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Zugeständnisse an ungarische Minderheit Rumäniens

22. Dezember 2003

– Regierung in Bukarest will verhindern, dass Autonomiebestrebungen weiter zunehmen

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Bonn, 19.12.2003, 1140 GMT, DW-RADIO / Rumänisch

(Moderator) Der Vorsitzende des Verbands der Ungarn Rumäniens, Marko Bela, hat erklärt, dass sich nach den Gesprächen mit Premier Adrian Nastase über die Wiederaufstellung der Statuen von dreizehn ungarischen Generälen, die 1849 von russisch-österreichischen Truppen ermordet wurden, eine akzeptable Lösung abzeichnet. Der Widerstand der Regierung gegen die Absicht der Ungarn, diese Statuen auf einem öffentlichen Platz in Arad (Stadt im Westen Rumäniens nahe der ungarischen Grenze – MD) aufzustellen, hat die Beziehungen zwischen der Sozialdemokratischen Partei und dem Verband der Ungarn Rumäniens beschädigt und Autonomiebestrebungen verstärkt. Einzelheiten aus Bukarest von unserem ständigen Korrespondenten Horatiu Pepine.

(Horatiu Pepine) Für den Verband der Ungarn Rumäniens sind die Statuen der dreizehn Generäle wichtiger als es scheint. Das Denkmal hat nicht nur eine symbolische Bedeutung, sondern auch eine politische. Ein Erfolg wäre wichtig für den Verband in seiner Auseinandersetzung mit denjenigen, die eine ungarische Autonomie fordern. Zu ihnen zählen sowohl die Szekler (magyarischer Volksstamm im östlichen Siebenbürgen – MD) als auch der Nationalrat der Ungarn Rumäniens, an dessen Spitze Laszlo Tökes steht (reformierter Bischof von Großwardein/Oradea; sein Widerstand als Pfarrer der reformierten Gemeinde von Temeswar/Timisoara gegen das kommunistische Regime im Dezember 1989 war die Initialzündung für die rumänische Revolution – MD). In den Auseinandersetzungen zwischen den beiden Widersachern gingen alle Misserfolge des Verbands der Ungarn Rumäniens – sei es die Aufstellung eines Denkmals, sei es die Gründung einer ungarischsprachigen Schule – auf das Konto derjenigen, die die Autonomie fordern. Diese hatten plötzlich mehr Zustimmung und mehr Zulauf. Hinzu kommt, dass die chronische Unterfinanzierung von Kreisen mit mehrheitlich ungarischer Bevölkerung, zum Beispiel Harghita und Covasna (beide in Siebenbürgen – MD), vor allem im Infrastrukturbereich, die Autonomiebestrebungen der dortigen Bevölkerung verstärkt hat.

Hätte die Regierung in den letzten zehn Jahren den Bau von Straßen dort zumindest in dem Maße finanziert, wie sie das in der Moldau tat, dann hätte die Forderung nach einer Autonomen Region der Szekler wahrscheinlich nicht ihr derzeitiges Ausmaß angenommen. Deswegen versucht der Verband der Ungarn Rumäniens, sowohl für Forderungen mit symbolischer Bedeutung Lösungen zu finden, als auch für Forderungen mit praktischer, wirtschaftlicher und sozialer Bedeutung. Für den Verband ist ein Erfolg, und sei es auch nur ein Teilerfolg, lebensnotwendig. Ein Scheitern könnte zur Spaltung der Ungarn führen, vielleicht sogar zu einer Katastrophe bei den nächsten Wahlen.

Das Jahresende könnte für den Verband der Ungarn Rumäniens aber zum Glücksfall werden. Marko Bela teilte mit, dass er mit dem Premier einen Kompromiss bei dem Denkmal erzielt hat. Der Premier hat das noch nicht bestätigt. Aber man kann annehmen, dass die Regierung verstanden hat, dass sie einen Kompromiss eingehen muss, wenn sie die Lage entspannen möchte.

Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen die Anhänger der Autonomie aufgenommen. Aber andererseits könnten die Behörden geneigt sein, den Ungarn einen Ausgleich anzubieten. Im Hinblick auf pragmatische Aspekte scheint es, als hätte man schon vor längerer Zeit eine wichtige Vereinbarung über den Verlauf der Autobahn Bukarest – Budapest getroffen. Sie soll einen Schlenker machen, damit sie näher an der von den Szeklern bewohnten Region vorbeiführt. Heute Morgen (19.12.) hat der Premier an der Unterzeichnung des Vertrags über den Bau der Autobahn Bukarest – Bors zwischen der Rumänischen Straßenbaugesellschaft und dem amerikanischen Unternehmen Bechtel teilgenommen. Der Bau der Autobahn soll durch ausländische Kredite finanziert werden, für die die Regierung bürgt. Das Projekt ist sowohl aus wirtschaftlichem als auch aus politischem Blickwinkel von großer Bedeutung, weil es Rumänien mit dem Westen Europas verbindet, vor allem aber mit Ungarn. Damit wird den Ungarn Rumäniens vermittelt, dass sich Rumänien Ungarn wieder annähert und dass es mit ihm eine bessere Kommunikation sucht.

Viele Ungarn Rumäniens fragen sich heute, was wichtiger ist: auf Projekte zur wirtschaftlichen Entwicklung zu setzen oder die Wiederherstellung von Nationalsymbolen zu fordern? Es scheint, dass die Wahl schwer fällt, weil die beiden Aspekte eng miteinander zusammenhängen. (me)