Deutschlands Wirtschaftselite vor Gericht
30. Januar 2004Das Personal des Prozesses, der am 21.1.2004 in Düsseldorf begann, ist namhaft besetzt: Angeklagt sind der Chef der größten deutschen Bank, Deutsche-Bank-Vorstand Josef Ackermann, der Ex-Chef des ehemals größten Mobilfunkkonzerns Deutschlands, Klaus Esser, und - besonders pikant - der ehemalige Chef der weltgrößten Einzelgewerkschaft IG Metall, Klaus Zwickel. Sie müssen sich dafür verantworten, dass nach der feindlichen Übernahme des damals größten deutschen Mobilfunkunternehmens Mannesmann durch das britische Unternehmen Vodafone Abfindungen in Millionen-Höhe an die Manager der Mannesmann AG geflossen sind. Das Ganze begann 1999.
"Behalten Sie Ihre Aktien!"
"Tun Sie nichts. Behalten Sie Ihre Aktien!" So rief Mannesmann-Chef Klaus Esser im Herbst 1999 seine Aktionäre in ganzseitigen Zeitungsanzeigen auf, den feindlichen Übernahmeversuch der britische Vodafone abzulehnen.
Esser erweckte den Anschein, als wolle er um jeden Preis vermeiden, von den Briten geschluckt zu werden. Schließlich hatte sich Mannesmann erst wenige Jahre zuvor vom weltgrößten Röhrenhersteller zu Europas zweitgrößtem Mobilfunkanbieter hochgearbeitet. In Deutschland war man mit der Marke D2 sogar die Nummer eins und besaß damals etwa 40 Prozent Marktanteil.
Vodafone hält dagegen
Essers Gegenspieler, Vodafone-Chef Chris Gent, hielt dagegen. In ebenfalls ganzseitigen Zeitungsanzeigen erklärte er, dass Vodafone mit der Übernahme die einstmals erfolgreiche Kooperation zwischen beiden Unternehmen fortsetzen wolle.
In Gents Augen hatte nicht er mit seinem Übernahmeangebot die Kooperation beendet, sondern Esser. Dieser hatte im Oktober 1999 den Vodafone-Konkurrenten Orange übernommen. Damit sah sich Vodafone direkt im Heimatland Großbritannien angegriffen. Einen Monat später schlug Gent mit dem feindlichen Übernahmeangebot zurück. Er bot den Mannesmann-Aktionären an, jede Mannesmann-Aktie in 53,7 Vodafone-Aktien umzutauschen. Ein Novum, da feindliche Übernahmen bis dato in Deutschland kaum bekannt und unter deutschen Unternehmen verpönt waren.
Komfortable Ausgangssituation
Bei seinem Übernahmeversuch kam Gent zugute, dass er Anfang 1999 die amerikanische Firma AirTouch übernommen hatte - diese wiederum war an Mannesmann beteiligt. So hielt Gent zu Beginn des feindlichen Übernahmeversuches bereits 35 Prozent der Mannesmann-Aktien. Eine komfortable Ausgangsposition, da er nur noch weitere 15 Prozent der Aktionäre überzeugen musste, um eine Mehrheit zu bekommen.
Doch Essers Werbefeldzug gegen die Übernahme durch Vodafone durchkreuzte Gents Pläne. Zumindest anfangs, denn erst als Vodafone sein Angebot von etwa 100 Milliarden auf 180 Milliarden Euro aufstockte, ging das Mannesmann-Management in die Knie und gab auf. Zu viele Aktionäre hatten sich auf die Seite von Vodafone geschlagen.
Nacht- und Nebelaktion
Nachdem sie sich monatelang erbittert bekämpft hatten, einigten sich Gent und Esser überraschend am 3. Februar 2000 in einer Nacht- und Nebelaktion. Am Tag darauf verkündete Esser der Presse die bis dahin größte Fusion der Wirtschaftsgeschichte.
Was damals noch keiner wusste: Das Mannesmann-Management hatte sich den Abschied von der Selbstständigkeit fürstlich entlohnen lassen. "Golden Parachute" - "Goldener Fallschirm" - nennt man so etwas. 56 Millionen Euro flossen als Abschiedszückerchen - allein Esser bekam 30 Millionen Euro.
Erlauchter Kreis an Angeklagten
Bald gerieten die Abfindungen in das Visier der Staatsanwaltschaft. Ein erstes Verfahren stellten die Staatsanwälte noch ein, müssen dann aber auf Geheiß des Generalstaatsanwalts ein zweites Verfahren eröffnen.
Am 17. Februar 2003 reichte die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft schließlich Klage ein. Angeklagt sind neben Esser die Mitglieder des Aufsichtsratsausschusses für Vorstandsangelegenheiten, der den Abfindungen zugestimmt hatte. Ein erlauchter Kreis, in dem sich ein Teil der deutschen Wirtschaftselite versammelt. Darunter Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, sowie Klaus Zwickel, bis vor einem Jahr Chef der größten Einzelgewerkschaft IG Metall.
Beschluss nicht blockiert
Während sich der 55-jährige Schweizer Ackermann keiner Schuld bewusst ist, zeigte sich Zwickel reumütiger. Er war zwar nur telefonisch aus Wolfsburg der eiligst einberaumten Sitzung des Aufsichtsratsausschusses für Vorstandsangelegenheiten zugeschaltet und hatte nicht zugestimmt, den Beschluss aber durch sein Schweigen auch nicht blockiert.
Ob es nun Untreue an den Aktionären war, oder die Belohnung für das Mannesmann-Management, den Kaufpreis nach oben gedrückt zu haben, wird sich frühestens Ende Juni 2004 entscheiden. Bis dahin sind vorläufig 40 Verhandlungstage angesetzt.