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Zeugen berichten über Folter in Turkmenistan

23. Januar 2003

– Gerichtsprozesse gegen angebliche Drahtzieher des Attentats auf Präsident Saparmurat Nijasow verzögern sich

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Köln, 21.1.2003, DW-radio/Russisch

"Geschichte wiederholt sich. Im heutigen Turkmenistan werden die selben Methoden angewandt wie zur Zeit der stalinistischen Schauprozessen in der Sowjetunion."

In Turkmenistan stehen Personen vor Gericht, denen vorgeworfen wird, den Anschlag auf den Präsidenten des Landes Saparmurat Nijasow vom 25. November vergangenen Jahres organisiert zu haben. In Aschgabad wurden in diesem Fall bereits eine Reihe von Angeklagten zu langen Haftstrafen verurteilt.

Sind internationale Organisationen nicht in der Lage zu helfen? Aus Turkmenistan berichtet der Korrespondent der Deutschen Welle Dowran Muradow:

Obwohl Turkmenbaschi befohlen hat, alle Gerichtsprozesse innerhalb einer Woche in einem Schnellverfahren abzuschließen, verzögern sich die Prozesse gegen die Angeklagten. Dies erklären viele internationale Organisationen damit, dass die Angeklagten gefoltert und geschlagen werden, was zur Folge hat, dass es unmöglich ist, die Angeklagten in den Gerichtssaal zu bringen. Unter den Verurteilten befinden sich die Brüder Iklymow – Orasmamed, Amanmuhamed und Iklym. Orasmamed Iklymow erschien vor Gericht, sein Arm war verstaucht, ein Auge geschwollen und außerdem war er auf einem Ohr taub. Saparmurat Iklymow, Bruder der verurteilten Iklymows, der einst turkmenischer Landwirtschaftsminister war und heute einer der Führer der turkmenischen Opposition im Ausland ist (er wird von den turkmenischen Geheimdiensten als "schlimmster Feind des Staatsoberhauptes und als gefährlicher Verschwörer" bezeichnet), ist angesichts der Tatsache, dass sich die Weltgemeinschaft zu den Repressionen in Turkmenistan gleichgültig verhält, in einen unbefristeten Hungerstreit getreten. Er warf internationalen Organisationen, die er mehrmals um Hilfe gebeten hatte, "doppelte Standards" vor.

Aus einer Quelle in den turkmenischen Rechtsschutzorganen wurde bekannt, dass die turkmenischen Behörden Vertretern der OSZE sowie der US-Botschaft, die vor dem Gerichtsgebäude erschienen waren, wo der Prozess gegen den ehemaligen Außenminister und turkmenischen Vertreter bei der OSZE, Batyr Berdyjew, stattfand, verwehrt hatten, dem Prozess beizuwohnen. Einem Mitarbeiter einer internationalen Organisation, der die Verfassung Turkmenistans bei sich hatte und auf sein von der Verfassung garantiertes Recht hinwies, erklärten Vertreter des Justizministeriums, dass die Verhandlung nicht öffentlich sei.

"Söldner" werden in ihre Heimat zurückgeschickt

Nach Angaben der Pressestelle des turkmenischen Präsidenten wird Turkmenistan an die Türkei die türkischen Staatsbürger ausliefern, die von der turkmenischen Generalstaatsanwaltschaft als Vollstrecker und Söldner bezeichnet werden. Außerdem, so die turkmenische Presse, seien die turkmenischen Behörden bereit, an Russland die vier russischen Staatsbürger auszuliefern, die in diesem Fall festgenommen wurden. Der Pressedienst des turkmenischen Staatsoberhauptes hatte zuvor gemeldet, der russische Präsident Wladimir Putin und der turkmenische Präsident Saparmurat Nijasow hätten eine Auslieferung der russischen Staatsbürger vereinbart. Bekanntlich hatte die turkmenische Seite gefordert, die Turkmenen aus Russland auszuweisen, die verdächtigt werden, den Anschlag auf Nijasow geplant zu haben. Gegen eine mögliche Auslieferung der Oppositionellen, die sich in Russland aufhalten und denen Aschgabad vorwirft, den Anschlag organisiert zu haben, haben bereits internationale Menschenrechtsorganisationen und einige russische Politiker entschieden protestiert. Die Fraktionen "Jabloko" und "Union Rechter Kräfte" in der russischen Staatsduma verbreiteten jüngst eine Erklärung, in der unter anderem betont wird: "Der Forderung nachzukommen würde unter den heutigen Bedingungen und Ermittlungsmethoden im Fall der Ereignisse vom 25. November bedeuten, die Beschuldigten Folter und Spott auszusetzen, was gegen die UN-Konvention über Folter verstoßen würde."

Zeugen sprechen von Folter

In der heutigen Ausgabe der Sendung Fokus wollen wir Zeugen zu Wort kommen lassen, die bestätigen, dass in turkmenischen Gefängnissen gefoltert wird. Es spricht ein ehemaliger Mitarbeiter der turkmenischen Staatsanwaltschaft, der wegen der Repressionen selbst in Isolationshaft bei der Staatssicherheit geriet. Aus verständlichen Gründen nennen wir seinen Namen nicht.

"Ich saß auch zehn Tage in Tschardschou ein und ich wurde so stark geprügelt, dass ich sagte: Jungs, wahrscheinlich hat im Krieg die Gestapo solche Methoden nicht angewandt, so wie ihr Menschen behandelt. Das sind doch eure Landsleute. Ihr seid Turkmenen und sagt doch auch Guten Tag und Auf Wiedersehen. Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass zurzeit Psychopharmaka eingesetzt werden. Schauen Sie sich doch Boris Schichmuradow an, er konnte kaum sprechen. Ich habe ihn oft auf verschiedenen Sitzungen getroffen. Er ist ein Mann, der wunderbar sprechen kann. So wie er im Fernsehen sein Geständnis verlas, ist klar, dass er unter Einfluss von Psychopharmaka gesprochen hat."

Nun kommt der ehemalige Ermittler des turkmenischen Innenministeriums Tschary Annamuradow zur Wort, der heute im Ausland lebt. Ende der 90er Jahre erlebte er selbst die schwierige Lage, in der sich Ermittler in Turkmenistan befinden. Ihm zufolge setzte die Praxis, Geständnisse unter Folter zu erzwingen, bei den turkmenischen Rechtsschutzorganen 1995 ein und 1996 wurde dies allgemein üblich. Damals begann man zu Ermittlungen Mitarbeiter des Komitees für nationale Sicherheit hinzuzuziehen, denen die Aufgabe gesetzt wurde, bei Personen, die ihnen zuvor genau genannt wurden, notwendige Geständnisse zu erzwingen.

"Beispielsweise wurden sie am Penis aufgehängt, Menschen wurden mit dem Kopf nach unten gefesselt, an den Penis wurde ein Ziegelstein gehängt oder in den After ein glühender Lötkolben eingeführt, unter Nägel wurde eine "heiße Nadel" gesetzt, das heißt, es wurde Kalziumchlorid gespritzt. Beispielsweise, Sie werden festgenommen und Ihre Frau auch und Ihnen wird vorgeschlagen: Entweder du legst ein Geständnis ab und belastest gewisse Leute oder wir betrachten deine Frau als Mittäter. Für mich wurden bei der Eröffnung des Strafverfahrens 18 Jahre Freiheitsentzug gefordert. Später wurde ich aus dem Gefängnis zum Komitee für nationale Sicherheit gebracht, wo man mich weiter bearbeitete. Beispielsweise werden Gasmasken übergezogen und die Atmung verhindert, so lange, bis man das sagt, was sie möchten. Mir wurde eine Liste mit stellvertretenden Ministern vorgelegt."

Politik der moralischen Vernichtung

Ähnliche Zeugenberichte liegen auch der internationalen Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" vor. Aber nicht nur die Ermittlungsmethoden, sondern auch die in Turkmenistan angewandten Methoden, um Personen, denen vorgeworfen wird, den Präsidenten des Landes Saparmurat Nijasow überfallen zu haben, moralisch zu vernichten, werden von internationalen Organisationen verurteilt.

Das erste am Anfang angeführte Zitat stammt aus einer Rede des OSZE-Medienbeauftragten Freimut Duve, der jüngst in Wien erklärte, dass die selben Methoden in der Zeit der stalinistischen Schauprozesse in der Sowjetunion angewandt worden seien. Übrigens erklärte nach Meldungen ausländischer Nachrichtenagenturen der turkmenische Präsident am Samstag (18.1.) gegenüber den Leitern der Machtstrukturen: "Die OSZE hat uns nichts zu sagen." (MO)