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Birkenstock: In Kult-Schlappen an die Börse

Mischa Ehrhardt aus Frankfurt am Main
13. September 2023

Birkenstock geht an die New Yorker Börse. Damit wandelt sich der Hersteller von Öko-Latschen endgültig zum Hipster-Liebling. Vor allem in den USA ist die Marke Kult. Das hat auch was mit Heidi Klum zu tun.

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Birkenstock Sandalen
Bild: Levine-Roberts/IMAGO

Bald 250 Jahre Firmengeschichte - und nun folgt ein besonderes Kapitel: Der traditionsreiche Sandalen-Hersteller Birkenstock geht in den USA an die Börse. Am Dienstag legte das Unternehmen aus Linz am Rhein in Bundesland Rheinland-Pfalz ihren Börsenprospekt bei der US-Börsenaufsicht SEC vor. Unklar bleibt zunächst das Volumen der Aktienplatzierung 

Birkenstock - das sind vor allem Sandalen. Neuerdings tauchen im Produktportfolio aber auch wohlklingende Namen internationaler Städte auf wie Bangkok, Canberra, Montreal: Namen, die Birkenstock auch für seine Betten- und Matratzenkollektion gewählt hat. Denn seit einigen Jahren ist das Unternehmen aus Linz am Rhein auch in diesen Bereich eingestiegen. Doch natürlich steht der Name vor allem für Fuß-Betten in Gesundheitssandalen. Doch den Öko- und Reformhaus-Flair hat die Marke seit längerem abgestreift. "Birkenstock ist eine Kultmarke", sagt der Fondsmanager vom Vermögensverwalter Acatis, Hendrik Leber. "Vor allem in den USA ist Birkenstock eine echte Kultmarke geworden, auch wenn man das nicht vergleichen kann etwa mit Mode aus Mailand oder Paris."

Birkenstock-Sandalen am Stand des Unternehmens auf einer Modemesse (2014 in Berlin)
Früher waren Birkenstock-Sandalen braun oder schwarz. Heute ist die Farbpalette groß und grell Bild: Soeren Stache/picture alliance/dpa

Das dürfte in der Tat auch das Geheimnis des Erfolges von Birkenstock sein: Konsequent auf Gesundheit und Nachhaltigkeit zu setzen und dabei klassisch-modische Aspekte größtenteils außen vor zu lassen. Und nicht zuletzt: Dieser Markenkern hat Geschichte.

Lange Geschichte

Die Wurzeln des Unternehmens reichen zurück bis 1774. In Frankfurt am Main gründete der Schuster Johann Adam Birkenstock eine kleine Firma. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges kehrte das Unternehmen der Region Frankfurt den Rücken und zog nach Bad Honnef am Rhein. Der heutige offizielle Hauptsitz in Linz liegt nur wenige Kilometer flussaufwärts entfernt. 1963 kam die erste Gymnastik-Sandale auf den Markt. Und so war es zunächst Gesundheitspersonal, das mit den Ökotretern durch die Gänge von Kliniken und Arztpraxen schlurfte. Danach wandelten auch Anhänger der Umweltbewegung und Hippies auf den Sandalen durch ihre bunte Welt. Neben Sandalen verkauft Birkenstock hier mittlerweile Schuhe, Strümpfe, Gürtel, Taschen, Naturkosmetik - und neuerdings eben Betten.

Bis heute ist es weniger die Schönheit, die die Produkte der Marke auszeichnet, sondern eher deren praktische Vorteile. "Birkenstock hat immer für zwei Aspekte gestanden: Für praktisches Design und Funktionalität. Und für Qualität, die nicht hübsch war. Und das Funktionale dieser Produkte, ohne auf die Schönheit zu achten, wird heute als authentisch gewertet", sagte Fernando Fastoso, Marketing-Professor an der Hochschule Pforzheim, gegenüber DW.

Die Original-Birkenstock-Sandalen von Steve Jobs bei der Versteigerung in den USA
Die Original-Birkenstock-Sandalen von Steve Jobs bei der Versteigerung in den USABild: AP Photo/picture alliance

Steve Jobs war Fan

Zu den besonders wertigen Latschen aus dem Familienunternehmen gehören die des Apple Gründers Steve Jobs. Die waren am Ende zwar nicht sonderlich schön anzusehen, kamen bei einer Auktion aber für fast 2750 Dollar unter den Hammer. Heute schmücken die Hausschuhe auch millionenschwere Füße wie die von Heidi Klum oder Kate Moss. Fernando Fastoso: "Das sind Menschen, die sich alle Marken dieser Welt leisten könnten. Doch Birkenstock ist ungewöhnlich. Vielleicht ist das auch das Provozierende: Heidi Klum und andere sagen damit: Ich bin modebewusst und trage mit Birkenstock etwas Ungewöhnliches, Unerwartetes."

So hat Birkenstock sich vom Hippie-Treter zum Hipster-Liebling gemausert und weckt das Interesse großer Investoren im Luxus-Konsumbereich. Vor zwei Jahren stieg der französische Luxuskonzern LVMH mit Marken wie Louis Vuitton und Christian Dior über die mit LVMH verbundene Private Equity-Gesellschaft L Catterton in das Unternehmen ein. Damals geschätzter Wert von Birkenstock: rund vier Milliarden Euro.

Heidi Klum kreierte 2003 eine Birkenstock-Kollektion
Von Heidi Klum kreierte Birkenstock-Kollektion im Jahr 2003Bild: Matt Mc Cabe/dpa/picture-alliance

Vom Patriarchen zum familienfremden Chef

Zu der Aufstiegsgeschichte gehört aber auch, dass die Familie hinter dem Unternehmen ihren Beschäftigten gegenüber wenig zimperlich war. So haben sich der Firmenpatriarch Karl Birkenstock und seine drei Söhne lange gegen die Bildung von Betriebsräten gewehrt - auch gerichtlich. Bis 2012 zahlte das Unternehmen Frauen bei gleicher Arbeit und Qualifikation einen Euro pro Stunde weniger als den männlichen Kollegen. Im Jahr 2013 schließlich wurde diese Ungerechtigkeit erst beseitigt - nach einem Urteil des Arbeitsgerichtes und einer neuen Unternehmensstruktur.

Seither führten Oliver Reichert und Markus Bensberg die Geschäfte des Hauses als Statthalter der beiden Söhne Christian und Alex. Seit Mitte 2021 ist Oliver Reichert alleiniger Chef des Unternehmens. Es ist das erste Mal in seiner fast 250-jährigen Geschichte, dass Birkenstock von familienfremden Managern geleitet wird. Und wie der Aufstieg in den vergangenen Jahren zeigt, hat das dem Unternehmen eher geholfen als geschadet.

Experten schätzen den Wert bei einem möglichen Börsengang in naher Zukunft auf mindestens acht Milliarden Euro. Würde der Börsengang in Amerika das Ende des Familienunternehmens bedeuten? Wahrscheinlich nicht, auch wenn sich einige Besitzverhältnisse ändern dürften.

In Unternehmenskreisen heißt es jedenfalls, dass die Produktion auch künftig komplett in Deutschland erfolgen soll und nicht etwa in Asien. Klar - denn auch das Prädikat Made in Germany ist Teil der Erfolgsgeschichte von Birkenstock. Vielleicht künftig ja nach den Fuß-Betten auch im Bereich von richtigen Betten.

Der Artikel wurde am 13.9. um die Ankündigung des Börsengangs aktualisiert.