munition der Hisbollah wird hauptsächlich im Iran, in China oder Russland hergestellt. Der Großteil gelangt über den Iran und Syrien zu der Gruppe.

Hisbollah-Anhänger beerdigen einen bei Zusammenstößen getöteten Kämpfer, 10.10.23
Hass auf Israel: Hisbollah-Anhänger beerdigen einen getöteten Kämpfer, Oktober 2023Bild: Hussein Malla/AP/picture alliance

Wie effektiv ist die Hisbollah als Kampftruppe?

Die Hisbollah hat den Ruf einer schlagkräftigen Organisation. Zusammen mit ihrem Sponsor, dem Iran, ist die Gruppe seit langem ein Verbündeter der Regierung in Syrien.

Dort kämpften einige ihrer Verbände gegen politische Gegner des Machthabers Baschar al-Assad, darunter neben gemäßigt-demokratischen Kräften auch Extremisten sunnitischer Prägung aus dem Umfeld von Al-Kaida und des "Islamischen Staats" (IS).

Hisbollah-Kämpfer kämpften von 2014 an auch im Irak gegen den IS und sind dort mit vom Iran gesponserten schiitischen Milizen verbündet.

Die Gruppe schickte 2015 auch militärische Ausbilder und Kämpfer in den Jemen, um dort die aufständischen Huthis in ihrem Krieg gegen Saudi-Arabien zu unterstützen.

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp. Zuletzt aktualisiert am 25. August 2024.