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Ziemlich schwierige Freunde

Volker Wagener16. Juni 2016

Politisch herrscht zwischen Berlin und Warschau gerade nervöse Gereiztheit. Deutschland ist verwundert über die nationalkonservativen Töne der Polen - und das ausgerechnet zum 25. Jahrestag des Nachbarschaftsvertrages.

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Jaroslaw Kaczynski (vorne re.) im polnischen Parlament (Foto: picture-alliance/dpa/M.Wlodarczyk)
Bild: picture-alliance/dpa/M.Wlodarczyk

Da war sie wieder, die Wutrede über die EU, die "Schwierigkeiten (der Polen) mit den Westeuropäern." Pawel Szalamancha, Finanzminister in Warschau, war in Fahrt, als er wenige Tage vor dem 25. Geburtstag des Nachbarschaftsvertrages (17. Juni 1991) verbal und im Tonfall mächtig auf die Trommel schlug. Kein Zufall, denn im Saal saß niemand geringeres als sein Amtskollege aus Deutschland, Wolfgang Schäuble. Ein Europäer aus Leidenschaft. Und eben ein Deutscher. Und die haben es gerade schwer beim östlichen Nachbarn. Die Vorgeschichte der Verstimmung reicht ein halbes Jahr zurück.

Januar 2016: Die neue national-konservative Regierung unter Führung der PiS ("Recht und Gerechtigkeit") ist frisch im Amt, da hagelt es Kritik - vor allem aus deutschen Mündern. Denn die PiS unter Jaroslav Kaczynski regiert mit absoluter Mehrheit und nutzt das zu massiven Korrekturen vor allem in der polnischen Rechts- und Medienpolitik. Martin Schulz, der EU-Parlamentspräsident fordert, Europa müsse sich "mit Macht" durchsetzen. Und er wird deutlicher: Die neue Regierung sei eine "gelenkte Demokratie nach Putins Art". Günter Oettinger, EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft wollte Polen sogar unter Aufsicht stellen. Und Volker Kauder, Fraktionschef der CDU/CSU, forderte gleich Sanktionen gegen den Nachbarn, falls die polnische Medienfreiheit bedroht werde.

Stunde der Diplomaten

Keine Frage: die Funken flogen nur so. Der deutsche Botschafter wurde ins Warschauer Außenministerium "vorgeladen". Es sei lediglich eine Einladung gewesen, hieß es wenig später. Dabei haben auch Vertreter anderer EU-Staaten wie der Vizepräsident der Kommission Frans Timmermans, der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn oder die frühere Justizkommissarin Viviane Reding den Polen wegen ihres Rechtsrucks die Leviten gelesen.

Aber reagiert hat das offizielle Polen fast ausschließlich auf Vorhaltungen der als arrogant geltenden Deutschen. Die Deutschen versuchten mal wieder, den Polen zu diktieren, was echte Freiheit sei, so Verteidigungsminister Antoni Macierewiczs Antwort auf Schulz, Oettinger und Kauder. Klar ist: Nichts ärgert die polnische Regierung mehr als Kritik aus Deutschland.

Polen Demonstration pro-Regierung (Foto:Reuters/K. Pempel)
Polen auf dem Weg in die Renationalisierung? Pro-PiS-Demonstration im DezemberBild: Reuters/K. Pempel

Angela Merkel und ihr Außenminister Frank-Walter Steinmeier halten sich seit Monaten auffällig zurück. Doch eine Formulierung des Außenministers schon Ende 2015 zum Antrittsbesuch seines polnischen Amtskollegen Witold Waszczykowski, die deutsch-polnischen Beziehungen seien "ein Schatz, den wir gut hüten müssen", offenbart deutlich die Alarmstimmung in der Bundesregierung.

Seit die PiS Polen regiert, gilt in Berlin die Devise: Bloß nicht provozieren lassen! Dabei ist die neue polnische Politik, die wie eine konservativ-autoritäre Gegenrevolution daher kommt, aus deutscher Sicht eine echte Herausforderung. Denn der aktuelle Warschauer Weg trägt deutliche Züge einer Renationalisierung und belastet somit die EU in ihrem Kerngeschäft.

Zum 25. Jahrestag des historischen Vertrages zwischen Bonn (damals) und Warschau fand Adam Krzeminski eine feine Formulierung für das Verhalten der Berliner Regierung gegenüber der neuen Politik in Warschau: "standhaft in der Sache und geschmeidig im Dialog", so der Publizist.

Etwas deutlicher wurde auf der gleichen Festveranstaltung Dieter Bingen, der Direktor des Deutschen Polen-Instituts, der der Bundesregierung attestierte, "Fußtritte und Unfreundlichkeiten" der neuen polnischen Regierung nicht erwidert zu haben.

Polens Meckerliste

Und politisches, mitunter polemisches Sperrfeuer aus Warschau gab es zuletzt reichlich. Vor allem gegen den großen westlichen Nachbarn. Die massive Kritik der polnischen Regierung an Deutschlands Flüchtlingspolitik ist nur ein Beispiel. Mit polnischen Augen betrachtet agiert die Nato viel zu vorsichtig gegenüber Russland. Und in der EU seien die Deutschen zu dominant, hört man in Polen allenthalben.

Vergessen die Zeit, in der Deutschland Polen den Weg in Nato und EU ebnete. Und auch beim Thema Energiepolitik fühlt sich Warschau durch die deutsch-russische Ostsee-Pipeline Nordstream mit seinen Interessen übergangen. Selbst das "Weimarer Dreieck", eine trinationale Kooperation zwischen Frankreich, Deutschland und Polen, das seit 1991 eine wichtige vertrauensbildende Rolle beim EU-Erweiterungsprozess spielte, wird inzwischen von der neuen polnischen Regierung als "erschöpftes Format" runtergeputzt.

Schwierige Nachbarn, historischer Vertrag

1991, als Deutsche und Polen ihren historischen Nachbarschaftsvertrag besiegelten, hing der politische Himmel für beide Nationen buchstäblich voller Geigen. Die deutsche Mauer und der eiserne Vorhang waren gefallen, das vereinigte und demokratische Deutschland hatte einen polnischen Nachbarn, der außenpolitisch souverän war.

Neue Zeiten hatten begonnen. In 38 Artikeln regelten beide Staaten den Rahmen ihrer künftigen Zusammenarbeit. Für die Polen war die Verpflichtung der Deutschen, das ehemalige kommunistische Land in die EU zu führen, das wichtigste Anliegen. Der Traum von einst ist längst Realität und doch hat Europa kräftig an Faszination östlich von Oder und Neiße verloren. Warum?

Helmut Kohl bei der Unterzeichnung des deutsch-polnisches Nachbarschaftsvertrags(Foto: Michael Jung/dpa - Bildfunk)
Der damalige polnische Ministerpräsident Krzysztof Bielecki (l) und der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl am 17. Juni 1991 in Bonn.Bild: picture alliance/dpa

Politische Zeitzeugen der frühen 90er Jahre deuten die schleichende EU-Depression vor allem als Generationenproblem. Die politisch Aktiven mit Kriegserfahrung waren voller Idealismus und Sympathie für die europäische Idee. Die deutsch-polnische Versöhnung betraf das ebenso. Ihr allmähliches Wegsterben haben die Dynamik aus dem Prozess der europäischen Einheit genommen, und auch aus dem der deutsch-polnischen Beziehungen.

Auf den Zauber des Anfangs folgte eine Ritualisierung im Umgang. Und die Zeichen stehen weiter auf Eskalation, denn wenn die Briten Europa den Rücken kehren sollten, wird den Polen noch viel mulmiger in der EU zumute. Nichts fürchten sie mehr als eine nochmalige Aufwertung des Gewichts der Deutschen in Brüssel.