Stephen Frears feiert 75. Geburtstag
19. Juni 2016Seine letzten Filme handeln allesamt von älteren, starken Frauen: "The Queen", "Philomena", "Florence". Das mag Zufall sein oder nicht. Aber Stephen Frears interessiert sich seit jeher für interessante, eigenwillige Charaktere. Er hatte die größten Hollywoodstars vor der Kamera, blieb aber immer ein europäischer Regisseur. Dabei ist er nicht auf ein Thema oder Genre festgelegt, sondern beweist immer wieder Gespür für spannende Geschichten und vielschichtige Persönlichkeiten.
In seiner langen Filmkarriere beschäftigte sich Frears immer wieder mit sozialkritischen Themen ("Samy and Rosie Get Laid"), mit ungewöhnlichen Beziehungen ("My Beautiful Laundrette"), mit Dramen nach wahren Begebenheiten ("The Queen") und mit heiteren Komödien ("High Fidelity"). Dieser Facettenreichtum brachte ihm großen Respekt bei Presse und Kritikern ein. Der "Meister aller Klassen", wie ihn die Frankfurter Allgemeine Zeitung bezeichnete, gilt als einer der wichtigsten Vertreter des New British Cinema. Diese englische Filmströmung prangerte Mitte der 1980erJahre - zu Zeiten der rigiden Wirtschaftspolitik von Margret Thatcher - soziale Ungleichheiten im Land an.
Vom Theater zum Kinofilm
Stephen Frears wurde am 20. Juni 1941 in Leicester geboren, als Sohn einer jüdischen Sozialarbeiterin und eines Arztes. Dank der Unterstützung durch seinen Schuldirektor konnte er Jura an der Elite-Universität in Cambridge studieren. Doch statt Rechtsanwalt zu werden, entschied er sich, lieber als Regieassistent am Royal Court Theater in London anzufangen. Als Assistent des tschechischen Regisseurs Karel Reisz gelang Frears dann der Sprung zum Kinofilm. Sein erster eigener Spielfilm, "Gumshoe" (1971), sollte für zehn Jahre erstmal sein einziger Film bleiben.
Aus staatlichen Kassen gab es damals kein Geld mehr für die britische Filmindustrie. So drehte Stephen Frears in den 1970ern vor allem kürzere Filme für die BBC, von denen einige später ins Kino kamen. Mit dem Kriminalfilm "The Hit" - ein von den Kritikern hoch gelobter Film - gelang ihm 1984 ein erster Achtungserfolg als Regisseur. Ein Jahr später schaffte er mit dem provokativen Kinofilm "Mein wunderbarer Waschsalon" (1985) endgültig den Durchbruch.
Mit dieser schrägen Komödiebewies Stephen Frears sein gutes Händchen für die Auswahl absurder Geschichten. Er erzählt von der ungewöhnlichen Romanze zwischen einem Pakistani und einem ehemaligen Neonazi. Die beiden versuchen im London der 1980er Jahre mit der Eröffnung eines Waschsalons den sozialen Aufstieg zu schaffen. "My Beautiful Launderette" wurde in Großbritannien zum Film des Jahres gewählt und spielte allein in den USA vier Millionen Dollar ein.
Erster Erfolg in den USA
1988 kehrte Frears England für einige Zeit den Rücken und ging in die USA. Dort machte er sich als ausgezeichneter Regisseur schnell einen Namen. Für das Kinodrama "Gefährliche Liebschaften" ("Dangerous Liaisons"/1988) gewann er gleich mehrere berühmte Hollywoodstars. In dem mit drei Oscars ausgezeichneten Film spielen Glenn Close, John Malkovich und Michelle Pfeiffer die Hauptrollen.
In den 90er Jahren dreht er einige eher mittelmäßige Filme, arbeitete aber auch mit Hollywood-Stars wie Dustin Hoffman ("Hero – Ein ganz normaler Held") und Julia Roberts. Mit ihr verfilmt Frears die klassische Horrorgeschichte von Dr. Jekyll und Mr. Hyde in dem Kinofilm "Mary Reilly". 1999 gewann Frears für seinen Western "The Hi-Lo Country" den Silbernen Bären bei der Berlinale.
Heute blickt Stephen Frears selbstkritisch auf manche seiner früheren Arbeiten aus den 90ern zurück. In einen Interview mit der "Times" gab er zu: "Man macht Fehler…Es ist immer grässlich, schmerzhaft und demütigend. Im Idealfall wären meine Filme nie herausgekommen; sie wären einfach in ein Regal mit der Aufschrift 'ganz gut' gestellt worden. Auf diese Weise hätte ich die Beschimpfungen vermieden." Frears liest seitdem keine Filmkritiken mehr.
Meisterwerk über die britische Queen
Mit der Verfilmung von Nick Hornbys Kultroman "High Fidelity" (2000) ging es für Frears wieder bergauf. Die Romantik-Komödie über den unglücklich verliebten Plattenladenbesitzer Rob Gordon (John Cusack) ist heute ein echter Klassiker. Nicht zuletzt wegen der extrem witzigen Szenen mit dem Musiker und Schauspieler Jack Black.
Seinen größten Erfolg erreichte Stephen Frears mit seinem Spielfilm-Porträt "The Queen" (2006) über Königin Elizabeth II, die sich nach dem Tod von Prinzessin Diana in tagelanges Schweigen hüllte. Die Produktion entwickelt sich für den akribisch arbeitenden Regisseur zur heiklen Angelegenheit. "Ich dachte: Dieser Film wird eine Katastrophe", sagte Frears, nachdem er die erste Fassung im Schneideraum sah. Er nahm grundlegende Änderungen vor, ließ Szenen neu drehen - und durfte sich am Schluß über sechs Oscar-Nominierungen für den Film freuen. Helen Mirren gewann 2007 auch den Oscar als Beste Hauptdarstellerin für ihre grandiose Rolle der Queen.
Spagat zwischen Europa und den USA
Stephen Frears hat im Laufe seiner Karriere den Spagat zwischen europäischem Autoren-Film und erfolgreichen Hollywood-Streifen gut gemeistert. "Künstlerischer Anspruch, Unabhängigkeit und kommerzieller Erfolg schließen sich bei ihm nicht aus" würdigte die "Neue Zürcher Zeitung" die Filmarbeiten des Briten.
Für ihn selbst war klar, dass er trotz seiner Erfolge in den USA nie Hollywood-Regisseur werden würde: "Die Wirtschaftlichkeit des amerikanischen Kinos ist so massiv geworden, dass ich nicht mehr weiß, wie die Menschen nachts schlafen", sagte er dem "Independet" über den enormen kommerziellen Druck, der auf Regisseuren in den Vereinigten Staaten lastet.
Frears macht lieber Filme, die ihm am Herzen liegen - mit skurrilen, weniger populären Themen. Seine neuste Kinoproduktion: ein Film über die nicht gerade talentierte Opernsängerin "Florence Foster Jenkins", die mit ihrem schrägen Gesang in den USA zur Publikumsattraktion wurde. Mit Meryl Streep und Hugh Grant in den Hauptrollen erschien der Film bereits im April in England, im November 2016 kommt er in die deutschen Kinos. Wie er zu dieser Filmidee kam, erklärte Frears dem "Telegraph": "Ich hörte Aufnahmen von ihrem Gesang, und es war verblüffend. Ich habe einfach angefangen zu lachen. Eine gute Geschichte, gute Beziehungen, gute Witze - was will man mehr?"