Zoran Milanovic als Präsident Kroatiens wiedergewählt
13. Januar 2025Es war eine Machtdemonstration - mit einer knappen Dreiviertelmehrheit (74,4 Prozent) verteidigte der bisherige kroatische Präsident Zoran Milanovic in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl sein Amt. Sein Gegenkandidat Dragan Primorac, der von der regierenden Partei Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ) aufgestellt worden war, blieb mit rund 25 Prozent der Stimmen weit hinter den Erwartungen.
In Kroatien wird der Erdrutschsieg von Milanovic allerdings nicht so sehr als eine Niederlage von Primorac gesehen, der schon während des Wahlkampfs als ein blasser und schwacher Kandidat angesehen wurde. Es wird vor allem als eine Klatsche für den mächtigen Premierminister und HDZ-Vorsitzenden Andrej Plenkovic empfunden.
Das griff auch Milanovic in seiner Siegesrede auf: Vor begeisterten Anhängern sagte er in der Zagreber Kulturfabrik: "Niemand hat die Unterstützung von 70 und mehr Prozent der Wähler. (...) Dies ist eine plebiszitäre Botschaft des kroatischen Volkes an alle, die sie hören sollten, und ich bitte darum, dass sie gehört wird." Gemeint waren Plenkovic und seine Regierung.
Einzige Opposition
In seinem Wahlkampf hatte sich der ehemalige Parteichef der Sozialdemokraten Milanovic vor allem als der einzige relevante Gegenspieler des kroatischen Premierministers inszeniert. Während er den tatsächlichen Gegenkandidaten bei der Präsidentschaftswahl, Dragan Primorac, weitgehend ignorierte oder als eine bloße Marionette des mächtigen Regierungschefs darstellte, kritisierte er unermüdlich die - seiner Meinung nach - verfehlte und gleichzeitig selbstherrliche Politik von Plenkovic, dem nur er, der Staatschef-Paroli bieten könne.
Dem Premier wirft Milanovic Korruption und Vetternwirtschaft vor und macht ihn für die schlechte wirtschaftliche Lage in Kroatien verantwortlich, wegen der jedes Jahr Zehntausende das Land verließen, um in anderen EU-Ländern bessere Lebensbedingungen zu finden.
Plenkovic regiert seit 2016 und musste bisher bereits dreißig Minister austauschen - meist wegen nachgewiesener Korruption. Dabei spielte die 2021 gegründete und vor Ort präsente EU-Staatsanwaltschaft EPPO immer häufiger eine wichtige Rolle, vor allem durch selbstständige Untersuchungen und darauf basierende Verhaftungen.
Ob sich durch diesen Sieg von Milanovic in Kroatien aber tatsächlich etwas ändern wird, ist mehr als fraglich. Einerseits ist Plenkovic selbst erst im April 2024 zum dritten Mal als kroatischer Premier bestätigt worden - und seine Partei als die stärkste politische Kraft. Und ungeachtet aller Korruptionsskandale scheinen seine Regierungskoalition und die parlamentarische Mehrheit der HDZ stabil zu sein.
Andererseits hat der Präsident im Kroatien innenpolitisch kaum etwas zu sagen. Er hat gewisse Zuständigkeiten, wenn es um die Nachrichtendienste geht, und ein Mitspracherecht bei der Besetzung der diplomatischen Vertreter des Landes. Eine zentrale Rolle spielt er aber nur bei Fragen der Verteidigung: Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte.
Als direkt gewählter Präsident hat er allerdings eine starke Stellung in der Öffentlichkeit, und die nutzt Milanovic sehr oft. Rhetorisch geschickt mischt er sich überall ein, oft auch mit derben Sprüchen, profiliert sich als unermüdlicher Kritiker der Regierung, der mit klaren Worten Ross und Reiter benennt. Er stilisiert sich als die eigentliche Opposition im Lande - zumindest rhetorisch.
Außenpolitisches Spielfeld
Mehr Wirkungsmöglichkeit gibt es für den kroatischen Präsidenten in der Außenpolitik, insbesondere wenn es um die Fragen der Verteidigungspolitik geht. Mehrmals wiederholte Milanovic im Wahlkampf den Vorwurf, Plenkovic höre zu sehr auf Brüssel, er sei ein ewiger Jasager und achte dabei nicht auf die Interessen Kroatiens.
Welche kroatische Interessen besser geschützt werden sollten, sagte das kroatische Staatsoberhaupt allerdings zu keinem Zeitpunkt. Plenkovic gilt als überzeugter Europäer und NATO-Befürworter. Er war jahrelang Abgeordneter im Europaparlament, bevor er 2016 nach Kroatien zurückkehrte und den Vorsitz der HDZ übernahm.
Nun ist auch Milanovic trotz seiner Rhetorik, die die Souveränität Kroatiens in den Mittelpunkt stellt, keinesfalls ein EU-Gegner. Immer wieder betont der Präsident, dass Kroatien 2013 EU-Mitglied wurde, als er Regierungschef war, und die Mitgliedschaft in der NATO (seit 2009) stellt er auch nicht infrage. "Wir gehören zur westlichen Zivilisation", sagt er - und dazu gehörten auch die beiden westlichen Bündnisse.
Aber: Bei alledem müsse man die Interessen Kroatiens im Auge behalten. "Wir müssen auf uns achten, unsere Politik kann nicht immer die eines Untergebenen sein", so Milanovic bei einer Wahlkampfveranstaltung. Brüssel sieht er dabei vor allem als Geldautomat. Die Zuwendungen der EU seien "unser Geld" und stünden Kroatien zu. Dabei ist der jüngste Mitgliedsstaat der größte Nettoempfänger der EU - 2023 machten die Brüsseler Zahlungen an Zagreb mit 2,35 Milliarden Euro ganze 3,1 Prozent des kroatischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) aus, mehr als in jedem anderen EU-Land.
Ein Freund Russlands?
Auch wenn es um den Ukraine-Krieg geht, bemüht Milanovic gerne die Souveränitäts-Rhetorik: "Der russische Krieg ist nicht unser Krieg. Wer das nicht versteht, wird in mir einen Gegner haben", sagte er im Wahlkampf. Allerdings betonte er auch, dass "Russland, so wie es zurzeit ist, nicht unser Partner sein kann" und dass er Wladimir Putin, sollte dieser nach Kroatien kommen, verhaften lassen würde. Kroatische Soldaten allerdings hätten in diesem Krieg nichts zu suchen - auch nicht in Rahmen einer NATO-Mission.
Deswegen verweigerte Milanovic im Oktober 2024 seine Zustimmung zur Teilnahme kroatischer Offiziere im Rahmen der neu gegründeten NATO Security Assistance and Training for Ukraine (NSATU). Er glaubt, dass eine solche Mission Kroatiens nationale Interessen gefährden würde und das Land in den Ukraine-Krieg hineinziehen könnte.
Gleichzeitig betonte Milanovic aber, dass er zahlreichen anderen Anträgen zur Teilnahme an NATO-, EU- und UN-Missionen zugestimmt habe und dass Kroatien der Ukraine weiterhin humanitäre Hilfe leisten werde, da das Land eindeutig das Opfer der russischen Aggression sei. Plenkovic dagegen würde gerne auch in Sachen Ukraine mit anderen NATO-Partnern mitziehen und sich an dem Training beteiligen. Er rief den Präsidenten mehrmals dazu auf, die Blockade aufzugeben - bisher allerdings erfolglos.
Einigkeit über die Nachbarländer
Wenig Differenzen gibt es dagegen, wenn es um die Beziehungen zu den Nachbarländern geht. In Bezug auf Bosnien und Herzegowina, wo Kroaten neben Bosniaken und Serben eines der drei konstitutiven Völker sind, pochen sowohl der Präsident als auch der Premier auf Stärkung von deren Rechten. Dafür bemühen sie auch gerne nationalistische Rhetorik.
Zu Serbienwiederum, dem Kriegsgegner von 1991-95, pflegen beide ein eher distanziertes Verhältnis - wohl wissend, dass das Land ein wichtiger Handelspartner Kroatiens ist. Voraussetzung für eine engere politische Zusammenarbeit auf regionaler Ebene sei, dass sich Serbien entscheide, wohin es wolle - Richtung Russland oder eher in die EU. "Erst dann kann man ernsthaft miteinander reden", so Milanovic.