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Argentinien: Mileis Flirt mit China

Tobias Käufer
26. Oktober 2024

Argentiniens libertärer Präsident will engere Handelsbeziehungen mit dem asiatischen Wirtschaftsgiganten. Er hofft auf Wachstum mit Hilfe aus Peking. Damit sendet er auch ein Signal an die zögernden Europäer.

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Wirtschafts- und Finanzzentrum "Puerto Madero" in Buenos Aires. Zu sehen ist auch ein Gebäude der Bank of China
Wirtschafts- und Finanzzentrum "Puerto Madero" in Buenos Aires. Zu sehen ist auch ein Gebäude der Bank of ChinaBild: Tobias Käufer/DW

Diese Zahl sieht die Regierung als Bestätigung: Laut Statistikinstitut INDEC ist die Inflation im Monat September auf 3,5 Prozent gesunken - dem niedrigsten Stand seit 2021. Die Aktienkurse steigen, das Länderrisiko sinkt: Der knallharte Reformkurs der Regierung des libertären Präsidenten Javier Milei scheint erste Erfolge abzuwerfen, zeigen wenigstens die rein ökonomischen Eckdaten.

Wäre da nicht die Entwicklung der Armutsrate. Die stieg im ersten Halbjahr laut Katholischer Universität UCA auf über 54 Prozent. Auch wenn sie im zweiten Quartal leicht rückläufig war, wird die Entwicklung von Armut und Bedürftigkeit zum entscheidenden Gradmesser für die Präsidentschaft Milei.

Interesse an internationale Investoren

Um den Trend umzukehren, braucht Milei internationale Investitionen und spürbares Wirtschaftswachstum. Weil der seit über 20 Jahren in Verhandlungen steckende Freihandelsvertrag zwischen dem südamerikanischen Handelsbündnis Mercosur und der Europäischen Union immer noch nicht unter Dach und Fach ist, versuchen Argentinien und die Nachbarländer Brasilien und Uruguay, eigene Freihandelsverhandlungen mit China voranzutreiben.

Anhänger von Javier Milei zeigt einen großen Dollar-Schein, der das Bild des Präsidenten trägt.
Ein Dollar-Schein mit dem Bild des Präsidenten - im Wahlkampf ein Symbol für die Nähe Mileis zum WestenBild: Tobias Käufer/DW

Keine Zusammenarbeit mit China?

Mit der kommunistischen Regierung in Peking wollte Milei aus ideologischen Gründen allerdings nicht zusammenarbeiten, hatte er in einem TV-Interview gesagt: "Ich werde nicht nur keine Geschäfte mit China machen. Ich werde mit keinem Kommunisten Geschäfte machen. Ich bin ein Verfechter der Freiheit, des Friedens und der Demokratie", so Milei während des Wahlkampfes im September 2023.

Ein Jahr später ließ Milei als Präsident mit einer neuen Bemerkung aufhorchen: "China ist ein sehr interessanter Handelspartner, weil sie nichts fordern, sondern nur wollen, dass man sie in Ruhe lässt", sagte Milei vor wenigen Tagen. Und löste mit dem Kurswechsel eine Debatte über das Für und Wider einer stärkeren Kooperation mit Peking aus.

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Handelsbeziehungen, keine politische Kooperation

"Eine stärkere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China ermöglicht es, viele Produkte viel günstiger zu beziehen, als wenn sie in Argentinien selbst hergestellt würden. Argentinien kann im Gegenzug Produkte nach China exportieren, bei denen Argentinien günstiger ist", sagt Philipp Bagus, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Rey Juan Carlos in Madrid.

Er kennt Milei aus akademischen Diskussionen und versucht in seinem gerade erschienenen Buch "Die Ära Javier Milei" die libertären Gedanken des Präsidenten dem deutschsprachigen Publikum zu erklären. "Durch die Konzentration auf die Produkte, bei denen das Land Vorteile hat, steigt die Gesamtproduktion und der Wohlstand. Ich sehe keine Gefahr in einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit, jedoch in einer politischen Zusammenarbeit, die Abhängigkeiten erzeugen kann. Eine solche politische Zusammenarbeit lehnt Milei aber ab", sagt Bagus im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Etwas zurückhaltender bewertet Hans-Dieter Holtzmann von der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung die mögliche Erweiterung des argentinischen Handels mit China. In der gesamten Region sei ein wachsendes Interesse Chinas an einer engeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit festzustellen, insbesondere in für China strategischen Sektoren wie Energie und Infrastruktur.

Argentiniens Präsident Javier Milei bei einer Wahlkampfveranstaltung in Buenos Aires im Jahr 2023
Javier Milei bei einer Wahlkampfveranstaltung in Buenos Aires 2023 - da wollte er von China noch nichts wissenBild: Tobias Käufer/DW

Handelschancen oder Sicherheitsrisiken

"Die vermeintlich attraktive Finanzierung, die China hierbei häufig anbietet, kann sich schnell als "süßes Gift" erweisen: Es gibt zwar keine umwelt- und sozialpolitischen Konditionalitäten wie bei anderen Geldgebern, aber dafür harte wirtschaftliche Konditionen sowie eine strikte Geheimhaltung der Vertragsdetails, die unter anderem korrupte Praktiken verschleiern kann", sagt Holtzmann.

Deshalb könnten im Endeffekt wirtschaftliche, aber auch politische Abhängigkeiten bis hin zu Sicherheitsrisiken drohen. "Auch die erwarteten lokalen Beschäftigungseffekte werden häufig überschätzt, weil China bei vielen Projekten auf den Einsatz chinesischer Arbeitskräfte besteht", sagt Holtzmann zur DW.

Franco Marconi, Analyst des liberalen Think Tanks "Libertad y Progresso”, sieht jedwede argentinische Regierung in der Pflicht, Vor- und Nachteile einer Zusammenarbeit mit China genau abzuwägen: "Handelschancen müssen ergriffen werden, solange sie nicht dazu führen, dass Prinzipien geändert oder eine gute Regierungsführung verraten wird", sagt Marconi auf Anfrage der Deutschen Welle. Im kommenden Jahr will Javier Milei selbst nach China reisen. Im Januar versammeln sich dort die Vertreter der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) zum Gipfeltreffen - mit China.