COP29: Guterres ruft "finalen Countdown" für Klimaziel aus
12. November 2024Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, hat in eindringlichen Worten abermals zu einer raschen Minderung klimaschädlicher Treibhausgase aufgerufen. "Wir sind im finalen Countdown, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad (im Vergleich zur vorindustriellen Zeit) zu begrenzen", erklärte Guterres auf der 29. Weltklimakonferenz (COP29) in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku. "Und die Zeit ist nicht auf unserer Seite", stellte er fest. Um das Ziel zu erreichen, müssten die weltweiten Emissionen bis zum Jahr 2030 um 43 Prozent im Vergleich zu 2019 sinken, unterstrich Guterres. Doch leider würden sie derzeit immer noch ansteigen.
Guterres zeichnete in seiner Rede ein düsteres Bild einer vom Klimawandel zunehmend bedrohten Erde. 2024 werde nahezu sicher das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen - und ein "Lehrstück der Klimazerstörung": Infrastruktur werde durch Fluten zerstört, Kinder gingen aufgrund von Dürren hungrig ins Bett, Arbeiter und Pilger kollabierten aufgrund von unerträglicher Hitze, sagte Guterres: "Und kein Land ist davon verschont."
"Die Reichen verursachen das Problem"
Die Industriestaaten rief der UN-Generalsekretär auf, die Entwicklungsländer im Kampf gegen die Klimakrise nicht im Stich zu lassen. "Die Entwicklungsländer dürfen Baku nicht mit leeren Händen verlassen. Eine Vereinbarung ist ein Muss." Schließlich trügen reiche Staaten am stärksten zum Klimawandel bei und arme Länder hätten am meisten darunter zu leiden. "Die Reichen verursachen das Problem, die Armen zahlen den höchsten Preis", kritisierte Guterres. Er verwies auf eine Oxfam-Analyse, wonach die reichsten Milliardäre in eineinhalb Stunden mehr CO2 verursachten als eine durchschnittliche Person während ihres ganzen Lebens.
Laut Experten-Schätzungen sind künftig mindestens eine Billion Dollar pro Jahr notwendig, um Länder des globalen Südens beim Klimaschutz und der Anpassung an die Folgen der Erderwärmung zu unterstützen. Einige Berechnungen kommen sogar auf 2,4 Billionen Dollar. Bislang gilt für die Förderung von Klimaschutz und Klimaanpassung eine Zusage der reichen Industriestaaten von mindestens 100 Milliarden Dollar pro Jahr. Zentrale Aufgabe der Delegationen bei der COP29 ist es, einen neuen finanziellen Rahmen für die Zeit nach 2025 festzulegen. "Klimafinanzierung ist keine Wohltätigkeit, es ist eine Investition", betonte Guterres. "Klimamaßnahmen sind nicht optional, sie sind zwingend notwendig."
Öl und Gas ein "Geschenk Gottes"?
Der Präsident des COP29-Gastgeberlandes Aserbaidschan, Ilham Aliyev, holte derweil zu einem Rundumschlag gegen westliche Medien und Umweltorganisationen aus. Sein Land sei das Ziel von "Fake News" und einer "gut koordinierten Rufmord- und Erpressungskampagne", meinte Aliyev, der die Ex-Sowjetrepublik seit 2003 mit harter Hand regiert. Zugleich wiederholte der Staatschef sein umstrittenes Zitat, dass die Öl- und Gasvorkommen in Aserbaidschan ein "Geschenk Gottes" seien. "Keinem Land sollte vorgehalten werden, sie zu haben und sie auf den Markt zu bringen. Denn der Markt braucht sie, die Menschen brauchen sie." Öl und Gas seien natürliche Ressourcen, so wie Gold, Kupfer, Wind oder die Sonne. "Uns anzuklagen, dass wir Öl haben ist so, als wenn man uns anklagt, dass Baku mehr als 250 Sonnentage im Jahr hat."
Schon vor Konferenzbeginn hatten Umweltschützer bezweifelt, dass Aserbaidschan die UN-Großveranstaltung glaubwürdig und neutral leiten kann. Aliyevs Aussagen passen jedenfalls schlecht zum Beschluss der Weltklimakonferenz 2023 (COP28) in Dubai: Dort hatten sich die Staaten erstmals auf eine Abkehr von den fossilen Energieträgern Kohle, Öl und Gas verpflichtet.
An der Weltklimakonferenz in diesem Jahr nehmen etwa 50.000 Menschen teil, deutlich weniger als in Dubai. Die Verhandlungen sollen am Freitag kommender Woche enden, eine Verlängerung wie in den Vorjahren wäre aber keine Überraschung. Bundeskanzler Olaf Scholz war wegen der Regierungskrise in Deutschland nicht nach Baku gereist. Auch US-Präsident Joe Biden und der Staatschef des COP-Gastgeberlandes 2025, der Brasilianer Luiz Inácio Lula da Silva, sind nicht dabei.
wa/sti (dpa, afp, rtr, epd)