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Thevis: "Zeitfenster für Doper wird kleiner"

Tobias Oelmaier5. Februar 2014

Die präventive Dopingforschung ist den Betrügern dichter auf die Fersen gerückt, sagt Professor Mario Thevis von der Sporthochschule Köln. Dennoch kommen sogar noch Mittel aus den 80er-Jahren zum Einsatz.

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Mario Thevis DSH Köln
Bild: picture-alliance/dpa

DW: Herr Thevis, in den 80er-Jahren war es Stanozolol, in den 90ern EPO und Nandrolon, dann kamen CERA und Wachstumshormon und inzwischen spricht jeder von Gen-Doping. Was ist bei den Olympischen Spielen in Sotschi angesagt in Sachen Doping?

Mario Thevis: Die Frage können wir wahrscheinlich erst nach den Olympischen Spielen vollumfänglich beantworten. Allerdings hat die Vergangenheit gezeigt, dass es auch Substanzen, die vermeintlich in den 80er und 90er-Jahren en vogue waren, heute noch in den Leistungssport schaffen.

Gibt es nach Ihren Informationen neue Wirkstoffe oder Methoden?

Auf jeden Fall! Wir beobachten die Möglichkeiten der Manipulation, der illegalen Leistungssteigerung sehr umfangreich. Alleine die Entwicklungen im therapeutischen Sinne bieten einem Sportler, der betrügen möchte, mehr und mehr Möglichkeiten, die dann von uns auch zu testen sind.

Welche Entwicklungen sind das?

Das bezieht sich im Wesentlichen auf Erkrankungen des Muskelsystems und auf Blutarmut. Therapeutika, die in dieser Hinsicht entwickelt werden, haben ein Missbrauchspotential, da sie möglicherweise - wenn auch nicht nachgewiesenermaßen - die Leistungsfähigkeit steigern können.

Unterstellen wir, dass nicht alle Athleten in Sotschi "sauber" sein werden. Was nimmt ein Skilangläufer, was ein Biathlet, was ein Eisschnellläufer, was ein Eiskunstläufer am besten?

Das kommt auf das Belastungsprofil, auf die Anforderungen an. Bei einem Ausdauerleistungssportler testet man im Wesentlichen Parameter, die beispielsweise den Sauerstofftransport begünstigen, wie Erythropoetin (EPO), wie Eigenblutdoping, aber auch die Regenerationsfähigkeit. Denn die Athleten treten in der Regel nicht nur in einem Wettkampf an sondern in mehreren verschiedenen und müssen sich zwischen den Wettkämpfen möglichst vollumfänglich regenerieren. Da kommen dann auch wieder anabole Wirkstoffe zum tragen.

Bei den Sommersportarten sind besonders hoch spezialisierte Sportarten im Zwielicht. Auf der einen Seite Ausdauersportarten wie Radsport, auf der anderen Kraftsportarten wie Gewichtheben oder Sprint. Beobachtet man im Wintersport Ähnliches? Kann man sagen: je komplexer eine Sportart ist, desto weniger erreicht man mit Doping?

Das würde ich so nicht sagen. Natürlich ist die Komplexität ein sehr wichtiger Punkt. Aber nehmen wir Sportarten, die motorisch sehr anspruchsvoll sind und eine Ausdauerleistungskomponente haben, wie zum Beispiel den Biathlon: Hier kann man möglicherweise über eine verbesserte Ausdauerleistungsfähigkeit auch präziser am Schießstand arbeiten.

Kann man sagen, in welchen Sportarten Doping am meisten hilft?

Das kann man so nicht sagen. Im Gegenteil - man kann sagen, dass es kaum eine Sportart gibt, bei der man nicht pharmakologisch Einfluss nehmen könnte.

Sotschi: Mehr Dopingkontrollen als je zuvor

Wie läuft die Forschung bei der Dopinganalyse ab? Sie können doch nur Präparate und Wirkstoffe suchen, von denen Sie auch wissen, dass diese existieren.

Das ist richtig. Unsere präventive Dopingforschung basiert deshalb im Wesentlichen darauf, dass wir durch wissenschaftliche Arbeiten, Patentschriften aber auch Beschlagnahmungen durch Zoll und Kriminalämter Informationen zusammentragen, die uns über den aktuellen Stand des Marktes, des Angebots und der Möglichkeiten Aufschluss geben. Mit diesen Informationen versuchen wir, die Präparate, die es eigentlich gar nicht geben sollte, entweder selber herstellen oder von den Herstellerfirmen zu bekommen, um darauf basierend Nachweisverfahren zu entwickeln.

Gibt es Wirkstoffe und Methoden, von denen Sie wissen, die man aber nicht nachweisen kann?

Natürlich.

Verraten Sie mir die?

(Lacht). Ich wäre sehr dumm, wenn ich das täte. Denn dann würde ich sie nicht nur Ihnen, sondern auch vielen Ihrer Hörer und Leser verraten.

Haben Sie das Gefühl, den Dopern in den letzten Jahren dichter auf die Fersen gekommen zu sein?

Ich denke, das Zeitfenster zwischen einer verfügbaren Dopingsubstanz und deren Nachweisbarkeit ist deutlich kürzer geworden. Das ist auch eines der wesentlichen Ziele, die wir verfolgen. Wenn es vor zehn oder zwanzig Jahren noch so war, dass neue Präparate den Markt bereits erreicht hatten - wie beispielsweise Erythropoetin - und das Nachweisverfahren erst zehn Jahre später zur Hand war, so wollen wir genau dieses Szenario mit präventiver Antidopingarbeit verhindern.

Dopingproben werden acht Jahre aufbewahrt. So lange kann man noch Nachtests durchführen. Reichen diese acht Jahre?

Das sollte reichen. Sie werden in Zukunft aber auf zehn Jahre erweitert. Mit jedem Jahr mehr, das uns zur Verfügung gestellt wird, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir bessere, umfangreichere Nachweisverfahren zur Verfügung haben.

Wenn Sie als Dopinganalytiker einen gedopten Athleten erwischen - fühlen Sie sich dann gut, bestätigt in Ihrer Arbeit, oder ist man doch ein bisschen traurig, weil wieder ein Stück Sportromantik verloren geht?

Sowohl als auch. Auf der einen Seite wollen wir sehen, dass unsere Arbeit fruchtet. Auf der anderen Seite ist der beste Beleg für eine erfolgreiche Antidoping-Arbeit wahrscheinlich der, dass bestmögliche analytische Verfahren eingesetzt und trotzdem negative Testergebnisse erzielt werden, so dass wir mehr oder weniger sicher davon ausgehen können, dass ein Großteil der Athleten wirklich sauber an den Start gegangen ist.

Die Fragen stellte Tobias Oelmaier.

Dr. Mario Thevis ist Professor für Präventive Dopingforschung und Sprecher des Zentrums für Präventive Dopingforschung (ZePräDo) an der Deutschen Sporthochschule Köln. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Entwicklung neuer Nachweisverfahren für die Dopinganalytik (insbesondere neuer anaboler Wirkstoffe und Peptidhormone) und der Untersuchungen zu Veränderungen von Proteinprofilen.