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PolitikChina

China stellt Taiwanesen Personalausweis aus

Yuchen Li aus Taipeh
20. Januar 2025

Personalausweis der Volksrepublik China für Bürger der Republik China? Die Antragsteller aus Taiwan haben oft praktische Gründe wie die einfachere Finanzierung der Geschäftsideen oder der Immobilienerwerb in China.

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Personalausweis der Volksrepublik China
Bild: privat

Ein Video erregt in Taiwan Ausehen. Es zeigt einen chinesischen Geschäftsmann, der Bürger auf Taiwan dazu ermutigt, Personalausweise von Festland China, also der Volksrepublik China (PRC), zu beantragen. Der Mann ist sich offenbar nicht bewusst, dass er dabei gefilmt wird, während er sein Angebot macht.  

Taiwan, offiziell Republik China (ROC), ist in Pekings Augen eine abtrünnige Provinz, die international isoliert ist. Die Inselrepublik stellt seinen Bürgern Personal- und Reisedokumente der ROC aus. Diese werden von der Volksrepublik China nicht anerkannt. Denn für Peking gibt es nur ein China, nämlich die PRC. Taiwan als einen souveränen Staat, der Reisedokument ausstellt, erkennt Peking ebenfalls nicht an. Das wäre dann eine Unabhängigkeitserklärung und eine Abspaltung. 

Zum Reiseverkehr zwischen Taiwan und Festland China ist ein spezielles Reisedokument gültig, das beide Seiten nur zu diesem Zwecke vereinbart haben und weder als Reisepass noch als Personalausweis bezeichnet wird, sondern als "Reisedokument für das Festland für in Taiwan ansässige Personen".

Lin Jincheng, so der Name des Mannes auf dem Video, ist ein Geschäftsmann. Er ist Leiter eines Inkubators für Startups, der taiwanesische Jugendliche in der chinesischen Provinz Fujian auf ihrem Weg in die Selbständigkeit unterstützt. Wer einen chinesischen Personalausweis annimmt, dürfe seine taiwanesische Staatsbürgerschaft und seinen Pass behalten, versichert er in dem Video. Doch dies ist nach taiwanesischem Recht illegal. Wer einen Personalausweis der Volksrepublik China erhält, verliert sämtliche Rechte und Pflichten als ROC-Bürger. 

Das Angebot soll interessierten Taiwanern einen leichteren Zugang zum chinesischen Markt ermöglichen. In dem Video versichert Li seinen Gesprächspartnern, mit einem chinesischen Ausweis könnten sie ihr Unternehmen in China registrieren lassen und auch ein grenzüberschreitendes E-Commerce-Geschäft starten. Zudem sei es dann möglich, Immobilien zu erwerben und die Geschäftsprojekte von chinesischen Inlandsbanken finanzieren zu lassen. Ausländische Staatsbürger dürfen mit einigen wenigen Ausnahmen keine Wohnung in China besitzen.  

Auf die Frage, wie man einen chinesischen Personalausweis beantragen könne, gibt Lin in dem Video keine präzise Antwort. Die Verfahren seien landesweit unterschiedlich. Der Prozess könne in einigen Städten länger dauern als in anderen.

Das Angebot scheint einem starken Bedürfnis zu entsprechen. Taiwan sei für eine Vereinigung mit China zwar nicht zu haben, sagt Yun Wang, Politologe an der taiwanesischen National Chengchi University, im DW- Interview. "Aber Taiwan hat ein erhebliches Interesse, am chinesischen Markt teilzuhaben. Die Kommunistische Partei vom Festland nutzt diese Dynamik konsequent aus."

Ein taiwanesischer Soldat auf Patrouille
Konstanter Druck aus China. Ein taiwanesischer SoldatBild: IMAGO

Taiwan: Warnung an seine Bürger

Derweil erklärten die taiwanesischen Behörden, derzeit stünden weniger als zehn Personen im Verdacht, einen chinesischen Personalausweis zu besitzen. Sollte sich der Verdacht bestätigen, würde die Registrierung der Betroffenen im Einwohnermeldeamt für nichtig erklärt. Das würde im Klartext bedeuten, dass diesen Personen ihre Staatsbürgerschaft der Republik Taiwan zwangsweise aberkannt würde. 

Doch in Xiamen, einer Hafenstadt im Südosten Chinas unmittelbar an der Meeresenge der Taiwan-Straße, hätten bereits mehr als 4000 taiwanesische Bürger einen Personalausweis beantragt, behauptet Lin. Die Wartezeit betrage bis zu drei Monaten. Seine Behauptung ließ sich nicht unabhängig bestätigen. 

Es gilt als sicher, dass die Behörden auf dem Festland auf Antrag unter bestimmten Voraussetzungen Personen aus Taiwan den Personalausweis der Volksrepublik ausstellen, wenn zum Beispiel die Antragsteller ihren ständigen Wohnsitz in Festland China haben. Und wer einen Personalausweis besitzt, nimmt dann die Staatsbürgerschaft der Volksrepublik China an und darf den Reisepass der Volksrepublik China beantragen. Und er wäre auch in China wahlberechtigt. 


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Propaganda und Spionagenetze 

Das Angebot für einen chinesischen Personalausweis stellt nur einen der vielen Versuche Chinas dar, junge Taiwaner politisch zu beeinflussen und ihre Bindung an das chinesische Festland zu festigen.

So wurde etwa bekannt, dass die Zentralabteilung Vereinigte Arbeitsfront des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas einige taiwanesische YouTuber und Influencer drängte, chinesische Regierungspropaganda zu verbreiten. Einen weiteren Bericht des taiwanesischen Sicherheitsbehörden zufolge animiert China religiöse Gruppen, Kriminelle und pensionierte Veteranen dazu, Spionagenetzwerke aufzubauen.

Das Angebot mit der Staatsangehörigkeit der PRC sei eine relativ neue Taktik, so der Politologe Yun Wang. "Wenn Taiwaner früher nach China kamen, wurden sie als Ausländer behandelt. Jetzt gelten sie als Inlandsbürger."

Allerdings sieht Peking in seinem Vorgehen auch Risiken. Denn Taiwan könnte das Angebot nutzen und Spione zur Informationsbeschaffung nach China schicken. "Zwar bietet China den Taiwanesen an, sich wie Inländer behandeln zu lassen. Zugleich aber ist Peking ihnen gegenüber äußerst misstrauisch."

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Taiwan warnt seine Bürger

Dennoch versuche die chinesische Regierung, Partner oder lokale Kollaborateure auf Taiwan zu "kaufen", sagt Chih-wei Yu von Taiwans National Police University. "Dabei geht es den Chinesen weniger darum, dass sich die kontaktierten Taiwanesen engagieren. Vielmehr hoffen sie, dass sie sich Chinas Anordnungen fügen, wenn die Zeit dafür gekommen ist."

Angesichts derartiger Versuche haben die taiwanesischen Behörden die Bevölkerung kürzlich aufgefordert, wachsam zu sein. China versuche das taiwanesische Nationalgefühl sowie die Souveränität der Bürger zu untergraben, hieß es in einer auf Chinesisch verfassten Erklärung. Die Regierungspartei DPP gilt als chinakritisch. Taiwans demokratisch gewählter Präsident William Lai behauptete vor seiner Wahl vor einem Jahr, er sei ein politischer Akteur, der sich für die Unabhängigkeit einsetze. Allerdings wurde er nach der gewonnen Wahl gegen die chinafreundlichere Partei KMT deutlich zurückhaltender. 

Peking selbst schweigt zu der Angelegenheit. In den chinesischen sozialen Medien werten viele Nutzer diese aber als Hinweis darauf, dass China so das Endziel einer Wiedervereinigung mit Taiwan effektiver erreichen könne. Der Geschäftsmann Yun Wang sieht das anders. Die Ausgabe chinesischer Ausweise an taiwanische Staatsbürger trage weder zur Vereinigung bei, noch werde es die nationale Identität Taiwans untergraben. Das eigentliche Ziel Chinas könnte sein, mit Hilfe seiner Staatsbürger "Reibereien und eine Spaltung innerhalb der taiwanesischen Gesellschaft" zu provozieren.

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp