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Griechenland feiert 50 Jahre Demokratie

Kaki Bali (aus Athen)
22. Juli 2024

Am 24. Juli 1974 ging die Militärdiktatur in Griechenland zu Ende. Seither durchlebt das Land Höhen und Tiefen. Doch die Demokratie ist gefestigt und wehrhaft.

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Historische Aufnahme aus dem Jahr 1967: Panzer stehen vor dem Parlamentsgebäude in Athen. Dazwischen sind einige Autos geparkt und zwei Männer in Uniform sowie ein Zivilist zu sehen
Panzer vor dem Parlament in Athen im April 1967, zwei Tage nach dem Putsch. Im Juli 1974 bracht die Junta zusammenBild: AP Photo/picture alliance

Mitten in einer endlosen Hitzewelle feiert Griechenland den 50. Jahrestag der Wiederherstellung seiner Demokratie: mit Staatsakten, Ausstellungen, Konzerten und mit der Prägung einer Zwei-Euro Gedenkmünze.

Es herrscht Freude, weil sich die Demokratie zum ersten Mal in der modernen Geschichte des Landes so lange als widerstandsfähig erwiesen hat. Aber es herrscht auch Nachdenklichkeit, weil ihre Wiederherstellung 1974 auf einer Tragödie beruhte, die immer noch andauert. Denn der Zusammenbruch der Militärjunta hängt eng mit der Spaltung Zyperns zusammen.

Die Spaltung Zyperns und das Ende der Junta

Rückblick: Am 15. Juli 1974 hatten die Athener Obristen, die 1967 die Macht an sich gerissen hatten, einen Putsch gegen die legale Regierung des zypriotischen Präsidenten, Erzbischof Makarios III., inszeniert. Die Türkei fürchtete, dass Griechenland seine Herrschaft über Zypern ausdehnen wollte und schickte Truppen auf die Insel. Denen konnte das griechische Militär nicht standhalten. Seitdem ist ein Teil Zyperns von türkischem Militär besetzt und Nikosia die letzte geteilte Hauptstadt Europas.

Ein Mitglied der griechischen Präsidentengarde steht in Tracht neben einem Denkmal für die gefallenen griechischen Soldaten in Nikosia. Links daneben wehen die griechische und die zypriotische Fahne.
Am 50. Jahrestag der türkischen Invasion auf Zypern findet eine Gedenkfeier zur Erinenrung an die gefallenen griechischen Soldaten stattBild: Kostas Pikoulas/Zuma/picture alliance

Das militärische Scheitern auf Zypern führte zum Zusammenbruch der Junta in Griechenland. Regime-kritische Teile der Marine setzten Machthaber Dimitrios Ioannidis ab. Am 23. Juli 1974 übergaben die Obristen die Macht an eine zivile Regierung. Einen Tag später, am 24. Juli, kehrte der frühere Ministerpräsident Konstantin Karamanlis aus dem französischen Exil zurück und stellte kurz danach sein neues Kabinett vor. Auch bekannte Persönlichkeiten aus dem Kulturleben wie Mikis Theodorakis und Melina Mercouri kehrten aus der Verbannung in die Heimat zurück.

Hände halten ein schmutzige griechische Fahne. Auf der Fahne liegen rote Rosen
Erinnerung an die Niederschlagung der Studentenrevolte im Athener Polytechnikum 1973Bild: Dimitris Lampropoulos/NurPhoto/picture alliance

Natürlich hatte es schon zuvor Widerstand gegen die Diktatur gegeben. Der Höhepunkt der Revolten war der Aufstand der Studenten am Polytechnikum Athen, der am 17. November 1973 von der Militärdiktatur blutig niedergeschlagen wurde. Tausende Griechen verließen ihre Heimat und gingen ins Exil. Die griechische Redaktion der Deutschen Welle wurde zum Sprachrohr des Widerstands gegen die Junta. Doch der Auslöser für den Sturz der Diktatur waren die Geschehnisse auf Zypern.

Die erste wehrhafte Demokratie 

In diesen Tagen erinnert sich Griechenland an das Ende der Diktatur und schaut stolz auf 50 Jahre Demokratie zurück. Seit Wochen präsentieren Politikerinnen, Juristen, Historikerinnen, Politikwissenschaftler, Künstlerinnen und Journalisten ihre Sicht auf Erfolge und Misserfolge des Landes in den zurückliegenden fünf Jahrzehnten. Dabei spricht man immer noch von der "Metapolitefsi", der Transformationsperiode, als ob man noch nicht sicher wäre, dass die Demokratie auch tatsächlich hält.

Historische Schwarzweiß-Aufnahme von Ex-König Konstantin II. (links) mit Militärischer Kopfbedeckung und Militärmantel und Ehefrau Anne Marie in einem Pelzmantel nach ihrer Flucht nach Rom im Dezember 1967
Ex-König Konstantin II. und seine Ehefrau Königin Anne-Marie fliehen im Dezember 1967 nach ItalienBild: picture alliance / UPI/UPI/dpa

Doch die dritte griechische Republik ist stabil und wehrhaft, trotz zahlreicher politischer und ökonomischer Krisen. Das Militär wurde endgültig aus der Politik verdrängt. Der König war schon im Dezember 1967 durch die Junta abgesetzt worden und kehrte auch nach deren Sturz nicht zurück. Der Widerstand gegen die deutsche Besatzung während der Nazizeit wurde vom Staat anerkannt, die kommunistische Partei legalisiert. Die meisten Wunden des Bürgerkriegs 1944-1949 sind überwunden. Und auch der Parlamentarismus funktioniert seit 50 Jahren mehr oder weniger gut.

Regierungswechsel als Normalität 

Auch Regierungswechsel gehören in der dritten griechischen Republik inzwischen zum Alltag. Das wurde zum ersten Mal im Jahr 1981 deutlich, als die Sozialisten von PASOK die Wahlen gewannen und die Konservativen der Nea Dimokratia (ND) ihre Niederlage akzeptierten.

Der griechische Politiker Alexis Tsipars steht vor einem roten Hintergrund an einem Rednerpult und winkt mit der rechten Hand
Alexis Tsipras kam 2015 erstmals an die Macht in Griechenland. Er schied 2023 aus der Politik aus.Bild: Nikolas Kokovlis/NurPhoto/picture alliance

Auch nach dem Fast-Staatsbankrott 2010 blieb die Demokratie stabil. Zum ersten Mal wurde das Land damals von einer großen Koalition aus den Erzfeinden ND und PASOK regiert, und als diese Regierung es nicht schaffte, die Schulden- und Wirtschaftskrise zu bewältigen, kam 2015 die radikale Linke von SYRIZA an die Macht - in einer unheiligen Koalition mit Rechtspopulisten.

Nachdem die Krise mit viel Mühe, vielen Opfern und massiver Hilfe aus der EU endlich überwunden war, entschieden die Griechen sich wieder für die Konservativen. 

Klares Bekenntnis zum Westen

Die moderne griechische Republik hat sich für die Zugehörigkeit zum Westen entschieden. Schon seit 1952 ist das Land Mitglied der NATO. 1981 wurde es Mitglied der Europäischen Gemeinschaft, 2001 Mitglied der Eurozone. Sogar während der Finanzkrise 2009-2019 und trotz mancher Drohungen europäischer Politiker blieb Griechenland in der EU.

Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis (links) und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Gespräch
Griechenland ist heute fest verankert in der EU: der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der LeyenBild: Aris Messinis/AFP/Getty Images

Auch im Inneren festigte sich das Land. Es bekam ein öffentliches Bildungs- und Gesundheitssystem, offen für alle, und schon Anfang der 1980er Jahre ein sehr fortschrittliches Familienrecht: Gleiche Rechte für Männer und Frauen (mindestens in der Theorie), sogar legale Abtreibungen. Kürzlich (15.02.2024) wurde auch ein Gesetz für die Einführung der "Homo-Ehe" verabschiedet. Griechenland ist damit das erste christlich-orthodoxen Land, das die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiert. 

"Heimat, Religion, Familie"

Doch selten konnten (und wollten) die griechischen Regierungen Gesetze gegen den Willen der Kirche verabschieden. Das Motto der Militärjunta, "Heimat, Religion, Familie", ist immer noch in den Köpfen eines Teils der Bevölkerung verankert. Während der Wirtschaftskrise erschien zum ersten Mal nach der Diktatur eine militante extreme Rechte auf der politischen Bühne. Die neonazistische Splitterpartei "Goldene Morgenröte" schaffte es 2012 ins Parlament und wurde immer wieder gewählt, bis einige ihrer Mitglieder im Jahr 2020 als Mörder verurteilt und die Partei als kriminelle Organisation verboten wurde. 

Eine Frage der Qualität 

Doch trotz aller Errungenschaften sind die Griechen mit der Qualität ihrer Demokratie nicht zufrieden. Laut einer Umfrage (für das Institut Eteron), glauben zwar 82,2 Prozent, dass es keine bessere Staatsform als die Demokratie gibt. Doch rund 70 Prozent sind mit der Funktionsweise der Demokratie in Griechenland unzufrieden.

Nur 34 Prozent vertrauen den Behörden, 31,4 Prozent vertrauen der Regierung und 29,4 Prozent der Justiz des Landes. Das Parlament kann sich sogar nur auf 25,9 Prozent Zustimmung stützen. Großes Misstrauen schlägt den Parteien entgegen, denen nur 13,6 Prozent der Bevölkerung vertrauen. Schlechter stehen nur die Medien dar, die 6,5 Prozent Zustimmung genießen.

Die Bürgerinnen und Bürger bemängeln, dass Regierungsentscheidungen von den Interessen der Mächtigen und Reichen beeinflusst werden und dass Parteien nicht für das öffentliche Interesse kämpfen. Sie sind empört über Korruption und mangelnde Rechenschaftspflicht von Parteien und Politikern. Und sie blicken pessimistisch in die Zukunft: Mehr als die Hälfte sind der Meinung, dass die aktuelle Generation schlechter lebt als ihre Eltern und zwei Drittel gehen davon aus, dass es der nächsten Generation noch schlechter gehen wird.

Foto-Porträt einer Frau mit braunen Haaren, blauen Blazer und grauem T-Shirt
Kaki Bali DW-Korrespondentin in Griechenland