Österreichs Kanzler Nehammer kündigt Rückzug an
5. Januar 2025Turbulente Zeiten in Österreich: Gut drei Monate nach der Parlamentswahl ist in dem EU-Land vollkommen offen, wie es zur Bildung einer neuen Regierung kommen soll. Die Verhandlungen über eine Koalition ohne Beteiligung der rechtspopulisten Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) sind jedenfalls geplatzt.
Seine konservative Volkspartei ÖVP habe ihre Gespräche mit der sozialdemokratischen SPÖ beendet, teilte Bundeskanzler Karl Nehammer in Wien mit. Gleichzeitig kündigte er an, in den kommenden Tagen als Regierungs- und Parteichef zurückzutreten. Erst am Freitag hatten die liberalen Neos überraschend erklärt, sie würden sich nicht an einem Dreierbündnis mit ÖVP und SPÖ beteiligen. Konservative und Sozialdemokraten verhandelten zunächst weiter, hätten aber nur eine Koalition mit einer hauchdünnen Mehrheit bilden können.
"Wir haben lange und redlich verhandelt. In wesentlichen Punkten ist mit der SPÖ keine Einigung möglich", schrieb Nehammer auf der Onlineplattform X. Einer der Hauptstreitpunkte: Die Sozialdemokraten wollten das Haushaltsdefizit mit Steuererhöhungen bekämpfen, was die ÖVP entschieden ablehnte.
Der SPÖ-Vorsitzende Andreas Babler wertete den Abbruch der Koalitionsverhandlungen als schlechte Nachricht für Österreich. Nun drohe dem Land "Blau-Schwarz und damit ein rechtsextremer Kanzler", meinte Babler mit Blick auf die Parteifarben von FPÖ und ÖVP.
Kann Kickl Kanzler werden?
Aus der Parlamentswahl Ende September war die EU-skeptische FPÖ als stärkste Kraft hervorgegangen. Ihr Chef Herbert Kickl hatte jedoch von Bundespräsident Alexander Van der Bellen keinen Auftrag zur Regierungsbildung erhalten, da die anderen Parteien nicht mit der FPÖ zusammenarbeiten wollten.
Ob das bei der ÖVP so bleibt, ist fraglich. Vor allem der einflussreiche Wirtschaftsflügel der ÖVP könnte sich eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen durchaus vorstellen, heißt es in österreichischen Medienberichten. In einer solchen Koalition wäre die Volkspartei allerdings nur der Juniorpartner, denn Kickl stellt als Wahlsieger den Kanzleranspruch.
Van der Bellen, Nehammer und Babler stünden vor den Trümmern ihrer "Kickl-Verhinderungs-Strategie", erklärte der FPÖ-Vorsitzende. Jetzt komme es auf die ÖVP an. Man werde sehen, ob sie das "Machtwort der Wähler" bei der Parlamentswahl zumindest ansatzweise verstanden habe, sagte Kickl.
Als zweites Szenario stehen Neuwahlen im Raum. Die könnten allerdings erst in etwa drei Monaten stattfinden. Meinungsforscher gehen davon aus, dass die FPÖ dann noch besser abschneiden würde als bei dem Urnengang im Herbst.
wa/ack (dpa, afp, rtr)