COP29: Halbzeit beim UN-Klimagipfel – Erfolg noch möglich?
18. November 2024Die aktuelle UN-Klimakonferenz, die COP29 in Aserbaidschans Hauptstadt Baku, geht in die entscheidende zweite Woche. Im Mittelpunkt steht dieses Jahr vor allem die Zukunft der internationalen Klimafinanzierung.
Doch bei ihren Verhandlungen haben die Delegationen aus fast 200 Staaten bisher herzlich wenig erreicht, zur Halbzeit des internationalen Klimagipfels gibt es kaum Fortschritte. Die Verhandlungen steckten "ganz klar fest", sagte ein französischer Diplomat am Wochenende in Baku. UN-Klimasekretär Simon Stiell forderte alle Delegierten mit Nachdruck auf, "das Theater zu beenden" und zu "ernsthaften Verhandlungen" überzugehen.
COP29: Warum globale Klimafinanzierung so wichtig ist
Hauptaufgabe der diesjährigen Weltklimakonferenz ist, die internationale Klimafinanzierung für die Zeit nach 2025 festzulegen. Damit sollen die armen Länder des globalen Südens beim Klimaschutz und der Anpassung an die Folgen der Erderwärmung unterstützt werden. Die Entwicklungsländer haben bislang deutlich weniger Treibhausgase produziert als die Industrienationen, sind aber besonders stark von den Folgen der Erderwärmung betroffen. Eine wirtschaftliche Entwicklung im Stil der Industrieländer würde die globale Treibhausgas-Konzentration extrem steigen lassen.
Für den angepeilten neuen globalen Rahmen zur Klimafinanzierung wurde zwar am Wochenende ein neuer Textentwurf vorgelegt. Doch zentrale Fragen bleiben darin weiterhin offen. Nach Schätzung von Expertinnen und Experten ist für eine Unterstützung mindestens eine Billion Dollar pro Jahr durch die Industrienationen notwendig. Einige Entwicklungsländer fordern bereits 1,3 Billionen Dollar. Bisher haben sich Staaten wie die EU-Länder, die USA und Japan lediglich dazu verpflichtet, 100 Milliarden Euro pro Jahr zu zahlen, also nur ein Zehntel davon.
Mehr private Investitionen zur Klima-Rettung?
"Die erste Woche der Konferenz hat nicht geleistet, was nötig gewesen wäre, um jetzt optimistisch auf die zweite Woche zu blicken", kritisiert Jan Kowalzig, Experte für Klimawandel und Klimapolitik bei der Menschenrechtsorganisation Oxfam. "Beide Schlüsselthemen der COP29, mehr Ehrgeiz im Klimaschutz und solide Unterstützung für die einkommensschwachen Länder, sind von gegensätzlichen Positionen und Blockaden gezeichnet", so Kowalzig zur DW.
Bei den Verhandlungen geht es aber nicht nur um die Höhe der Summe, sondern auch um die Art der Finanzierung. So wollen die Industrieländer stärker als bisher private Investitionen für die Klimafinanzierung heranziehen. Auch Finanzinstrumente, wie Abgaben auf den Flug- oder Seeverkehr sowie auf Finanztransaktionen – oder auch auf Gewinne der fossilen Brennstoffindustrie, werden diskutiert.
Sollen reiche Schwellenländer mehr für den Klimaschutz zahlen?
Und die Industriestaaten wollen, dass reiche Schwellenländer wie China oder die Golfstaaten künftig nicht als Begünstigte, sondern als Geberländer zählen. Das forderte auch der deutsche Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) in Baku. Nach der Absage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist der Vizekanzler der ranghöchste Vertreter der Bundesregierung beim Klimagipfel. Sein Standpunkt: "Die Länder und die Unternehmen, die mit der Gewinnung und dem Verkauf fossiler Energien ein Vermögen verdient haben, sollten zur Finanzierung der Länder beitragen, die jetzt unter der globalen Erwärmung leiden", sagte Habeck auf Nachfrage der DW.
Doch die Schwellenländer zeigten in Baku dazu bisher wenig Bereitschaft. Die Position der Industrieländer im Bezug auf neue Geber und mehr private Investitionen lenke nur davon ab, dass eine direkte Unterstützung für die einkommensschwachen Länder nötig sei, kritisiert Jan Kowalzig.
COP29: Klimakonferenz in schwierigen Zeiten
Doch mit den USA dürfte ein möglicher Geldgeber künftig vermutlich wegfallen - schließlich hat der künftige US-Präsident Donald Trump bereits angekündigt, nach seinem Amtsantritt im Januar die Mitgliedschaft der USA im Pariser Klimaschutzabkommen aufzukündigen . Einige andere Regierungen könnten diesem Schritt folgen. So ist die argentinische Delegation bereits aus Baku abgereist.
Umweltorganisationen monieren nicht nur die bislang mangelnden Fortschritte auf der Konferenz, sie kritisieren auch die starke Präsenz von Lobbyistinnen und Lobbyisten der Öl- und Gasindustrie. Insgesamt sollen ihren Angaben zufolge mehr als 1700 Teilnehmende mit Verbindungen zur fossilen Brennstoffwirtschaft dort anwesend sein. Gastgeber Aserbaidschan selbst ist eng mit der Öl- und Gaswirtschaft verflochten. Präsident Ilham Alijew bezeichnete fossile Energieträger vergangene Woche als "Gottesgeschenk". Seine Regierung möchte deren Förderung noch ausbauen.
Verhilft der G20-Gipfel in Brasilien der COP in Baku zum Durchbruch?
Angesichts der schwierigen Umstände in Baku richten sich derzeit auch Appelle an den G20-Gipfel der führenden Industrienationen, der bis diesen Dienstag im brasilianischen Rio de Janeiro stattfindet. So rief UN-Generalsekretär António Guterres die G20-Staaten zu mehr "Führungsstärke" bei den Klimaverhandlungen auf. "Ein erfolgreiches Ergebnis der COP29 ist immer noch in Reichweite. Aber es wird Führungsstärke und Kompromisse erfordern, insbesondere von den G20-Ländern", sagte Guterres in Rio.
Auch Rachel Cleetus von der Vereinigung Besorgter Wissenschaftler aus den USA, die sich für Abrüstung und Umweltschutz einsetzt, zeigte sich im Gespräch mit der DW hoffnungsvoll. Es könnte beim G20 Gipfel in Brasilien aus den großen Volkswirtschaften "einige hilfreiche Durchbrüche in der Klimapolitik geben", die die Verhandlungen auf der COP29 vorantreiben könnten.
Redaktion: Jennifer Collins