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Politik

Abtreibungsverbot: "Frauen werden sterben"

17. April 2020

In der Corona-Krise hat der texanische Gouverneur nahezu alle Abtreibungen verboten. Aktivisten, die sich für den Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen einsetzen, sind überzeugt: Das Virus ist nur eine Ausrede.

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Anhänger mit einem Foto von Babys drauf
Protest-Truck vor einer Abtreibungsklinik der Organisation Planned Parenthood in Waco, TexasBild: Erin Torkelson

In Texas ist es schon unter normalen Umständen nicht leicht, eine Abtreibung zu bekommen. Die Kosten für den Eingriff sind hoch, die Anzahl der Kliniken, die ihn vornehmen, ist niedrig. Aber in der aktuellen Coronavirus-Pandemie bleibt ein Schwangerschaftsabbruch fast allen Frauen verwehrt.

Handschuhe und Gesichtsmasken sollen gespart werden

Seit dem 22. März, dem Beginn der strikten Distanzierungsregeln wegen der Corona-Krise, sind Abtreibungen auf Anweisung des republikanischen Gouverneurs Greg Abbott in Texas verboten. Das gilt, bis er die Restriktionen lockert und die Menschen wieder auf die Straße gehen können. Aktuell soll das am 30. April der Fall sein. Aber weil das Virus keinem Zeitplan folgt, könnte die Order verlängert werden - und damit Frauen der Zugang zu Abtreibungen noch länger verwehrt bleiben.

Die offizielle Begründung hinter dem Verbot: Ein Schwangerschaftsabbruch sei eine "nicht-essenzielle" medizinische Maßnahme. Ärztinnen und Ärzte sollen knappe Gesichtsmasken und Handschuhe für die Behandlung von Corona-Patienten und medizinischen Notfällen aufsparen. Alles, was nicht unbedingt nötig sei, müsse in der Krise eben warten - und dazu, so Abbott, gehörten auch Abtreibungen.  

Im Normalfall werden Abtreibungen allerdings in speziell dafür vorgesehenen Kliniken vorgenommen und nehmen so keine Krankenhaus-Ressourcen in Anspruch.

"Keine Frau entscheidet leichtfertig"

Eine 36-jährige New Yorkerin, mit der die DW sprach, sagte, keine Frau, die eine Schwangerschaft abbreche, entscheide sich leichtfertig dafür. Sie selbst habe vor vier Jahren eine Abtreibung vornehmen lassen, weil sie sicher war, dass sie das Kind nicht wollte. Sie habe gesundheitliche und Eheprobleme gehabt.

Die Filmemacherin möchte anonym bleiben, damit nicht jeder, der ihren Namen in eine Suchmaschine eingibt, als erstes diese Geschichte als Ergebnis sieht. "Ich ging alleine in die Klinik. Eine Schwester hielt während des Eingriffs meine Hand", erzählt sie. "Ich hatte große Schmerzen, aber alle dort waren unheimlich einfühlsam." Ihre Entscheidung habe sie nie bereut.

Sie betont, dass ein Verbot von Abtreibungen nicht dazu führe, dass keine mehr stattfänden. Texanerinnen, die sich keine Reise in einen anderen Bundesstaat leisten können, würden stattdessen illegale, und damit unsicherere Wege finden, so die Filmemacherin. Damit habe die aktuelle Gesetzesänderung in Texas eine klare Konsequenz: "Frauen werden sterben."

"Politiker nutzen die Pandemie aus"

"Es ist falsch, den Zugang zu sicheren Abtreibungen während einer Pandemie zu unterbinden", sagt auch Amy Hagstrom Miller, Präsidentin der Whole Woman's Health Alliance. Diese Organisation setzt sich für das Recht von Frauen auf sichere, medizinisch begleitete Abtreibungen ein und führt diese in ihren Kliniken auch durch. Gemeinsam mit anderen Organisationen klagte die Whole Woman's Health Alliance gegen das Verbot in Texas.

"Jemanden zu zwingen, eine Schwangerschaft in Zeiten solch extremer Unsicherheit gegen ihren Willen durchzuziehen, ist grausam", so Hagstrom Miller in einer E-Mail an die DW. "Politiker nutzen diese globale Pandemie aus, um ihre Anti-Abtreibungsziele durchzusetzen. Sie sollten sich schämen."

Nach langem hin und her zwischen verschiedenen Gerichten urteilten Richter des 5th Circuit Court of Appeals am Montagabend in dieser Woche überraschend, dass Abtreibungen, die durch die Einnahme zweier Pillen eine Schwangerschaft im Frühstadium beenden können, in Texas nun wieder erlaubt werden müssen. Abtreibungen, die eine Operation erfordern, sind aber weiterhin verboten. 

"Keine Sonderbehandlung" für Abtreibungskliniken

Eine Gruppe, die sich für das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen in Zeiten von Corona - und auch sonst immer - einsetzt, ist die Texas Alliance for Life. Ihr Direktor, Joe Pojman, erklärte in einem Statement am Montag, Kliniken und andere Einrichtungen, die Abtreibungen durchführen, sollten "keine Sonderbehandlung erfahren, die medizinisches Personal, das gegen COVID-19 kämpft, und Patienten einem unnötigen Risiko aussetzt."

Neben dem Schwangerschaftsabbruch durch Medikamente, der jetzt wieder erlaubt ist, gibt es noch eine weitere Ausnahme in Texas: Frauen, deren Schwangerschaft am voraussichtlichen Ende der Quarantäne- Order des Gouverneurs weiter als 22 Wochen fortgeschritten wäre, dürfen auch vorher eine Abtreibung in Anspruch nehmen. 22 Wochen ist die Frist, nach der es auch im Nicht-Ausnahmezustand in Texas verboten ist, eine Schwangerschaft zu beenden.

Das hilft aber nur Frauen, die sich bereits dem Ende des zweiten Trimesters ihrer Schwangerschaft nähern. Laut einer Studie des Guttmacher Instituts, einer Forschungsgruppe, die Abtreibungsrechte unterstützt, werden rund 88 Prozent der Abtreibungen in den USA innerhalb der ersten 12 Wochen einer Schwangerschaft vorgenommen.

Bereit, bis vor den Supreme Court zu gehen

Die Whole Woman's Health Alliance ist froh, dass nach dem Rechtsstreit aktuell wenigstens einige Frauen Zugang zu sicheren Abtreibungen haben. Die Organisation wollte mit dem Fall sogar bis vor den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten ziehen, aber nachdem ein Schwangerschaftsabbruch über Medikamenteneinnahme gestattet wurde, zog die Whole Woman's Health Alliance diesen Schritt erst einmal zurück. Sollte es nötig werden, sei sie aber durchaus bereit, das Thema vor den Supreme Court zu bringen, bekräftigte Hagstrom Miller.

"Wir verlangen, dass alle Abtreibungen wieder erlaubt werden", schrieb Hagstrom Miller. "Schwangerschaftsabbrüche mit Medikamenten müssen weiterhin erlaubt bleiben und Abtreibungseingriffe in Kliniken müssen wieder vorgenommen werden dürfen."

Carla Bleiker
Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker