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Griechenland: Gleichgeschlechtliche Ehe endlich legalisiert

Kaki Bali (aus Athen)
16. Februar 2024

Griechenland ist das erste christlich-orthodoxe Land, in dem die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiert wird - gegen den heftigen Protest der Kirche und eines erheblichen Teils der politischen Elite.

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Eine Frau hält eine Regenbogenfahne hoch, andere Frauen stehen um sie herum
Menschen aus der LGBTQ-Gemeinschaft feiern das Gesetz zur gleichgeschlechtlichen Ehe in Athen am 15.02.2024Bild: Kostas Galanis/Sipa USA/picture alliance

Es ist das erste Mal in der neueren Geschichte Griechenlands, dass eine konservative Regierung eine liberale Reform durchgeboxt hat - und zwar gegen den Willen der orthodoxen Kirche und gegen den Willen vieler ihrer Wähler und Abgeordneten: Nach einer sehr leidenschaftlichen Debatte verabschiedete das griechische Parlament am Donnerstag Abend (15.02.2024) das Gesetz für die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe. Dafür stimmten 175 der insgesamt 300 Abgeordneten. Damit ist Griechenland das erste Land mit mehrheitlich christlich-orthodoxer Bevölkerung (96 Prozent), in dem die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiert wurde.

"Seit heute Abend ist Griechenland stolz darauf, das 16. EU-Land zu sein, das Gesetze zur Gleichstellung der Ehe erlassen hat. Das ist ein Meilenstein für die Menschenrechte", erklärte Regierungschef Kyriakos Mitsotakis nach der Abstimmung im Parlament auf X (ehemals Twitter). Die Organisation Regenbogenfamilien Griechenland, die größte LGBTQ-Vereinigung im Land, schrieb: "Dies ist ein Tag der Freude."

Ein Mann in Anzug hinter Mikrofonen (Kyriakos Mitsotakis) hält eine Weltkarte in der Hand
Griechenlands Premier Kyriakos Mitsotakis im griechischen Parlament vor der Abstimmung über das Gesetz zur Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe am 15.02.2024 in AthenBild: Louisa Gouliamaki/REUTERS

Es war tatsächlich ein historischer Tag für die griechische Demokratie. Mit der Verabschiedung des Gesetzes macht das Land einen wichtigen Schritt im Kampf gegen die Diskriminierung und für eine Gesellschaft, die niemanden ausschließt. Vor der Abstimmung hatten sich viele Menschen vor dem Parlament versammelt, unter anderen LGBTQ-Aktivistinnen und -Aktivisten, um diesen wichtigen Tag - und anschließend die ganze Nacht - zu feiern. Viele hatten nach der Abstimmung feuchte Augen und ein Lächeln im Gesicht und schwenkten Regenbogenfahnen. Schon am Tag danach erschien in der Tageszeitung Ta Nea die erste Hochzeitsannonce zweier Männer.

Verborgene Tränen

In der Parlamentsdebatte gelang es einem der letzten Redner, dem Schauspieler Spyros Bibilas von der eher linksnationalen Kleinpartei Pleussi Eleftherias, die Anwesenden und die Zuschauer zu bewegen. "Schon in jungen Jahren wurde mir klar, dass ich mich in etwas von anderen Menschen unterscheide", erzählte der 68-jährige bekennende Schwule. "Ich weinte heimlich, weil ich etwas verbergen musste, ich schämte mich dafür und konnte es nicht einmal meinen Eltern sagen." Die verborgenen Tränen hatten ihn veranlasst, dafür zu kämpfen, dass in Zukunft andere Kinder nicht weinen sollten, dass sie glücklich sein und keine Angst haben sollten, zu sagen, was sie seien und zu wem sie sich hingezogen fühlten. Darum würde er, so Bibilas, für den Gesetzentwurf stimmen, auch wenn er verbesserungsbedürftig sei.

Menschen umarmen sich
LGBTQ-Aktivisten vor dem griechischen Parlament in Athen am 15.02.2024Bild: Louisa Gouliamaki/REUTERS

Das neue Gesetz legalisiert nicht einfach nur die gleichgeschlechtliche Ehe. Sobald es in Kraft tritt, bietet es auch Adoptionsmöglichkeiten für gleichgeschlechtliche Paare. Das gab es bisher nicht: In Fällen, in denen ein Partner oder eine Partnerin eines gleichgeschlechtlichen Paares an der Zeugung des Kindes beteiligt war, war bislang nur dieser oder diese erziehungsberechtigt. Nichtleibliche Elternteile durften daher beispielsweise nicht mitentscheiden, welche medizinische Behandlung ihre Kinder erhalten. Wenn der leibliche Elternteil starb, konnte der Staat dem anderen Elternteil die Kinder wegnehmen. Bei Kindern von schwulen Paaren musste bislang die leibliche Mutter namentlich im Geburtsregister eingetragen werden.

Protest der orthodoxen Kirche

Allerdings haben gleichgeschlechtliche Paare auch nach Inkrafttreten der Reform - anders als heterosexuelle Paare und alleinstehende Frauen - weiterhin kein Recht auf künstliche Befruchtung. Auch die Dienste einer Leihmutter dürfen sie nicht für die Austragung ihrer Kinder in Anspruch nehmen.

Verabschiedet wurde das Gesetz gegen den Willen der griechisch-orthodoxen Kirche und trotz ihres heftigen Protestes. Die Ehe sei eine heilige Verbindung zwischen Mann und Frau, erklärte die Kirche in einer Stellungnahme, die gleichgeschlechtliche Ehe sei eine "Bombe an den Fundamenten der Familie", ihre Legalisierung eine "Sünde".

Menschenansammlung mit griechischen Fahnen und einer Ikone
Protestdemonstration gegen das Gesetz zur Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe am 11.02.2024 in Athen, GriechenlandBild: Louisa Gouliamaki/REUTERS

Gegen das Gesetz stellten sich auch die drei rechtsextremen Parteien im Parlament sowie der erzkonservative Flügel der regierenden Nea Dimokratia (ND). Mitsotakis wusste von Anfang an, dass sogar einige seiner Minister dagegen stimmen würden, darum befreite er sie vom Fraktionszwang. Am Ende votierten von den 158 Abgeordneten der ND nur 106 für das Gesetz, 21 stimmten dagegen, 31 enthielten sich.

Parlamentarische Gegner der Reform

Der prominenteste Gegner des Gesetzentwurfs war der Ex-Premierminister und Ex-Vorsitzende der ND, Antonis Samaras. Die gleichgeschlechtliche Ehe sei kein Menschenrecht, donnerte er im Parlament und warnte seinen Nachfolger, vorsichtig zu sein: "Übermäßiges Selbstvertrauen kann dazu führen, dass die Regierung sich von der Realität und der Gesellschaft abkoppelt."

Aber Mitsotakis ließ sich nicht beirren. Er war sich von Anfang an fast sicher, dass mindestens vier Oppositionsparteien (die linke Syriza, Nea Aristera und Pleussi Eleftherias sowie die sozialdemokratische Pasok) für den Gesetzentwurf stimmen würden. Auch das nicht ohne innere Probleme, denn ein Drittel der Pasok-Abgeordneten, außerdem drei Abgeordnete der Syriza und zwei der Nea Aristera enthielten sich bei der Abstimmung. Dagegen stimmen wollte jedoch kein Vertreter der progressiven Parteien.

Mitsotakis' liberales Profil

Mit diesem Gesetzentwurf wollte Premierminister Kyriakos Mitsotakis sein liberales Profil unbedingt schärfen und der Außenwelt zeigen, dass seine Regierung Menschen- und Bürgerrechte auch ernst nehmen kann. Seit dem Überwachungsskandal sind zwei Jahre vergangen, ohne dass jemand zur Verantwortung gezogen wurde - im April 2022 kam heraus, dass der griechische Geheimdienst, damals unter der Kontrolle von Mitsotakis' Neffen, Minister, Oppositionspolitiker und Journalisten bespitzelt hatte. Und in wenigen Tagen jährt sich das tragische Zugunglück von Tempi - ebenfalls, ohne dass jemand zur Verantwortung gezogen wurde. In der vergangenen Woche äußerte sogar das Europäische Parlament in einer Resolution seine "Bedenken über den gegenwärtigen Zustand der griechischen Demokratie".

Saal des griechischen Parlamentes in Athen mit Personen
Der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis (Mi., re.) nach seiner Rede im griechischen Parlament am 15.02.2024 in AthenBild: Michael Varaklas/AP/picture alliance

Darum war es wichtig für Mitsotakis, einen Schritt in Richtung Gleichstellung der Bürgerinnen und Bürger zu wagen. Außerdem kämpft Mitsotakis für die Dominanz in der Mitte - er will sich als "echter Progressiver" präsentieren.

In Griechenland war einst der Sozialist Andreas Papandreou der große Reformer - Anfang der 1980er Jahre ging es um die Gleichstellung der Frauen. Damals verabschiedete seine erste PASOK-Regierung eines der progressivsten Familiengesetze Europas - gegen den Willen der konservativen ND und der damals noch viel einflussreicheren orthodoxen Kirche. Sogar Abtreibung wurde damals legalisiert.

Die LGBTQ-Gemeinschaft dagegen musste noch Jahrzehnte für ihre Rechte kämpfen und auf ihre gesetzliche Verankerung warten. Erst 2015 führte die damalige Syriza-Regierung die eingetragene Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare ein. Und: Damals war Mitsotakis einer der wenigen ND-Abgeordneten, die für den Gesetzentwurf der Links-Regierung gestimmt hatten.

Foto-Porträt einer Frau mit braunen Haaren, blauen Blazer und grauem T-Shirt
Kaki Bali DW-Korrespondentin in Griechenland