1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bidens Deutschlandreise: Der letzte Transatlantik-Präsident?

18. Oktober 2024

Bei seinem Besuch in Deutschland wird US-Präsident Joe Biden die Bedeutung der deutsch-amerikanischen Zusammenarbeit betonen – wie er es seit Jahrzehnten tut. Das Ende seiner Präsidentschaft ist auch das Ende einer Ära.

https://p.dw.com/p/4lYWA
Joe Biden und Olaf Scholz sitzen vor Flaggen und lächeln
Joe Biden mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz: Eine gute transatlantische Beziehung war Biden immer wichtig (Archivfoto)Bild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

US-Präsident Joe Biden ist nur noch wenige Monate im Amt, da wird es Zeit für eine Abschiedstournee. Nachdem er seinen Besuch aufgrund von Hurrikan Milton verschieben musste, wird Biden nun am Freitag in Deutschland sein.

Als erster US-Präsident seit George H. W. Bush  soll er von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit dem Großkreuz des Bundesverdienstordens ausgezeichnet werden. "Damit würdigt der Bundespräsident die Verdienste von Präsident Biden um die deutsch-amerikanische Freundschaft und das transatlantische Bündnis, welche Biden über fünf Jahrzehnte maßgeblich geprägt und… gestärkt hat", teilte das Bundespräsidialamt vor dem ursprünglichen Besuchstermin Anfang Oktober mit.

Die Beziehung zwischen den USA und Europa, und USA und Deutschland im Besonderen, liegt Biden sehr am Herzen. Mit dem Ende seiner Präsidentschaft geht auch eine Ära zu Ende. 

"Ich denke, man kann ihn so [als den letzten transatlantischen Präsidenten] bezeichnen", sagte Michelle Egan, Professorin an der American University in Washington und Expertin für die Beziehungen zwischen den USA und Europa, im DW-Interview. "Das liegt an seiner langjährigen Arbeit mit der NATO, mit der Münchner Sicherheitskonferenz und dem Außenpolitik-Ausschuss des US-Senats, durch die er viele europäische Staatschefs kennenlernte, bevor er je Präsident wurde."

Biden (links) und Scholz (rechts) schütteln sich die Hände beim NATO-Jubiläumsgipfel
Joe Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz trafen zuletzt beim NATO-Jubiläumsgipfel im Juli 2024 in Washington aufeinanderBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Warum ist Biden so ein großer Transatlantiker?

Biden wurde 1942 geboren. Er wuchs in einem Land auf, das Deutschland beim Wiederaufbau nach Ende des zweiten Weltkriegs half. Nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 konnte er beobachten, wie Westdeutschland zu einem der wichtigsten Partner der USA im Kalten Krieg wurde.

"[Biden] ist seit 1972 in der Politik und wurde im Bereich der Außenpolitik durch das Erlebnis des Kalten Krieges geprägt", sagte Peter Sparding, der Vizepräsident des Center for the Study of the Presidency and Congress, der DW. "Deutschland war praktisch der Mittelpunkt dieses Konflikts."

Als Vizepräsident von Barack Obama war Bidens außenpolitische Erfahrung von großer Bedeutung.

"Obama hatte nur sehr eingeschränkte Erfahrung mit Außenpolitik" als er sich für das Amt des Präsidenten bewarb, sagt Egan. "Das war der Grund, dass Biden den Job als sein Vize bekam. Biden hatte die Verbindungen und das nötige Wissen."

Obama sei während seiner Amtszeiten sehr beliebt in Europa gewesen, weil er das transatlantische Verhältnis nach der Präsidentschaft von George W. Bush wieder aufbaute, so Egan weiter – dabei sei es Biden gewesen, der eine emotionale Verbindung zu Europa hatte, nicht Obama.

USA und Deutschland: Viele Gemeinsamkeiten

Auch heute, während Bidens Präsidentschaft, ist Deutschland weiterhin ein wichtiger Partner der USA. Beide Länder gehören zu den großen Unterstützern der Ukraine in ihrem Kampf gegen Russland. Außerdem gehören sowohl die USA als auch Deutschland zu den Ländern, die im aktuellen Nahostkonflikt das Selbstverteidigungsrecht Israels am stärksten betonen.

US-Verteidigungsminister Austin besucht Ukraine

Egan weist darauf hin, dass die beiden Länder neben ähnlichen Positionen auf der internationalen Bühne auch ähnliche innenpolitische Herausforderungen verbinden. "Sowohl die USA als auch Deutschland erleben gerade eine politische Spaltung", sagt die Transatlantik-Expertin.

In den USA bilden Demokraten und Republikaner zwei ideologisch klar getrennte Lager, die sich häufig erbittert gegenüberstehen, wenn nicht sogar bekämpfen. In Deutschland, so Egan, ist das Erstarken der rechtspopulistischen und in Teilen rechtsextremen AfD (Alternative für Deutschland) ein Zeichen für die politische Spaltung der Bevölkerung.

"Eine zweite Parallele ist meiner Meinung nach das Thema Grenzen und Grenzkontrollen", sagt Egan. "Deutschland hat das Thema Grenzkontrollen trotz [der Freizügigkeit in] der Schengenzone und der EU aufgebracht."

Nachdem ein Migrant in Solingen im August 2024 drei Menschen erstochen hatte, verschärfte Deutschland seine Migrationspolitik. Dazu gehörte auch die Einführung oder Verlängerung von Kontrollen an allen deutschen Grenzen – auch an denen zu anderen EU-Staaten. Dieser Schritt war in Deutschland nicht unumstritten.

Und in den USA stolpere die demokratische Präsidentschaftskandidatin und aktuelle Vizepräsidentin Kamala Harris im Wahlkampf immer wieder über die Einwanderungspolitik und Sicherheit an der US-Grenze zu Mexiko. Biden hatte das Thema zu Beginn seiner Präsidentschaft praktisch zu Harris' Aufgabengebiet erklärt, jetzt kritisiert ihr Kontrahent Donald Trump nichts lieber als irreguläre Immigranten, die seiner Meinung nach für einen Großteil der Probleme der USA verantwortlich sind.

Tausende Migranten warten an US-Grenze in Mexiko

USA wendet sich anderen Partnern zu

Biden wird auch als letzter großer Transatlantiker gesehen, weil Deutschland in der US-Außenpolitik eine weniger wichtige Rolle spielen wird als in der Vergangenheit. Außerdem werde es sich nicht mehr so stark wie bisher auf die USA als Verteidiger der europäischen Sicherheit verlassen können, sagt Peter Sparding.

"Die deutsch-amerikanische Beziehung wird in Zukunft anders aussehen, egal wer der nächste Präsident wird", sagt Sparding. "Die USA wenden sich dem Indo-Pazifik zu und reagieren auch auf China als ernstzunehmende Konkurrenz. Es gibt also auf US-Seite die Erwartung, dass Länder wie Deutschland mehr Verantwortung in und um Europa herum übernehmen."

Carla Bleiker
Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker