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Steht die Weltwirtschaft am grünen Scheideweg?

Nik Martin
27. Januar 2021

Der IWF erwartet ein globales Wachstum von 5,5 Prozent, doch stehen noch einige Hindernisse im Weg. Auf dem digitalen Weltwirtschaftsforum wird diskutiert, ob der Wirtschaft eine ökologische Neuausrichtung helfen würde.

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China Solar - Solarzellen in Daishan - Zhoushan
Bild: picture alliance/Imaginechina/dpa/Y. Feng

Wie stark sich die Weltwirtschaft von der Corona-Pandemie erholt, warnt die Chefin des Weltwährungsfonds (IWF), Kristalina Georgieva, hänge davon ab, wer den "Wettlauf zwischen den Virus-Mutanten und den Impfstoffen" gewinnt.

Im Rahmen einer Video-Schalte mit dem Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos sagte sie, der IWF rechne für dieses Jahr mit einem globalen Wirtschaftswachstum von 5,5 Prozent, nach einem geschätzten Minus von 3,3 Prozent im vergangenen Jahr.

Georgieva wie darauf hin, wie die Pandemie den Graben zwischen den weit entwickelten und den weniger entwickelten Ländern vertieft habe. Außerdem sei im vergangenen Jahr die globale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Seuche unzureichend gewesen.

IWF Direktorin Kristalina Georgieva
IWF-Chefin Kristalina Georgieva beklagte die mangelnde Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der SeucheBild: AFP/Getty Images/S. Corum

Neuer grüner Deal

Die IWF-Chefin lobte die riesigen Wirtschafts-Programme der Regierungen auf beiden Seiten des Atlantiks, die die "grüne Agenda" in den Vordergrund gerückt hätten. Das würde die gemeinsame Anstrengung unterstützen, die Erholung zu beschleunigen.

Auch die Absicht des neuen US-Präsidenten Joe Biden, dem Pariser Klimaschutzabkommen wieder beizutreten, sei hilfreich. "Die Amerikaner wieder an Bord zu haben zeigt, dass eine große und starker Wirtschaft am selben Strang zieht wie die Europäer."

Verschiedene Redner wiesen darauf hin, die Post-Corona-Erholung werde von der Stärke der Schwellenländer abhängen, die ungefähr ein Drittel des globalen Wachstums der vergangenen zehn Jahre beigesteuert hätten.

Logo Weltwirtschaftsforum Davos
Davos Agenda - so nennt sich das digitale WeltwirtschaftsforumBild: Salvatore Di Nolfi/KEYSTONE/picture alliance

Die Entwicklungsländer können das Wachstum anführen

"Schauen Sie zehn oder zwanzig Jahre in die Zukunft, dann sehen Sie, wo die größten Möglichkeiten für Wachstum liegen", sagte Tharman Shanmugaratnam, Vorsitzender der Zentralbank von Singapur und Minister im Kabinett der Stadtstaates. "Es ist in jedermanns Interesse, dass wir in die Infrastruktur, die internationalen Netzwerke und die Globalisierung der sich entwickelnden Welt investieren.

Deutschlands Wirtschaftsminister Peter Altmaier sagte voraus, die Erholung der sich entwickelnden Märkte könnte sich über zwei Jahre hinziehen. Angesichts des globalen Energieverbrauchs, der bis zum Jahr 2050 um rund 50 Prozent ansteigen werde, sprach Altmaier davon, "Synergien" beim Klimaschutz zu schaffen. Beispielsweise seien viele Entwicklungsländer ideal gelegen, um "grünen Wasserstoff" zu produzieren oder andere grüne Technologien umzusetzen - und zwar jeweils zum eigenen Gebrauch und zum Export in entwickelte Länder.

China 2014 Volkswagen in der Provinz Xinjiang | Werkseinfahrt
Wer von der gegenwärtigen Krise profitiert? Zum Beispiel China und Volkswagen in ChinaBild: picture-alliance/dpa/S. Scheuer

Erst der Planet, dann der Profit

Große internationale Konzerne seien beispiellosem öffentlichem Druck ausgesetzt, sich den UN-Klimazielen zu verpflichten und Benachteiligungen auf Grund von Einkommens-, Geschlechts- und Herkunftsungleichheiten zu reduzieren. Daher rückten Unternehmensvorstände ethische Regeln immer stärker in den Vordergrund, sagte Dmitri De Vreeze, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des niederländischen Chemiekonzerns Royal DSM.

Das gegenwärtige Wirtschaftssystem, so De Vreeze. sei "zu eindimensional lediglich auf Profit ausgerichtet". Anschließend beschrieb er die Notwendigkeit, Konzerne zukünftig auf die Prioritätenliste "Mensch, Planet, Profit" auszurichten. Er warnte, Firmen, die das nicht umsetzten, würden schnell zu "Dinosauriern" werden.

Wer zahlt die Zeche?

Neue Steuern, um die hohen Kosen, die die Pandemie verursachen, zu finanzieren und Konjunkturprogramme könnte die Erholung wieder ausbremsen, warnten andere Teilnehmer. Auf die Frage, wer die Lasten tragen solle und wieweit Steuererhöhungen zukünftigem Wachstum schaden könnte, ging Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire ein.

Frankreich fordert schon lange ein hartes Durchgreifen gegen Tech-Konzerne wie Facebook und Google, die oft legale Schlupflöcher nutzen, um ihre Profite in Steueroasen zu begleichen. Eine Digital-Steuer wird nun auch von der neuen US-Regierung begrüßt. "Die Gewinner der Wirtschaftskrise sind die Digital-Riesen", so Le Maire, der darauf verwies, wie die Tech-Firmen von Lockdowns profitiert haben. "Wie wollen sie Branchen, die von der Krise ernsthaft getroffen sind und weiterhin ihre Steuern bezahlen, erklären, dass die Tech-Riesen nicht ebenso besteuert werden? Das ist unfair."

USA Russland | Putin und Biden einig über Abrüstungsvertrag
Joe Biden - der neue US-Präsident weckt Hoffnungen, dass dem Protektionismus nun eine Phase der Zusammenarbeit folgtBild: Evan Vucci/AP Photo/picture alliance

Zeit für eine Reglobalisierung

Die Trump-Regierung wird mit Protektionismus und einem bitteren Handelskrieg mit China verbunden. Daher werden die Forumsteilnehmer erleichtert aufgeatmet haben, als sie Präsident Biden bei seiner Amtseinführung hatten sagen hören, er wolle "unsere Allianzen reparieren und wieder mit der Welt zusammenarbeiten".

Pekings riesige, staatlich geführten Unternehmen und auch Konzerne wie Volkswagen, die gerade China als ihren Nummer-Eins-Markt identifiziert haben, gehören gegenwärtig zu den Profiteuren. "Wir sind hoffentlich auf dem Weg zurück zu einer offenere Welt mit freien Märkten", sagte VW-Chef Herbert Diess den virtuellen Gästen in Davos. "Es ist besser, mit China zusammenzuarbeiten, als zu versuchen, das Land zu isolieren."

Unsichere Aktienmärkte

Viele Sprecher äußerten ihre Sorgen um Virus-Mutanten oder die Wirksamkeit von Impfstoffen, andere sorgten sich, dass ein größerer Börsencrash die Erholung behindern könnten. Die Finanzmärkte hatten positiv auf die Meldungen im Herbst reagiert, dass nun Impfstoffe gefunden seien. Das Versprechen weiterer Hilfsleistungen - in den USA werden rund 1,9 Billionen Dollar diskutiert - führten nach Ansicht einiger Analysten zu einer gewaltigen Blase.

"Ich sehe Dinge am Markt, die mich ernsthaft beunruhigen", so der Chef der Investmentbank Goldman Sachs, David Soloman. "Wenn die Zinsen niedrig sind und das Kapital billig, dann befeuert das Spekulationen. Irgendwann wird der Markt einige dieser Exzesse fortspülen, aber das bedeutet nicht, dass wir eine Art von Marktkrise hätten. Das kann auch eine Art von 'Wiedereinpendeln' der Märkte über eine gewissen Zeitraum sein."

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert