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Österreich, die EU-Präsidentschaft und der Schwung

Bernd Riegert31. Dezember 2005

2006 hat Österreich die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union übernommen. Auch die österreichische Regierung hat ihre Schwerpunkte gesetzt.

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Österreichs Außenministerin Ursula PlassnikBild: AP

Österreich nimmt sich viel vor: Außenministerin Ursula Plassnik wünscht sich in den kommenden sechs Monaten in der Europäischen Union "mehr Vertrauen, mehr Klarheit, mehr Schwung!" Bundeskanzler Wolfgang Schüssel wünscht sich noch konkreteres: Nach dem Kompromiss über die Finanzierung der EU bis 2013, der beim Gipfel vor zwei Wochen geschmiedet wurde, müsse man sich jetzt wieder den großen Themen zuwenden: der Verfassung, dem Sinn der EU und den Grenzen der Erweiterung.

Mit Optimismus ins neue Jahr

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso will den Streit ums Geld ebenfalls schnell hinter sich lassen. "Ich glaube, wir können 2006 mit mehr Optimismus angehen. Wir können uns jetzt auf die Dinge konzentrieren, die für unsere Bürger wichtiger sind, nämlich Wachstum und mehr Arbeitsplätze", sagt er.

Sollte sich eine Finanzdebatte von 2005 noch einmal wiederholen, würde sich die EU "selbst umbringen", so Österreichs Regierungschef Schüssel wörtlich. Die EU brauche eine eigene Steuer- und Finanzierungsquelle, um nicht länger von der Gnade der Staats- und Regierungschefs abhängig zu sein.

Die von Franzosen und Niederländern abgelehnte Verfassung will Österreich wieder beleben, kündigte Außenministerin Ursula Plassnik an: "Ich bin beim Thema Verfassungsvertrag der Ansicht, dass wir es hier mit kosmetischen Verfahren nicht schaffen werden. Damit wird man der Größe des Themas nicht gerecht."

Merkel gegen Änderung des Verfassungstextes

Die deutsche Regierungschefin Angela Merkel hat sich bereits gegen Änderungen am Verfassungstext ausgesprochen, der in Deutschland schon ratifiziert wurde. Ihr schwebt eher eine Zusatzerklärung zu sozialen Fragen vor.

Die österreichische Außenministerin warnt zugleich, Österreich werde keine Patentrezepte liefern, sondern könne höchstens ein gutes Umfeld für die Verfassungsdebatte schaffen. Ein neuer Anlauf der Ratifizierung sei sicher erst nach den Wahlen in Frankreich und den Niederlanden - also nach 2007 - möglich. "Die Vorstellung, dass wir jetzt als Zauberkünstler oder als europäische Kreativdirektoren im Alleingang tätig werden, wird sich nicht ganz realisieren lassen", erklärt sie. Österreich werde mit Blick auf das Machbare an die Aufgabe herangehen.

Türkei-Verhandlungen auf Eis?

Außenpolitisch will EU-Präsident Österreich den Schwerpunkt schon wegen seiner geografischen und historischen Nähe auf den Balkan legen. Die Staaten von Kroatien bis Mazedonien müssten jeder auf seine Weise näher an die Union herangeführt werden. Ursula Plassnik hatte lange gegen die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gekämpft. Im vergangenen Oktober hat die EU diesen Schritt förmlich vollzogen. Ob nun ausgerechnet Österreich die ersten praktischen Verhandlungen mit der Türkei aufnehmen wird, wollte die Außenministerin noch nicht sagen: "Es ist zu früh zu beurteilen, ob wir im ersten Halbjahr das erste Verhandlungskapitel eröffnen können."

Erst einmal müsse abgewartet werden, ob die Türkei die Zollunion mit der EU umsetzt und damit das EU-Mitglied Zypern anerkennt. Sonst wäre Österreich gerne bereit, das innenpolitisch umstrittene Thema Türkei-Beitritt an die nächste Präsidentschaft, nämlich Finnland, weiterzureichen.