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Zu wenig Blutspenden: Künstliches Blut ist (k)eine Lösung

18. September 2024

In vielen Ländern gibt es zu wenig Blutspenden und zu wenig Mediziner. Allein in Deutschland werden täglich rund 15.000 Blutkonserven benötigt. Hoffnungen ruhen auf Blutspenden per Telemedizin und Blut aus dem Labor.

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Symbolbild Blutabnahme
Ob bei großen Operationen, nach einem Unfall oder einer Geburt - gespendetes Blut kann Menschen retten.Bild: Bernd Wüstneck/dpa/picture alliance

Blutkonserven sind weltweit Mangelware. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) stehen die Blutspendedienste in vielen Ländern vor der Herausforderung, ausreichend Blut zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig dessen Qualität und Sicherheit zu gewährleisten. Von den weltweit 118,5 Millionen Blutspenden jährlich werden 40% in Ländern mit hohem Einkommen gesammelt, in denen allerdings nur 16% der Weltbevölkerung leben.

Trotzdem gibt es auch in diesen Ländern einen steten Bedarf an Blutkonserven. Oftmals können auch Geldzahlungen, attraktive Geschenke oder Gutscheine nicht genug Menschen zur Blutspende bewegen. Allein in Deutschland werden täglich rund 15.000 Blutkonserven benötigt. 

Was wird bei Spenderblut untersucht?

Wer Blut spenden will, muss gesund sein. Zum Schutz der Spender und der Empfänger. Um eine Infektion auszuschließen, wird mit einem kleinen Piks in die Fingerkuppe oder ins Ohrläppchen die Konzentration des roten Blutfarbstoffs (Hämoglobinwert) sowie die Körpertemperatur gemessen.

Das Blut wird auf Antikörper gegen verschiedene Viren getestet: Hepatitis, HIV, Syphilis und eine Infektion mit dem Parvovirus B19 sollen so ausgeschlossen werden. Anschließend checken Ärzte den Anmeldebogen, den Puls und den Blutdruck. Ist alles in Ordnung, kann die Blutspende beginnen. 

Wie lassen sich Blut- und Plasmaspenden vereinfachen?

Da dieser Check nicht zwingend von Ärzten durchgeführt werden muss, ist deren Anwesenheit bei einer Blutspende in Deutschland nicht mehr unbedingt erforderlich. Dies wurde in Deutschland durch eine Änderung des Transfusionsgesetzes im Jahr 2023 ermöglicht, das auch den Einsatz telemedizinischer Verfahren für zulässig erklärt.

Der Einsatz von Telemedizin soll dazu beitragen, die Blutversorgung in Regionen mit Fachkräftemangel zu sichern und die Öffnungszeiten der Spendezentren zu erweitern. Denn bei einer telemedizinischen Blutspende führt nicht-ärztliches Fachpersonal die Blutspende durch, macht die Tauglichkeitsuntersuchung und kann im Notfall Erste Hilfe leisten. Der Arzt oder die Ärztin werden nur per Video zugeschaltet. Vorgesehen ist die telemedizinischen Blutspende nicht bei Erstspendern, sondern vor allem bei Menschen, die regelmäßig Blut spenden. 

Geteilte Reaktionen auf telemedizinische Blutspende

Ärztevertretungen wie die Bundesärztekammer stehen der Telemedizin sehr kritisch gegenüber. "Per Videoübertragung können Ärztinnen und Ärzte den tatsächlichen Gesundheitszustand des potenziell Spendenden schlechter beurteilen: Bekommt die potenziell spendende Person gut Luft, ist sie bleich oder sind ihre Lippen leicht bläulich? Wenn ich der Person gegenübersitze, fällt diese Einschätzung leichter", so Sven Peine, Mediziner und Leiter des Instituts für Transfusionsmedizin am UKE Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Schließlich gehe es auch um die ärztliche Sorgfaltspflicht und Haftungsfragen. 

Patientenvertretungen wie die BAG SELBSTHILFE begrüßen die Neuregelungen dagegen ausdrücklich. Der Dachverband chronisch kranker und behinderter Menschen und deren Angehörigen mit rund einer Million Mitgliedern setzt sich für eine "Vereinfachung der Regelungen für Blut- und Plasmaspende ein, da die Betroffenen immer wieder befürchten müssen, dass es zu Verknappungen insbesondere bei Plasmaspenden kommen könnte".

 

Woraus besteht unser Blut? Und wo wird es gebildet?

Löst künstliches Blut aus dem Labor alle Probleme?

Künstliches Blut könnte eine weitere Lösung für die Knappheit an Spenderblut sein - insbesondere für Patienten mit seltenen Blutgruppen oder spezifischen Unverträglichkeiten. 

Insgesamt gibt es mehr als 30 unterschiedliche Blutgruppen-Systeme. Entscheidend für Bluttransfusionen sind das AB0 Blutgruppensystem und der Rhesusfaktor. Nur die Blutgruppe 0- ist universell einsetzbar, aber Spender mit dieser Blutgruppe sind sehr selten. 

Forschenden aus Dänemark und Schweden ist es im April 2024 gelungen, Blut der Gruppen A und B in Blut der Gruppe 0 umzuwandeln. Möglich wurde dies durch den Einsatz von Enzymen eines Darmbakteriums. Bereits 2019 hatte eine Studie gezeigt, dass Enzyme eine solche Umwandlung möglich machen.

Erfolgreiche Transfusion von roten Blutkörperchen

Die Herstellung von Blutplättchen (Thrombozyten) und vor allem von roten Blutkörperchen (Erythrozyten) ist sehr komplex, da diese kernlosen Zellen aus speziellen Vorläuferzellen im Knochenmark entstehen müssen. Neuere Ansätze konzentrieren sich darauf, diese Vorläuferzellen genetisch so zu verändern, dass sie in der Lage sind, größere Mengen von Erythrozyten zu produzieren.

Erste Transfusionen von künstlich hergestellten roten Blutkörperchen wurden bereits in Frankreich und Großbritannien durchgeführt. Jedoch nur in sehr geringen Mengen, die nur etwa 1% des Gehalts einer regulären Blutspende ausmachten. Es gab keine Komplikationen oder Nebenwirkungen. Die Ergebnisse wurden als medizinischer Durchbruch gefeiert. 

Risiken und Herausforderungen von künstlichem Blut

Die Entwicklung von künstlichem Blut ist nicht ohne Risiken. Es kann zu Immunreaktionen kommen, wenn der Körper auf fremde Enzyme oder Bestandteile des künstlichen Blutes mit anaphylaktischen und damit lebensbedrohlichen Reaktionen reagiert. Außerdem muss sichergestellt werden, dass künstliches Blut tatsächlich alle Funktionen des natürlichen Blutes erfüllen kann. ob es sich etwa an die verschiedene Blutgruppen und die spezifischen Anforderungen des Empfängers anpassen kann. 

Insgesamt wird es also noch Jahre dauern, bis künstliches Blut in ausreichenden Mengen und mit der nötigen Sicherheit für den breiten Einsatz zur Verfügung steht. Bis dahin bleiben Blutspenden unverzichtbar für die Transfusionsmedizin. 

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund