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Zwangsarbeiter: Stiftung hält Erinnerung wach

29. April 2010

Die Entschädigungs-Zahlungen für Zwangsarbeiter wurden 2007 beendet. Seitdem unterstützt die Stiftung 'Erinnerung, Verantwortung, Zukunft' zahlreiche Projekte. Im Herbst wird eine Ausstellung eröffnet.

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4,4 Milliarden Euro sind seit dem Jahr 2000 an 1,7 Millionen ehemalige Zwangsarbeiter ausgezahlt worden. Die Einzelbeträge beliefen sich zwischen rund 2500 und 7700 Euro. Das Geld stammte je zur Hälfte von etwa 6500 Unternehmen und vom deutschen Staat. Die ursprüngliche Aufgabe war damit erledigt. Als vor drei Jahren die letzten Überweisungen erfolgten, habe sich die Frage gestellt, was nun aus der Stiftung werden solle, erinnert sich Vorstandsmitglied Günter Saathoff in Berlin. Die Arbeit müsse weitergehen, daran habe kein Zweifel bestanden.

Teil der europäischen Erinnerungskultur

Und dass es sich angesichts von 13 Millionen Zwangsarbeitern in der Zeit des Nationalsozialismus um mehr als ein rein deutsches Thema handelt, sei ebenfalls klar gewesen. "Die Zwangsarbeit war ein europäisches Ereignis und verdient es deshalb auch, als grundlegendes Element von Unrechtsgeschichte in einer europäischen Erinnerungskultur dauerhaft verankert zu werden", betont Saathoff.

Portrait-Foto von Günter Saathoff, Vorstandsmitglied der Stiftung 'Erinnerung, Verantwortung, Zukunft'. (Foto: EVZ)
Günter Saathoff: "Den Opfern ihre Würde zurückgeben".Bild: Stiftung EVZ

Aus den Mitteln des Stiftungskapitals von mehr als 400 Millionen Euro werden zahlreiche Projekte unterstützt. Internationale Begegnungen und Zeitzeugen-Gespräche gehören dazu. So haben allein an dem Programm 'Europeans for Peace‘ über 100 000 Jugendliche aus 28 Ländern teilgenommen. Auch Opfern von Rechtsextremismus und Antisemitismus wird geholfen. Insgesamt flossen schon 56 Millionen Euro in mehr als 2100 Projekte.

Zwangsarbeiter galten als Vaterlandsverräter

Besonders am Herzen liegt der Stiftung die Unterstützung ehemaliger Zwangsarbeiter und ihrer Angehörigen in Initiativen vor Ort. Dazu gehört das Programm 'Treffpunkt Dialog‘, in dem über das jahrelange Tabu-Thema Zwangsarbeit gesprochen wird. Den Opfern selbst gehe es um die Würdigung ihrer Personen, dass ihr Schicksal anerkannt werde, sagt Stiftungsvorstand Saathoff. "Im Stalinismus trugen die zurückgekehrten Zwangsarbeiter häufig den Makel des Vaterlandverräters und lebten deshalb Jahrzehnte lang in Unwürde", beschreibt Saathoff das Elend dieser Menschen.

Ausstellung im Jüdischen Museum

Mit finanzieller Unterstützung der Stiftung 'Erinnerung, Zwangsarbeit, Zukunft‘ wird Ende September in Berlin eine große Zwangsarbeiter-Ausstellung zu sehen sein. Bundespräsident Horst Köhler wird sie im Jüdischen Museum eröffnen. An der Vorbereitung beteiligt ist der Leiter der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner. "Wir zeigen, wann und wie sich Deutsche entscheiden mussten, wie sie den Zwangsarbeitern gegenüber auftraten", erläutert der Historiker das Konzept. Am Beispiel der Zwangsarbeit werde gewissermaßen die Gesellschaftsgeschichte des Nationalsozialismus erzählt. Einer Gesellschaftsordnung, deren ideologischer Fixpunkt ein radikaler Rassismus gewesen sei.

Das sogenannte "Arbeistbuch für Ausländer" mit Reichsadler udn Hakenkreuz wird in der Ausstellung gezeigt werden. (Foto: KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora)
Perfide NS-Gründlichkeit: Das "Arbeitsbuch für Ausländer"Bild: KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora

Die Ausstellung sei keine Auftragsarbeit der Stiftung, betont Wagner. Die Zwangsarbeiter-Geschichte werde selbstverständlich kritisch beleuchtet, auch die Form der Entschädigung. Es seien längst nicht alle Opfer zum Zuge gekommen. Man denke an die italienischen Militär-Internierten oder die sowjetischen Kriegsgefangenen, die nach den Richtlinien des Stiftungsgesetzes keine Entschädigung erhalten haben und auch keine humanitären Hilfszahlungen, nennt Wagner zwei Beispiele. Aus der Sicht des Historikers seien sie selbstverständlich als Zwangsarbeiter zu betrachten.

Historiker spricht von "beschädigter Gerechtigkeit"

Eine absolut gerechte Entschädigung sei auch nicht möglich gewesen, räumt Wagner ein. Er spricht deshalb bilanzierend auch von einer "beschädigten Gerechtigkeit". Die Ausstellung soll 2011 von Berlin nach Warschau wandern. Weitere Stationen sind geplant, darunter Russland, das sich dann an den 70. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion 1941 erinnern wird.

Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Silke Wünsch