1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Zwischen Pokalsieg und Corona-Krise

Kai Dambach Übersetzung: J. Krepela
22. März 2020

Als Profi des FC Bayern hat Thorsten Fink viele Titel gewonnen. Jetzt ist er Trainer bei Vissel Kobe. In Japan ist die Fußballkultur anders, die Sprachbarriere hoch. Und nun legt das Coronavirus auch hier alles lahm.

https://p.dw.com/p/3ZsBa
Thorsten Fink Vissel Kobe Trainer
Bild: imago images/Alfosport

Wie man gewinnt, muss Thorsten Fink niemand erklären. Allein vier Bundesliga-Titel gewann der heute 52-Jährige in seiner aktiven Zeit bei Bayern München, dazu dreimal den DFB-Pokal und 2001 auch die Champions League. Seit mehr als zehn Jahren führt er das Nomadenleben eines Fußballtrainers. Sein Weg führte ihn über mehrere Stationen wie Salzburg, Hamburg und Wien bis zu Vissel Kobe in Japan.

Der Sprung nach Asien war allerdings selbst für ihn ein Wagnis. Ein neuer Kontinent, eine andere Sprache - Fink zögerte trotzdem nicht, als er im Juni 2019 das Angebot bekam. Der Klub verpflichtete ihn als dritten Trainer innerhalb von turbulenten zwei Monaten.

Ihrem Spitznamen "Kühe" wurde das Team in dieser Zeit mehr als gerecht: lauffaul und träge warteten die Profis auf die nächste Niederlage, das nächste Schlachtfest. Finks Aufgabe: erfolgsverwöhnte, ältere Spieler wie Lukas Podolski, David Villa oder Andres Iniesta wieder anzuspornen und ihnen klare Ziele vorzugeben. Für einen Kulturschock oder Zweifel am neuen Job blieb dem Coach daher gar keine Zeit.

Erst Kaiserpokal, dann Abschied der Stars

Spät in der Saison gelang ihm eine kleine Erfolgsserie, mit der Kobe es von den Abstiegsrängen immerhin ins Mittelfeld der Tabelle schaffte. Erfolgreicher als in der Liga schlug sich das Team im Kaiserpokal, dem japanischen Pokalwettbewerb: Am 1. Januar 2020 gewann Kobe das Finale gegen Kashima Antlers mit 2:0. Es war der erste Pokaltriumph in der Vereinsgeschichte und gleichzeitig das letzte Spiel für den spanischen Alt-Internationalen David Villa, der seine Karriere danach beendete. Der deutsche Weltmeister Lukas Podolski verließ den Klub in Richtung Türkei.

"Du musst diesen ersten Titel holen, dann folgt darauf vielleicht gleich der nächste. So ist es oft", erklärte Fink im DW-Gespräch nach dem gewonnen Finale. "Es ist wie im normalen Leben, wenn du eine Hürde überwunden hast, weißt du, dass du auch die nächste packen kannst."

Obwohl er im Februar mit dem nationalen Super Cup gleich den nächsten Erfolg feiern durfte, sieht sich Fink im japanischen Fußball anderen Herausforderungen gegenüber als in Europa. "In Japan ist das Spiel weniger körperbetont," unterstreicht Fink, "allerdings wird im Vergleich schneller gespielt, mit vielen schnellen Akteuren." Für diese Spielweise muss der gebürtige Dortmunder eine richtige Mixtur finden, um mit seinem Team in Asiens Champions League erfolgreich zu sein.

Hohe Sprachbarriere

Während er sportlich schnell Fuß fassen konnte, tut sich Fink mit der neuen Sprache deutlich schwerer. Viel mehr als Arigato (Danke) und Konbanwa (Guten Abend) ist auch nach Monaten noch nicht drin. "Durch die andere Schrift ist es sehr schwierig die Sprache zu lernen", erzählt Fink, "ich habe keinen Unterricht genommen, sondern arbeite eng mit den Dolmetschern zusammen." Trotz der Sprachbarriere fühlt er sich in der Hafenstadt Kobe bestens aufgenommen.

Japan Gotoku Sakai und Thorsten Fink
Mit dem ehemaligen Bundesliga-Profi Gotoku Sakai hat Fink einen Spieler in der Mannschaft, der Deutsch sprichtBild: Imago-Images/AFLOSPORT/Y. Osada

Das beweist eine Anekdote, die Fink schmunzelnd erzählt: "Ich hatte mein Geld beim Abheben im Geldautomaten vergessen, habe die Karte gezogen und bin gegangen. Da ist man hinter mir her gerannt und hat mir das Geld gegeben. So was passiert in Deutschland oder Europa eher nicht", lobt er die Ehrlichkeit seiner neuen Landsleute.

Zwangspause durch das Coronavirus

Aber auch in Kobe sind die Aussichten im Moment alles andere als rosig: Kurz nach dem Sieg im Kaiserpokal schwappten die ersten Nachrichten über das Coronavirus aus China ins Nachbarland. Gesichtsmasken, die in Japan ohnehin zum Straßenbild gehören, wurden zum Standard-Outfit. Zum Super-Cup-Finale wurden zehntausende Masken an die Fans verteilt und das Stadion mit Handdesinfektionsspendern ausgestattet.

Für Vissel Kobe ist die Pandemie nicht die erste harte Prüfung. Kurz nach der Gründung des Profiteams 1995 bebte in Kobe für 20 Sekunden die Erde. Die Stadt und die umliegende Region wurden verwüstet, knapp 5000 Menschen starben durch die Naturkatastrophe. Doch der Klub hielt durch und wurde zu einem Symbol der Hoffnung für die Stadt.

Das Virus aber ist anders. Unsichtbar sucht es seine Opfer und ist in dieser Hinsicht langsamer, aber gnadenloser als das starke Erdbeben. Die J-League pausiert vorerst bis zum 3. April. Zunächst hatte Fink darauf gehofft, nach dem ersten Spieltag möglichst schnell wieder auf den Rasen zurückkehren zu können, um die Titelambitionen seiner Mannschaft zu unterstreichen. Doch inzwischen hat er Zweifel, dass es bei dieser kurzen Pause bleibt. Mit normalem Mannschaftstraining versucht er die Spannung der Spieler hoch zu halten, in ungewissen Zeiten. Für noch unwahrscheinlicher als die baldige Fortsetzung der Fußballsaison hält Fink aber die planmäßige Austragung der Olympischen Sommerspiele in Tokio: "Ich glaube nicht, dass sie so stattfinden, aber ich hoffe es natürlich. Ich weiß es nicht, niemand weiß das wohl so genau."