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Zwei Individualisten

14. Juli 2009

Die Grünen gehen mit zwei Spitzenkandidaten in den Wahlkampf: Renate Künast und Jürgen Trittin sollen der kleinsten Oppositionspartei zu einem zweistelligen Ergebnis verhelfen.

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Die grünen Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl, Renate Künast und Jürgen Trittin (Foto: DPA)
Führen die Partei in den Wahlkampf: Renate Künast und Jürgen TrittinBild: picture-alliance/ dpa
Renate Künast auf einer Wahlkampfveranstaltung (Foto: DPA)
Renate Künast auf einer WahlkampfveranstaltungBild: picture-alliance/ dpa

Die Bilanz der Großen Koalition? Diese Frage ist für Renate Künast eine Steilvorlage. Die grüne Spitzenkandidatin setzt ein leicht angewidertes Gesicht auf und poltert los. "Die Regierung schmeißt wahllos Milliarden raus, mal so, mal so!", schimpft sie über die teuren Rettungspakete der Bundesregierung. "Kein Mensch weiß, wer das eigentlich bezahlen soll!"

In den vergangenen vier Jahren auf der Oppositionsbank hatte Künast genug Gelegenheit, sich im rhetorischen Frontalangriff zu üben. Vornehme Zurückhaltung ist ihre Sache nicht. Die 53-jährige Fraktionsvorsitzende schüttet ihre Kritik direkt und wortreich über dem politischen Gegner aus. Wer mit der Ex-Landwirtschaftsministerin streitet, kann mit Fairness rechnen, aber nicht mit einem höflich-vergeistigten Diskurs.

Ganz anders ist der zweite Spitzenkandidat der Grünen. Während Künast in der Parteizentrale quirlig über die Große Koalition herzieht, steht Jürgen Trittin so ruhig neben ihr, als könnte ihn auch ein drohender Weltuntergang nicht in Panik versetzen. Konzentriert zerlegt der frühere Umweltminister die Energiepolitik der Bundesregierung. Es ist sein Leib- und Magenthema. Trittin leitete unter Kanzler Schröder den Ausstieg aus der Atomenergie ein und setzte den Klimaschutz auf die politische Agenda.

Spitzenkandidat Jürgen Trittin (Foto: DPA)
Spitzenkandidat Jürgen TrittinBild: picture-alliance/ dpa

Standhaft bis dickköpfig, scharfzüngig und doch gelassen vertritt Trittin grüne Positionen im Bundestag, wo er sich als Fraktionsvize vor allem um die Außenpolitik kümmert. Regieren und opponieren - Trittin und Künast können beides. Und sie können miteinander, auch wenn sie keine Freunde sind.

Paarlauf im Wahlkampf

Bei der letzten Bundestagswahl 2005 mussten sich die Grünen über ihren Spitzenkandidaten keine Gedanken machen. Es war natürlich der populäre Außenminister Joschka Fischer, der als oberster Wahlkämpfer auf Stimmenfang ging. Er holte 8,1 Prozent der Stimmen.

Nach seinem Rückzug aus der Politik sind die Grünen dann wieder zu ihrem bewährten Modell einer Doppelspitze zurückgekehrt. Für den Bundestagswahlkampf 2009 war sich die Basis einig. Künast und Trittin wurden mit einem Traumergebnis von mehr als 90 Prozent zu Spitzenkandidaten gekürt. Die beiden wollen unterschiedliche Wähler ansprechen: Trittin zieht besser bei den Linken, Künast beim grünen Bürgertum.

Das gute Ergebnis bei der Europawahl hat die Grünen bestärkt. Mit gut 12 Prozent schnitt die kleinste Oppositionspartei im Bundestag besser ab als die Liberalen und die Linke.

Mitglieder der Grünen feiern das gute Ergebnis der Europawahl (Foto: DPA)
Mitglieder der Grünen feiern das gute Ergebnis der EuropawahlBild: dpa

Auch bei der Bundestagwahl ist das erklärte Ziel der dritte Platz hinter CDU/CSU und SPD. "Aus der Krise hilft nur Grün!", lautet die Kurzfassung des grünen Wahlprogramms. Mit Investitionen in den Klimaschutz, erneuerbare Energien und Bildung will die Partei eine Million neue Jobs schaffen.

Wahlkampf ohne Koalitionsaussage

Nach vier Jahren in der Opposition würden die Grünen gerne wieder mitregieren. Fragt sich nur, mit wem? Der Wunsch-Koalitionspartner sind die Sozialdemokraten, doch nach deren Schlappe bei der Europawahl spricht nicht viel für eine rot-grüne Mehrheit. Bliebe eine sogenannte Ampel - ein Bündnis aus SPD, Liberalen und Grünen. Diese Option hätte Künast ihrer Partei gerne offengehalten, doch die Basis rebellierte.

Auch eine schwarz-grüne Zusammenarbeit wird immer wieder diskutiert. Sie ist zwar nicht völlig abwegig, aber mit Blick auf die politische Programmatik nicht sehr wahrscheinlich: Die CDU will die Atomenergie, die Grünen sind kategorisch dagegen, um nur ein Beispiel zu nennen. Koalitionsverhandlungen mit der CDU? Das werde wohl ein sehr kurzes Gespräch, so der trockene Kommentar von Trittin.

So kämpfen die beiden Spitzenkandidaten zuallererst für grüne Inhalte und für ein zweistelliges Ergebnis - und am 27. September wollen sie dann weitersehen.

Autorin: Nina Werkhäuser

Redaktion: Kay-Alexander Scholz