Zweifelnde Opposition will Waffen
13. Juli 2012Die Geduld hat Grenzen, das Vertrauen ist erschüttert: Alle diplomatischen Bemühungen brachten dem verhassten Regime unter Baschar al-Assad nur Zeitgewinn, während das Land im Blut versinkt, so der Tenor der syrischen Oppositionsbewegung nach den Berichten über das neue Massaker in Tremseh. Dort sind vermutlich mehr als 150 Menschen umgebracht worden, möglicherweise das schlimmste Verbrechen an der Zivilbevölkerung seit Beginn des Aufstands.
Die Exilführung der Opposition, der Syrische Nationalrat (SNC) forderte von den arabischen Nachbarstaaten, die Deserteure der Freien Syrischen Armee mit Waffen zu versorgen. Das Assad-Regime verstehe nur Gewalt. Der neue SNC-Vorsitzende Abdelbaset Seida richtete in Istanbul einen Appell an den Weltsicherheitsrat, ein Eingreifen nach Kapitel VII der UN-Charta zu beschließen. Um die Zivilbevölkerung zu schützen, sei eine militärische Intervention notwendig. Sollte eine UN-Resolution wieder an der Blockade Russlands scheitern, solle die Kontaktgruppe der "Freunde Syriens" eben alleine handeln. Zu der Gruppe gehören zahlreiche arabische und westliche Staaten, darunter auch Deutschland.
Pläne Annans nur noch Makulatur?
Kaum noch Hoffnung setzt der syrische Widerstand auf den UN-Sonderbeauftragten Kofi Annan. Laut amerikanischen TV-Berichten heißt es im Internet schon von führenden Oppositionellen, Syrien sei "Annans zweites Ruanda", in Anspielung auf den Völkermord in dem afrikanischen Land 1994. Immer häufiger werde die Abberufung Annans verlangt.
Annan selber reagierte am Freitag in Genf "schockiert und entsetzt" auf die "Gräuel" in der zentralsyrischen Kleinstadt Tremseh. Entgegen der Vereinbarungen seien wieder schwere Waffen zum Einsatz gekommen. Während die US-Vertretung bei den Vereinten Nationen von einem "Albtraum" sprach, hieß es von russischer Seite, das geforderte UN-Mandat unter Kapitel VII werde es niemals geben.
Rebellen und Assad-Regime beschuldigen sich gegenseitig
Mindestens 150, möglicherweise sogar mehr als 200 Menschen waren nach widersprüchlichen Angaben am Donnerstag in Tremseh in der Provinz Hama getötet worden, darunter offenbar viele Aufständische.
Menschenrechtsaktivisten machten die Assad-Armee, regierungstreue Milizen und Geheimdienstler für das Blutbad verantwortlich. Dabei seien Helikopter, Panzer und Raketenwerfer zum Einsatz gekommen, berichtete zum Beispiel Rebellenführer Abu Mohammed. Die Angriffe auf die Stadt mit rund 7000 Einwohnern dauerten demnach gut zehn Stunden. Anschließend seien die Soldaten mit leichten Waffen vorgedrungen, gefolgt von "mit Messern bewaffneten" Milizionären, so Aktivisten der Opposition.
Staatsführung und amtliche Medien machten wie gewohnt "Terroristen" verantwortlich. Sie hätten das Verbrechen verübt, um die Öffentlichkeit gegen Syrien aufzubringen und eine internationale Intervention zu provozieren, berichtete etwa die staatliche Nachrichtenagentur Sana. Ein Militärsprecher räumte ein, dass es einen "Sondereinsatz" gegeben habe, dieser habe sich aber nicht gegen Zivilisten gerichtet, sondern gegen "Verstecke" terroristischer Gruppen.
Eine unabhängige Überprüfung der Angaben war zunächst nicht möglich. Die in Syrien stationierte UN-Beobachtertruppe erklärte sich bereit, das Verbrechen in Tremseh zu untersuchen, machte dafür aber einen Waffenstillstand zur Bedingung. Die rund 300 Beobachter sind seit Mitte April im Land, haben ihre Arbeit aber wegen der Gewalt eingestellt.
Erst Ende Mai waren in der nahegelegenen Ortschaft Hula mehr als 100 Personen getötet worden. Auch hier konnten die Täter nicht zweifelsfrei ermittelt werden.
SC/fab (APE, afpe, rtre, dpa)