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Zentrale Probleme ungelöst - Wieviel Beihilfe erhält die Landwirtschaft?

Gerda Meuer/DW Studio Brüssel11. Juni 2002

Bei den Verhandlungen mit den Beitrittskandidaten zur Europäischen Union sind die Probleme um die Agrarsubvention immer noch ungelöst.

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Noch vor einer Woche verbreitete EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen eitel Sonnenschein. Die Verhandlungen mit den zehn Kandidatenländer seien auf bestem Weg, selbst in dem schwierigen Bereich der Landwirtschaft. Seiner Einschätzung nach seien die Bewerber für die Aufnahme in der Runde der 15 bis 2004 gerüstet. Doch schon da hatten Beobachter in Brüssel erhebliche Zweifel, ob bei Verheugens Beurteilung statt der Realität nicht der Wunsch nach Erfolg Vater des Gedankens ist: Alle zehn Staaten - mit so unterschiedlichem sozialen und wirtschaftlichem Entwicklungsstand wie Zypern und Polen - sollen tatsächlich gleichermaßen reif sein für den Beitritt, sollen all die komplizierten, aufwendigen und teuren Regeln des EU-Gemeinschaftswerk, des sogenannten "aquis coummunitaire" erfüllen? Und vor allem: Können bis zum Termin Ende 2002 tatsächlich alle Fragen der Agrarsubventionen für die stark landwirtschaftlich orientierten Kandidaten gelöst werden?

Und jetzt, wenige Tage nach Verheugens Jubelarie, zeigt sich, dass gar nichts gut ist im neuen größeren Europa. Beim EU-Außenminister- Treffen in Luxemburg konnte sich der Rat nicht auf einen gemeinsame Position für die sogenannten Direkthilfen in der Landwirtschaft einigen. Nach gewohnter EU-Manier vertagte man das Problem. Doch wohin? Die Nettozahler, also Deutschland, Grossbritannien, die Niederlande und Schweden haben eine unerschütterlich harte Position. Sie wollen nicht zustimmen, dass die Neuen im Club in der Agrarpolitik gleichgestellt werden mit den Altmitgliedern.

Und das aus gutem Grund. Deutschland etwa müsste dann Schätzungen zufolge allein doppelt soviel netto nach Brüssel überweisen wie bisher, Milliarden Euro, die in den deutschen Kassen einfach nicht da sind, während das Steuereinkommen wegbricht und der Traum von einem ausgeglichenen Haushalt zur Illusion gerinnt - und schon gar nicht in Wahlkampfzeiten.

Frankreich und Spanien, deren Bauern jährlich enorme Summen aus Brüssel überwiesen bekommen, sind stiller, weil sie von dem bestehenden System profitieren. Aber auch in Paris und Madrid geht die Furcht um, dass sie bei einer Neuverteilung der vorhandenen Mittel schlechter abschneiden können.

Mittlerweile warnt selbst die EU-Kommission vor der einfachen Übernahme des üppigen Subventionssystems der EU-Agrarpolitik: Ein polnischer Bauer hätte zum Beispiel, sollte er in den vollen Genuss der Direkthilfen kommen, von heute auf morgen 90 Prozent mehr an monatlichem Einkommen und verdiente damit besser als ein polnischer Universitätsprofessor. Dass damit sozialen Verwerfungen Tür und Tor geöffnet wird, ist jedem klar.

Die Agrarpolitik ist und bleibt also der Knackpunkt der Verhandlungen - und nichts ist gelöst. Die Altmitglieder wollen möglichst wenig von ihrem Besitzstand abgeben, die EU-Bewerber wollen alles haben. Und irgendwo dazwischen steht die EU-Kommission, die beim Thema Direkthilfen zum Beispiel für die stufenweise Einbindung in die Subventionen plädiert.

Mit anderen Worten: Europa kann sich auf harte Verhandlungsmonate einstellen, bis im Dezember in Kopenhagen dann ein Kompromiss stehen muss, um im Erweiterungs-Zeitplan zu bleiben. Frankreich immerhin ist nach dem Sieg der Bürgerlichen wieder handlungsfähig. Deutschland wird es allerdings erst nach dem 22. Spetember sein. Und das könnte zu spät werden, um den Fahrplan einzuhalten.