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Daneben geschossen: JPMorgan entschuldigt sich

Arthur Sullivan
27. April 2021

Wütende Fußball-Fans und Politiker haben das Fußball-Projekt einer europäischen "Super League" binnen 48 Stunden zu Fall gebracht. Finanzieren wollte das die US-Bank JPMorgan, die sich nun dafür entschuldigen muss.

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Auch wenn es um viel Geld geht - der Fußball sollte die Fans nicht aus den Augen verlieren
Auch wenn es um viel Geld geht - der Fußball sollte die Fans nicht aus den Augen verlierenBild: PA Images/imago images

Die größte Bank der USA, JPMorgan, knickt so leicht nicht ein. In ihrer Vergangenheit hat sie teuren Vergleichen zugestimmt, beispielsweise wegen ihrer Rolle in den zwei größten Unternehmensskandalen Amerikas, Enron und der Betrug von Bernie Madoff. Auch Bußgelder in Milliardenhöhe hat sie gestemmt. Wie 2013, als sich das Unternehmen mit der US-Regierung auf einen 13-Milliarden-Dollar-Vergleich einigte. Damals wurde der Bank vorgeworfen, die Qualität von Hypotheken, die sie in den Jahren vor der Finanzkrise an Investoren verkauft hatte, falsch dargestellt zu haben.

Krisen ist sie also gewöhnt und selbst im Pandemie-Jahr ist das finanzielle Polster der Bank weich und dick. Fast 30 Milliarden Dollar Gewinn machte JPMorgan und damit mehr als alle deutschen Banken zusammen in einem normalen Geschäftsjahr.

Superliga als Konkurrenz zur Champions League

Diese Krise aber ist anders und so hat sich die Bank für die finanzielle Unterstützung der Super League bei den Fußball-Fans entschuldigt. "Wir haben eindeutig falsch eingeschätzt, wie dieser Deal von der breiteren Fußballgemeinde gesehen werden würde und welche Auswirkungen er in der Zukunft haben könnte", so die Bank in einer Erklärung am 23. April. Da war schon klar, dass die Super League gestorben ist. "Wir werden daraus lernen."

Die Idee zur Super League wurde im April von zwölf Fußballvereinen geboren. 20 Mannschaften, von denen sich fünf für jeweils eine Saison qualifizieren müssen, sollten gegeneinander spielen. Dabei ging es den Vereinen wohl vor allem ums Geld, weil ihnen die Erlöse aus der von der UEFA ausgetragenen Champions League nicht genügten.

Infografik Super League Schulden nach Mannschaft DE

Auch JPMorgan witterte sprudelnde Einnahmen und sagte sechs Milliarden Euro an Fremdfinanzierung zu, einschließlich eines "Infrastrukturzuschusses" in Höhe von 3,25 Milliarden Euro, der zu Beginn unter den Gründungsvereinen aufgeteilt werden sollte.

Bei den Fußballfans kam die Idee der Super League allerdings weniger gut an. Dahinter steht wohl auch die Befürchtung, dass nun Finanzgiganten von der Wall Street den Europäischen Fußball lenken könnten. So saß JPMorgan neben den 12 Vereinen auf der Anklagebank, als die Idee der in einem Inferno der Wut aus praktisch allen Ecken des Fußballs versank.

Chelsea-Fans protestieren gegen Super League-Pläne
Chelsea-Fans protestieren gegen Super League-PläneBild: Ian West/PA Wire/dpa/picture alliance

Reputationsschaden für JPMorgan

Diese Wut schien den Chef des Investmentbankings, Daniel Pinto, noch drei Tage vor dem Rückzug der Bank nicht zu irritieren. Die Reaktionen seien sehr emotional, so Pinto. "Wir haben einen Kredit für einen Kunden vermittelt. Es steht uns nicht zu, zu entscheiden, was der optimale Weg für den Fußball in Europa und in Großbritannien ist. Deshalb hoffen wir, dass sich die Super League, die UEFA, die FIFA und die nationalen Ligen zusammensetzen und entscheiden, was der richtige Weg ist: dieser Super League-Weg oder ein anderer."

Am nächsten Tag, als sich die meisten Vereine bereits von der Idee verabschiedet hatten, distanzierte sich auch Pinto von dem Plan. Am selben Tag stufte die Nachhaltigkeits-Rating-Agentur Standard Ethics JP Morgan Chase von "angemessen" auf "nicht konform" herab - ein Hinweis darauf, dass die Marke der Bank beschädigt worden war.

Großbritannien Fußball Super League Reaktionen von Fans
Tottenham-Fan: "Sag nein zur Super League"Bild: Matthew Childs/REUTERS

Immer mehr multinationale Konzerne mischen im Fußball mit

Die Begeisterung von JPMorgan für das Projekt Super League sei Teil einer breiteren Verschiebung im Profifußball, sagt Dan Plumley, Dozent für Sportfinanzierung an der englischen Sheffield Hallam Universität. Auch andere US-Finanzinstitute und Equity-Firmen hätten in den Sport investiert. Er verwies dabei auf die Fußballclubs Burnley und Southampton in der englischen Premier League sowie auf den italienischen AC Mailand. US-Investment- und Private-Equity-Fonds hätten sich in diese Vereine eingekauft oder sie ganz übernommen. Insofern wundert ihn das Engagement von JPMorgan in die Super League nicht.

"Das ist was diese Art von Organisationen tun", sagte er der DW. Wenn sie langfristiges Wachstumspotenzial sehen, seien sie bereit, große Summen an Kapital zu investieren. "Ohne Zweifel hätten die Clubs über die Super League mehr Geld generiert, als sie es ohne die neue Spielform jemals getan hätten. Für JPMorgan hätte sich die Super League langfristig ausgezahlt", fügte er hinzu.

England Academy Stadium Manchester
Der britische Fußball-Verband FA heißt es: Die Super League hätte den Fußball spalten können, "aber stattdessen hat uns das alle geeint"Bild: Zac Goodwin/PA Images/imago images

Bankgeschäfte mit Freunden

Schon vor der Idee der Super League hatte JPMorgan enge Verbindungen zu den beiden Vereinen, die als die stärksten Unterstützer des Projekts galten: Real Madrid und Manchester United.

Die Bank finanzierte die Renovierung des Stadions von Real Madrid, wobei der Vorstandsvorsitzende der Bank, Jamie Dimon, 2018 nach Madrid flog, um Reals Präsident Florentino Perez zu treffen. Im Fall von Manchester United unterstützte die Bank den umstrittenen Kauf des Vereins durch die Familie Glazer in den frühen 2000er Jahren.

Mit ihrem Engagement haben sowohl die milliardenschweren Besitzer der Vereine, die die Idee der Super League anführen wollten, als auch die Großbank JPMorgan gezeigt, wie wenig Gespür sie für die europäische und speziell die englische Fußballkultur haben. Auch wenn die Vereine mit Geldmengen hantieren, die mit multinationalen Konzernen verbunden sind, sind doch ihre Mannschaften tief in die lokalen Fangemeinden eingebettet.

England Chelsea-Fans Proteste
Der ehemalige Liverpool-Spieler und -trainer Graeme Souness sagte, die Fans würden den Verantwortlichen trotz der Kehrtwende nicht verzeihen: "Sie wollten ihre Seele für schnelles Geld verkaufen. Unsere Anhänger werden ihnen nicht vergeben. Wir sind nicht Amerika."Bild: Matt Dunham/AP/dpa/picture alliance

Heute wütender Fan - morgen vielleicht fehlender Kunde…

Und diese Fangemeinde ist beachtlich. Bevor die Pandemie für leere Stadien sorgte, waren die Zuschauerzahlen bei englischen Ligaspielen in den drei Spielklassen knapp unterhalb der Premier League auf einem Allzeithoch. 2019 besuchte ein Drittel der englischen Bevölkerung (18,4 Millionen Menschen) Spiele in einer dieser drei Ligen.

Für JPMorgan sollten die nun verärgerten Fußballfans eigentlich bald potenzielle Kunden sein. Im Januar verkündete die Bank, dass sie unter der Marke Chase in den britischen Retail-Banking-Markt einsteigen und irgendwann im Jahr 2021 eine rein digitale Bank eröffnen wird. So mancher Fan wird sich erinnern, welche Bank das ungeliebte Super League-Projekt finanzieren wollte.  

Aus dem Englischen adaptiert von Insa Wrede