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Wer schadet wem?

Florian Görner8. August 2002

Esser, Ackermann, Sommer - deutsche Top-Manager stehen im Visier von Staatsanwälten. Zu Unrecht, wie sie selbst sagen. Auch einige Experten warnen, die Ermittlungen seien haltlos und schadeten dem Standort Deutschland.

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Klaus Esser, Opfer einer Hexenjagd?Bild: AP

Einer, gegen den die Justiz ermittelt, ist der frühere Mannesmann-Vorstandsvorsitzende Klaus Esser. Die Staatsanwälte verdächtigen ihn der Untreue. Ihre Vorwürfe sind jedoch nach Ansicht Essers derart aus der Luft gegriffen, dass er zum Gegenangriff auf die Ermittler blies. Erst erhob der ehemalige Unternehmenslenker eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den nordrhein-westfälischen Generalstaatsanwalt Lothar Sent. Diese wurde allerdings vom Justizminister des Landes abgeschmettert.

Vergangene Woche ließ er eine Amtshaftungsklage gegen das Land Nordrhein-Westfalen folgen. Esser sieht seine Persönlichkeitsrechte durch die Ermittler verletzt und fordert Schadenersatz sowie Schmerzensgeld in Höhe von jeweils 100.000 Euro. Eine Entscheidung über den Vorwurf ist nach Angaben des Düsseldorfer Landgerichts erst im März kommenden Jahres zu erwarten.

Hohe Abfindungen

Das Zivilverfahren laufe unabhängig von den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen Esser, erklärte das Gericht am Dienstag (06.08.02) weiter. Hintergrund dieser Ermittlungen der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft gegen Esser und zehn weitere Beschuldigte ist eine mutmaßliche Untreue zu Lasten der Mannesmann-Aktionäre. Unter den Beschuldigten finden sich auch Josef Ackermann, mittlerweile Vorstandssprecher der Deutschen Bank, und IG-Metall-Chef Klaus Zwickel.

Gegenstand der Ermittlungen sind die Zahlungen von Anerkennungsprämien und Pensionen im Rahmen der Übernahme des Mannesmann-Konzerns durch die britische Vodafone Anfang 2000. Dabei flossen Gelder in Höhe von mehr als 210 Millionen Mark an ehemalige Vorstandsmitglieder und Unternehmensangehörige. Alleine Esser erhielt davon 60 Millionen – von denen etwa die Hälfte eine Abfindung für seine vertraglichen Ansprüche war.

Es geht um mehr

Bei dem Streit zwischen Managern und Staatsbeamten geht es freilich um mehr als nur den Fall Mannesmann. Essers Rechtsanwalt Dr. Ralph Wollburg, Partner der Anwalts-Sozietät Freshfields Bruckhaus Deringer, wirft der Staatsanwaltschaft vor, durch strafrechtliche Ermittlungen im Zusammenhang mit Top-Vergütungen für Manager, seien es die von Mannesmann, der Deutschen Telekom oder anderer Konzerne, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu gefährden.

Der Spezialist für Unternehmensübernahmen Wollburg betont gegenüber DW-WORLD: "Internationale Unternehmen werden sich schwer tun, Deutschland als Sitz zu wählen, wenn sie damit rechnen müssen, dass Staatsanwälte die unternehmerischen Vergütungsentscheidungen ihrer Organe mit strafrechtlichen Mitteln überprüfen."

Gesetzesverstoß?

Prof. Dr. Michael Adams, Experte für Wirtschaftsrecht an der Uni Hamburg, hält dagegen eine Ermittlung für geboten. Für ihn ist die hohe Zahlung an Esser unangemessen und bedeutet einen Verstoß gegen das Aktiengesetz.

Im Gespräch mit DW-WORLD widerspricht Wollburg dieser Ansicht: "Unternehmen sind auf die Berechenbarkeit ihres Handelns nach den allein anwendbaren Maßstäben des Aktiengesetzes angewiesen. Und im Sinne dieser Maßstäbe war die Vergütung für Herrn Esser durchaus angemessen: wegen der außerordentlichen Wertsteigerung in Höhe von fast 155 Milliarden DM."

Gutes Management kein Standortnachteil

Eine Gefahr für den Standort Deutschland sieht Adams nicht. Zwar könne es sein, dass sich tatsächlich Unternehmen gegen den Firmensitz in Deutschland entscheiden, um beispielsweise den Niederlanden den Vorzug zu geben, weil dort günstigere Bedingungen herrschen, was exorbitante Gehälter betrifft.

Dies jedoch als einen Standortnachteil für Deutschland zu bezeichnen, gehe ihm zu weit, erklärt er im Gespräch mit DW-WORLD: "Es ist empirisch abgesichert, dass es einem Unternehmen auf die Dauer nur schadet, seine Führungskräfte so ausufernd zu bezahlen. Die gezahlten hohen Summen in der Konzern-Spitze führen zum einen dazu, dass die Menschen am anderen Ende der Leiter, die Arbeitnehmer, immer stärker ausgequetscht werden." Das Ergebnis davon sei Unzufriedenheit. "Zum anderen wird die Unternehmensführung in verheerende Machtkämpfe verwickelt, was einem Unternehmen immer schadet."

Adams führte als Gegenbeispiel für die Fälle Mannesmann und Telekom das Vergütungsmodell des Autoherstellers BMW an, wo Vorstände nach seinen Angaben etwa 1,6 Millionen Euro jährlich erhalten: "BMW zahlt vernünftige Gehälter, wesentlich niedriger als die kritisierten Top-Gehälter. Und sie verfügen nichtsdestotrotz über absolute Top-Manager."