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Deutschland und Indien als strategische Partner

Katja Keppner, Indien6. Oktober 2015

Modi umarmte Merkel zwar nicht, aber das Händeschütteln war eines unter Freunden - bereits zum dritten Mal in diesem Jahr. Die beiden schätzen sich, vor allem als strategische Partner. Aus Indien: Katja Keppner.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel und Indiens Premierminister Narendra Modi in Bangalore. (Foto: dpa)
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Indiens Premierminister Narendra Modi in BangaloreBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Am Morgen stehen die Maschinen in der Werkshalle von Bosch in Bangalore still. "Für die Sicherheit, und damit wir uns besser verstehen", erklärt der Moderator des Rundgangs in sein schnurloses Mikrofon. Er geleitet die hohen Gäste durch die Mechatronik-Abteilung: Bundeskanzlerin Angela Merkel, in satt lachsfarbenem Jackett - und Indiens Premier Modi, in naturfarbener, traditioneller Weste. Der Premierminister mit ernster Miene. Angela Merkel scherzt hier und da und stellt den Auszubildenden, die ihr vorgestellt werden, Fragen. Meist sind sie technischer Natur. Denn Angela Merkel, die Physikerin, versteht etwas von der Materie.

Duale Ausbildung als deutscher Exportschlager

Der deutsche Konzern Bosch betreibt hier im Süden Indiens sein größtes Entwicklungszentrum außerhalb Deutschlands. Allein in den Städten Bangalore und Coimbatore sind rund 12.000 Menschen beschäftigt. Landesweit sind es knapp 30.000. Und: Bosch bildet selbst aus, 180 Jugendliche in drei Jahrgängen. Bosch hat das Ausbildungszentrum aus Eigennutz aufgebaut, weil das Unternehmen nicht die Fachkräfte fand, die es dringend brauchte. Aus dieser dualen Berufsausbildung, dem deutschen Exportschlager, ist ein Vorbild für ganz Indien geworden. Mittlerweile sind unter den Auszubildenden im Elektronikbereich 15 Prozent Frauen. Auch das ist eine Zahl, die der Moderator des Rundgangs in Bangalore gerne vor den Gästen aus Deutschland erwähnt.

Auszubildende im indischen Bosch-Werk. (Foto: DW)
Auszubildende im indischen Bosch-WerkBild: DW/N. Conrad

Indien kann sich nicht "zurücklehnen"

Skill India, unter diesem Motto stellte Narendra Modi kürzlich seine Pläne vor, in den nächsten sieben Jahren 400 Millionen junge Leute in die Ausbildung zu bringen. Ein Mammutvorhaben, für dessen Durchführung er auch nach Deutschland schielt. Nach einem Bericht der indischen Regierung sind weniger als drei Prozent der arbeitenden Bevölkerung im Land wirklich qualifiziert und gut ausgebildet. Aufgrund der jungen Bevölkerung strömen jedes Jahr bis zu 15 Millionen neue junge Leute auf den Arbeitsmarkt. Ein vielversprechendes Potenzial auf der einen Seite, weil es viele junge, tatkräftige Arbeitskräfte gibt - eine potenzielle Gefahr auf der anderen, wenn der Großteil dieser Menschen ohne Ausbildung und Perspektive bleibt und vom Wirtschaftswachstum nichts abbekommt.

Bundeskanzlerin Merkel betonte, wie dringend man aufgrund der alternden Gesellschaft qualifizierte Arbeitskräfte brauche und deshalb bereits die Anwerbe-Regeln für ausländische Fachkräfte gelockert habe. Modi hielt fest: "Wir können es uns nicht leisten,uns zurückzulehnen. Wir wollen die Sektoren ausbauen, in denen Deutschland stark ist. Wir arbeiten daran, die Bedingungen dafür so gut es geht zu gestalten."

Trotz der insgesamt 18 Absichtserklärungen, die die beiden Regierungen unterschrieben haben, unter anderem zum Bau von Indiens "Smart Cities" der Zukunft oder zur Reinigung der Flüsse: Wirtschaftsvertreter und sogar die Bundesregierung fanden bereits im Vorfeld klare Worte der Kritik. Prozesse dauerten oft zu lange. Manchmal würden Ausschreibungen plötzlich gestoppt, ohne ersichtlichen Grund. Die bürokratischen Hürden müssten dringend abgebaut werden, erklärte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier einer großen indischen Zeitung: "Probleme beim Landerwerb sowie die Streitpunkte Steuern und Zölle müssen gelöst werden, um weitere Investitionen zu begünstigen."

Auf der Hannover Messe 2015 warb Modi mit Merkel für "Make in India". (Foto: Reuters)
Auf der Hannover Messe 2015 warb Modi mit Merkel für "Make in India"Bild: Reuters/W. Rattay

Deshalb wurde nun das sogenannte Fast-Track-Verfahren beschlossen. Durch solch ein Schnellverfahren soll es künftig nur noch einen einzigen Ansprechpartner in einer indischen Behörde für deutsche Investoren geben. Es soll den Weg für Unternehmer leichter machen. Die indische Regierung will vor allem produzierende Betriebe ins Land locken. Der große Nachbar China, bislang die "Werkbank der Welt", schwächelt zurzeit. Indien würde China gerne als Werkbank ablösen und dessen Rolle übernehmen.

Bereitstellung von billiger Energie - so schnell wie möglich

"Kurzfristige und flexible Ansätze". Davon spricht der Unternehmensberater Tobias Engelmeier. Er berät ausländische Unternehmen, die auf den indischen Solarmarkt wollen. Nicht jede gut durchdachte Lösung für den deutschen Markt passe auch nach Indien, erklärt er. "Ein Land wie Deutschland ist auf einem gewissen Plateau angekommen,was Entwicklung angeht. Das heißt, man plant langfristigere Lösungen. Indien ist sehr dynamisch und sehr unberechenbar. Es geht hier nicht um Klimaschutz, sondern es geht um die Bereitstellung von billiger Energie, so schnell wie möglich."

Die Zahl der Konsumenten steigt kontinuierlich. Das Wachstum braucht Strom und funktionierende Netze. Modi sei für die Solarindustrie ein Geschenk, sagt Engelmeier. "Er hat die Ziele verfünffacht und Druck in die Branche gebracht. Jetzt ist es hier vergleichbar mit dem, was Deutschland zu Boomzeiten der Solarindustrie erlebt hat."

Das Know-how, das deutsche Solarunternehmen in der Energiewende gewonnen haben, brauche Indien genau jetzt. Die deutsch-indische Solarpartnerschaft setzt nun auf diesen Boom. Nach diesem Abkommen sollen für eine Milliarde Euro zinsverbilligte Kredite in Indien vergeben werden, für den Klimaschutz, Solarparks und den Bau von Solardächern.

Löwen zum Anfassen. (Foto: Getty Images)
Löwen zum Anfassen - ein Abschiedsgeschenk, aber es gibt sicher bald ein WiedersehenBild: Getty Images/AFP/M. Kiran

Modi twittert: "Danke, das war ein produktiver Besuch"

Am Ende des Rundgangs durch die Werkshalle von Bosch in Bangalore bekommen Modi und Merkel noch ein Abschiedsgeschenk. Es ist ein kleiner Löwe zum Aufstellen. Dass es nicht irgendein Löwe ist, weiß die Kanzlerin bereits. Er steht für "Make in India". Das Programm, für das Modi Investoren und Staatsoberhäupter gewinnen will - wie die Gäste aus Deutschland.