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PolitikEuropa

80 Jahre nach dem D-Day: Gedenken an die Landung

5. Juni 2024

Mit ihrer Landung in der Normandie am 6. Juni 1944 läuteten die Alliierten die Befreiung Westeuropas von der Nazi-Herrschaft ein. 2014 nahm noch Wladimir Putin teil. Diesmal ist gar kein Vertreter Russlands dabei.

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Schwarzweißbild: Soldaten verlassen ein Landungsboot, am Strand stehen mehrere Militärfahrzeuge und andere Soldaten
Amerikanische GIs verlassen am 6. Juni 1944 ihr Landungsboot am Strand der NormandieBild: AP

Es war die größte Landeoperation der Geschichte. Die "Operation Overlord", die Landung alliierter Truppen im von Deutschland besetzten Frankreich, war monatelang geplant und in England geübt worden. Schlechtes Wetter hatte das Unternehmen kurz zuvor noch verzögert. Doch am 6. Juni 1944, der seitdem D-Day genannt wird, war es soweit: Tausende von Schiffen, unterstützt aus der Luft, starteten an der englischen Küste und brachten rund 150.000 Soldaten aus den USA, Großbritannien, Kanada und anderen verbündeten Ländern an die Strände der Normandie. Ihr Ziel: Frankreich befreien und dann auf Deutschland vorrücken, um der Nazi-Herrschaft in ganz Europa ein Ende zu setzen.

Als Adolf Hitler von der Invasion erfuhr, soll er hocherfreut gesagt haben: "Solange sie in England waren, konnten wir sie nicht fassen. Jetzt haben wir sie endlich dort, wo wir sie schlagen können."

Schwarzweißbild: Adolf Hitler vor dem Eiffelturm in Paris. Neben ihm steht der Architekt Albert Speer und der Bildhauer Arno Breker.
Adolf Hitler (M.), hier 1940, hatte die alliierte Invasion geradezu herbeigesehntBild: Photo12/IMAGO

Tatsächlich ist die deutsche Wehrmacht auf die Landung vorbereitet. Die Küste des besetzten Frankreichs ist mit Bunkern und Geschützstellungen stark gesichert, dem sogenannten Atlantikwall. Allerdings warten die größten deutschen Militärverbände an der falschen Stelle, nämlich bei Calais, wo der Ärmelkanal am schmalsten ist. Die Wehrmacht ist einem gezielten Täuschungsmanöver aufgesessen.

Hoher Blutzoll

Es wird eine verlustreiche Schlacht - für beide Seiten. Die Deutschen feuern von ihren Stellungen aus auf die anlandenden Soldaten. Die schweren Kämpfe gehen hinter den Stränden und um die Ortschaften und Städte im Hinterland weiter.

Die einzige Trumpfkarte der personell und materiell unterlegenen Deutschen ist die Panzerreserve. Hitler hat sich ihren Befehl persönlich vorbehalten. Aber er lässt sie zu spät eingreifen. Der Militärhistoriker Peter Lieb erklärt das gegenüber der DW auch mit einem ganz banalen Grund: Hitlers Gewohnheit, lange wach zu bleiben und erst mittags aufzustehen. So auch an diesem 6. Juni 1944: "An dem Vormittag, als die Panzer schnell hätten eingesetzt werden müssen, schläft Hitler noch. Keiner wagt, ihn aufzuwecken, und das Oberkommando der Wehrmacht hat auch nicht den Mut dazu, über einen Befehl des Führers hinwegzugehen und die Panzer eigenständig einzusetzen."

Fatal sollte sich auch Hitlers unbedingter Befehl erweisen, niemals zurückzuweichen: "Hier gibt es kein Ausweichen und Operieren, hier gilt es, zu stehen, zu halten oder zu sterben."

Doch es nützt nichts, im Gegenteil, die deutschen Soldaten werden aufgerieben. "Die Alliierten haben deswegen gewonnen", erklärt Lieb, "weil sie die Luftherrschaft hatten, weil sie die Seeherrschaft hatten, weil sie das Überraschungsmoment für sich hatten und weil sie monatelang auf diesen Tag hin geübt hatten."

Schwarzweißbild: Amerikanische Soldaten zeigen stolz eine Hakenkreuzfahne
Von alliierten Soldaten erbeutete Hakenkreuzfahne in der Dokumentationssendung "Operation Overlord - Ein großer Sieg?"Bild: Cineteve

Am 25. August können die Alliierten Paris befreien. Die deutsche Besatzung in Frankreich hat bald danach ein Ende. Doch der Blutzoll in den wenigen Wochen nach dem 6. Juni 1944 ist auf beiden Seiten extrem hoch - auch unter französischen Zivilisten. Jeweils mehrere zehntausend deutsche und alliierte Soldaten kommen ums Leben, dazu tausende Zivilisten. Und der Zweite Weltkrieg sollte noch mehr als neun Monate dauern und weitere Millionen Tote fordern.

Gedenken mit dem früheren Feind

Das Gedenken an den D-Day hat seine eigene Geschichte. Für die ehemaligen Westalliierten war der 6. Juni bald ein festes Datum. Bei den Zeremonien in der Normandie kamen regelmäßig Veteranen, die britische Königin, der amerikanische und französische Präsident und andere Staats- und Regierungschefs zusammen.

Für deutsche Vertreter war da lange kein Platz. Das sahen sie selbst so. Bundeskanzler Helmut Kohl sagte 1984: "Es ist für den deutschen Bundeskanzler kein Grund zum Feiern, wenn andere ihren Sieg in einer Schlacht begehen, in der zehntausende Deutsche elend umgekommen sind." Er war allerdings auch nicht eingeladen worden.

"Kohl kam noch aus einer Generation, die sehr stark selbst vom Krieg geprägt war", sagt der Militärhistoriker Peter Lieb. "Gleichzeitig war er noch eng verbunden mit der Kriegsgeneration. Und für die wäre es in den 80er Jahren - da haben ja noch viele gelebt - noch undenkbar gewesen, dass sie gemeinsam mit amerikanischen, britischen, französischen Soldaten feiern."

Schwarzweißbild: Zwei Männer in Anzügen schauen zur Seite
Bundeskanzler Helmut Kohl (l.), hier 1984 bei der Wahl Richard von Weizsäckers zum Bundespräsidenten, hielt damals eine Teilnahme am D-Day-Gedenken noch für unpassend, Weizsäcker sprach ein Jahr später vom Kriegsende vor allem als BefreiungBild: picture alliance/dpa

Langsam habe sich dann aber das Narrativ durchgesetzt, "dass die Landung in der Normandie auch der Anfang vom Ende des Deutschen Reiches und damit auch der Beginn der Demokratie in Deutschland war".

Der erste Bundeskanzler, der zu den Feiern fuhr, war dann Gerhard Schröder2004. Heute wird die Teilnahme des Regierungschefs des früheren Feindes Deutschland nicht mehr infrage gestellt. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz will teilnehmen.

Diesmal ganz ohne Russland

Eine der heikelsten Fragen diesmal war über Wochen die Frage, ob ein Vertreter Russlands dabei sein sollte. Das war einmal selbstverständlich. Der D-Day war der Beginn einer "zweiten Front" im Krieg, den der sowjetische Staatschef Josef Stalin seit dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion 1941 immer dringender gefordert hatte, um sein bedrängtes Land zu entlasten. Die Sowjetunion hatte von allen Kriegsteilnehmern mit schätzungsweise 20 Millionen Toten die mit Abstand höchsten Verluste.

Um den sowjetischen Beitrag zum Sieg über Nazi-Deutschland zu würdigen, luden die französischen Gastgeber am 60. und dann auch am 70. Jahrestag 2014 Russlands Präsident Wladimir Putin ein, nur wenige Wochen nach der russischen Annexion der ukrainischen Krim-Halbinsel. "Nach 1989/90 war die Euphorie sehr groß, dass die Welt friedlicher sein würde, dass Russland als demokratischer Staat sich dem westlichen Gesellschaftsmodell anschließen würde", so erklärt Peter Lieb die Einladung damals an Putin. "Aber spätestens seit 2022 sind natürlich die Grundvoraussetzungen komplett andere geworden."

Eine Frau redet auf zwei skeptisch dreinblickende Männer ein
Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel beim D-Day-Gedenken 2014 zusammen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (r.) und dem damaligen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, nur Wochen nach der Krim-AnnexionBild: Guido Bergmann/Bundesregierung/picture alliance/dpa

Trotzdem wollten die französischen Gastgeber zunächst zwar nicht Putin selbst, aber zum Beispiel den russischen Botschafter in Paris einladen. Das hatte in Washington, London und auch in Berlin für einige Verstimmung gesorgt.

Doch schließlich schwenkte man in Paris um; Russland wird nun überhaupt nicht vertreten sein. Aus dem Elysée-Palast hieß es zur Begründung: "Angesichts des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine, der sich in den vergangenen Wochen noch verschärft hat, stimmen die Voraussetzungen einfach nicht."

Stattdessen wird der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach Frankreich reisen. Er wird zusammen mit dem Gastgeber, Präsident Emmanuel Macron, mit US-Präsident Joe Biden, dem britischen Prinzen William, Bundeskanzler Olaf Scholz und anderen Staatsgästen am Strand der Normandie des D-Day vor 80 Jahren gedenken. Und natürlich mit einigen der letzten noch lebenden Veteranen.

80 Jahre nach dem D-Day

Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik