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US-Atombomben: wenig Protest in Deutschland

7. Juli 2022

Seit fünf Jahren verbietet ein UN-Vertrag Atomwaffen. Deutschland ist nicht beigetreten. Wegen des Ukraine-Kriegs will eine Mehrheit US-Atombomben im Land behalten. Für den Ernstfall sei man gewappnet, so die Bundeswehr.

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Kampfjet F-35 Kondensationswolke
Wird für den Einsatz von US-Atombomben zertifiziert: das Kampfflugzeug F-35Bild: U.S. Air Force/Zuma/picture alliance

Seine Piloten wären es, die im Ernstfall Atombomben abwerfen würden. Thomas Schneider ist Oberst der Luftwaffe und führt als Kommodore das Taktische Luftwaffengeschwader 33 der Bundeswehr. Der 56-Jährige bittet in olivgrüner Fliegerkombi in sein Büro in Büchel, einem Ort in der Eifel ganz im Westen Deutschlands. Flugzeugmodelle schmücken den Raum, besonders häufig zu sehen: der Tornado.  

"Ich fliege den Tornado jetzt seit 25 Jahren", sagt Schneider. "Es ist ein schönes Flugzeug, ein wunderbares Flugzeug." Doch der Tornado ist zu alt – auch für die so genannte nukleare Teilhabe, bei der deutsche Kampfjets amerikanische Atombomben tragen. "Es bricht mir ein wenig das Herz", so Schneider. "Aber jetzt bekommen wir ein Flugzeug der fünften Generation. Die F-35 ist eines der besten Flugzeuge, die wir im Moment auf NATO-Seite haben. Wir sind also sehr stolz und freuen uns darauf, dieses Flugzeug hierher zu bekommen." 

Atomare Abschreckung aus Deutschland 

Mit Milliarden an Euro rüstet Deutschland auf. Auch, um weiterhin Teil der nuklearen Abschreckung der NATO zu sein. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine ist das Ziel eines atomwaffenfreien Deutschlands - im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien festgeschrieben - in weite Ferne gerückt. Laut einer Umfrage spricht sich seitdem eine Mehrheit der Deutschen dafür aus, die amerikanischen Bomben vom Typ B61 in Büchel zu belassen.

Fliegerhorst Büchel Oberst Thomas Schneider
Atomare Abschreckung ist sein Auftrag: Kommodore Thomas SchneiderBild: Peter Hille/DW

Am Auftrag seines Geschwaders habe der Ukraine-Krieg jedoch nichts verändert, sagt Schneider. "Wir wissen, was wir zu tun haben. Wir sind mit der nuklearen Abschreckung im Rahmen der NATO beauftragt. Wir haben das über 40 Jahre lang trainiert. Wir sind bereit." Er hoffe jedoch, dass die Waffen nie eingesetzt würden.

Schneiders Geschwader ist auf dem Luftwaffenstützpunkt Büchel stationiert. Der Fliegerhorst wird gerade umgebaut. Die Start- und Landebahn wird erneuert. Und es müssen neue Hangars her für die F-35 - das Flugzeug, mit dem deutsche Piloten in Zukunft für den Abwurf der amerikanischen Atombomben bereitstehen sollen.

Einfahrt zum Fliegerhorst Büchel
Wachen und doppelte Zäune sichern den Fliegerhorst Büchel Bild: Peter Hille/DW

"Gefährdungsstufe: Bravo" steht am Eingangstor auf einem Metallschild, dessen Rostansatz vermuten lässt, dass es schon im Kalten Krieg angezeigt hat, ob Ungemach droht oder nicht. Nach Bravo wird es brenzlig mit Charlie und Delta – Ruhe herrscht bei Alpha.  

Protest mit Papierblumen 

Die zweitniedrigste Gefährdungsstufe dürfte eine Reaktion auf eine Gruppe von Atomwaffengegnern sein, die auf einer Verkehrsinsel vor dem Fliegerhorst ihren Pavillon aufgebaut hat. Doch von den zwölf Friedensaktivisten unter dem roten Sonnendach geht keine erkennbare Gefahr aus. Sie falten aus buntem Papier Blumen und Kraniche – ein Symbol der Anti-Atomkriegsbewegung. In der Vergangenheit sind Protestierende schon mal über die Zäune geklettert. Feldjäger und Polizisten sind rundherum im Einsatz.

"Wir sind nur wenige", sagt Johannes Oehler. Er ist im Vorstand bei ICAN Deutschland, der Internationalen Kampagne zur atomaren Abrüstung. "Das ist einer der Gründe, warum ich damit angefangen habe, mich zu engagieren. Ich hatte das Gefühl, dass es nur eine sehr kleine Anzahl von Menschen gibt, die sich für dieses Thema interessieren. Obwohl es so wichtig ist und so bedrohlich." 

"Wir müssen den Einsatz von Atomwaffen verhindern" 

Als Erfolg der Friedensbewegung sieht der der 32-Jährige Oehler den Vertrag zum Verbot von Atomwaffen an, den 122 Länder vor fünf Jahren am 7. Juli 2017 verabschiedeten – alles keine Atommächte. Mittlerweile haben ihn 66 Staaten ratifiziert. Oehler setzt sich dafür ein, dass auch Deutschland den Vertrag unterzeichnet.  

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Will alle Atomwaffen abschaffen: Johannes Oehler vor dem Fliegerhorst BüchelBild: Peter Hille/DW

"Wenn es weiterhin Atomwaffen gibt, werden sie auch irgendwann eingesetzt werden", sagt Oehler. "Und genau das ist der Grund, warum der Atomwaffenverbotsvertrag die Aufgabe dieser Waffen zur Bedingung macht. Wir müssen verhindern, dass diese Waffen jemals wieder eingesetzt werden. Und das ist der einzig mögliche Weg." 

Oehler wird von lautem Dröhnen übertönt. Zwei Tornados kommen aus Süden, fliegen in weitem Bogen über den Stützpunkt und verschwinden hinter weißen Wolkentürmen.  

Keine Angst vor dem Atomkrieg? 

Nur wenige Flugsekunden vom Fliegerhorst entfernt liegt der Ort Büchel. Bei "Happy Döner" im Ortszentrum reicht die Schlange der Wartenden am Mittag bis hinaus auf den Bürgersteig. Männer in Jogginghosen und eine Frau in Tarnfleck warten auf Falafel, Lahmacun oder Pommes. Die meisten gehören zur Luftwaffensicherungsstaffel, die den nahegelegenen Stützpunkt vor Angreifern schützen soll. Nicht nur der Schnellimbiss lebt von den Soldatinnen und Soldaten des Fliegerhorsts. 

Fliegerhorst Büchel Atomwaffenstationierung USA Eifel Flash-Galerie
Hier sollen 20 US-Atombomben vom Typ B-61 lagern: der Fliegerhorst Büchel aus der LuftBild: picture alliance/dpa

"Das bringt Arbeit für die Leute hier, wir sind alle froh darüber," sagt Werner Gevenich. Der 65-Jährige steht ebenfalls an, er will Döner und Pizza. "Und das mit dem Atom stört nicht, damit leben wir schon seit vielen Jahren." Gevenich, früher bei der Post, heute in Rente, greift nach den Plastiktüten mit dem Mittagessen für ihn und seine Frau. Ob ihm nicht Sorge macht, dass Büchel im Kriegsfall zum ersten Ziel eines Angriffs werden könnte? "Wenn der Atomkrieg kommt, dann sind wir alle dran", sagt er. "Dann ist es egal, ob wir direkt daneben sitzen oder weiter weg." 

Die letzten Soldaten haben mittlerweile den Schnellimbiss verlassen. Die Anti-Atom-Aktivisten seien ihnen egal, hatten sie noch gesagt. Solange die Einfahrt zum Fliegerhorst nicht blockiert werde, sollten die ruhig demonstrieren.