Ungewissheit nach den Wahlen in der ZAR
28. Dezember 2020In der Zentralafrikanischen Republik werden nach dem Wahltag am Sonntag die Stimmen noch ausgezählt. Die Bürger waren aufgefordert, einen neuen Präsidenten und 140 Abgeordnete ins Parlament zu wählen - trotz großer Sorge, dass die Gewalt in dem Land am Wahltag eskalieren könnte.
Blauhelm-Soldaten der Vereinten Nationen waren in der Hauptstadt Bangui an den Wahllokalen stationiert, um Ausschreitungen zu verhindern. Es blieb weitgehend ruhig, allerdings kam es laut Medienberichten in drei Provinzen zu Schießereien.
"Gewalt auszuüben, um zu verhindern, dass sich die Menschen demokratisch ausdrücken, ist ein Verbrechen", sagte Präsident Faustin-Archange Touadéra nach seiner Stimmabgabe am Sonntag. Er hat sich um eine zweite Amtszeit beworben.
Wahlen im Umfeld von Gewalt
Eine Allianz von Rebellen hatte zum Auftakt der Wahlen versucht, diese zu verhindern. Die Aufständischen lieferten sich Kämpfe mit Sicherheitskräften der Regierung und UN-Soldaten. Dabei starben drei Blauhelme. Die Rebellen-Allianz wird laut UN-Mission MINUSCA von Ex-Präsident François Bozizé unterstützt und hatte zum Ziel, den Wahlprozess in dem armen afrikanischen Land zu stoppen, in dem rund 4,7 Millionen Menschen leben.
Bozizés Kandidatur bei der Präsidentenwahl war kurz zuvor vom Verfassungsgericht zurückgewiesen worden. Der frühere Staatschef war 2013 von der Seleka, einer muslimischen Koalition von Rebellengruppen, gestürzt worden und ging ins Exil. Daraufhin folgten jahrelange Kämpfe zwischen der Seleka und den christlichen Anti-Balaka-Milizen sowie anderen Splittergruppen.
Ein Friedensabkommen nach einer französischen Militärintervention und der UN-Mission hatte die brisante Lage 2019 stabilisiert, aber es kommt es immer wieder zur Gewalt. Folge: eine humanitäre Krise. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks sind 1,3 Millionen Menschen derzeit innerhalb der Zentralafrikanischen Republik und ihrer Nachbarländer auf der Flucht.
Opposition kämpft um die Macht
Trotz der insgesamt instabilen Lage rief Präsident Faustin-Archange Touadéra zur Wahl auf: "Wir haben eine Verfassung und sind ein demokratischer Staat. Sie erlaubt es den Bürgern, alle fünf Jahre frei ihre Anführer zu wählen", sagte Touadéra, als er seine Stimme in einem Wahllokal in Bangui abgab.
Im Kampf um die Regierungsmacht gibt es aber einen starken Kandidaten aus den Reihen der Opposition: Anicet-Georges Dologuélé. Er war in der zweiten Runde der Präsidentenwahl 2016 dem damaligen Außenseiter Touadéra unterlegen. Weitere Kandidaten sind im Rennen, darunter der ehemalige Premierminister Martin Ziguélé.
Wie sieht die politische Zukunft in dem desolaten Land aus? Könnte der amtierende Präsident Touadéra erneut regieren? Seine Anhänger hoffen auf die Wiederwahl und nach Ansicht von Beobachtern stehen seine Chancen nicht schlecht.
Doch die Opposition glaubt, dass Touadéra an der Wahlurne abgestraft wird. Eine Hoffnung, die allerdings durch Zweifel an der Neutralität der Nationale Wahlbehörde (NEA) gedämpft wird. Zudem soll es bereits bei der Organisation des Urnengangs zu zahlreichen Unregelmäßigkeiten gekommen sein.
Wähler wollen Lage verbessern
Viele Wähler geben sich dennoch optimistisch: "Ich mache mir keine Sorgen, denn ich habe mich seit langer Zeit auf diese Wahl vorbereitet", sagte ein junger Mann der Nachrichtenagentur AFP bei der Stimmabgabe in Bangui: "Wir haben lange gelitten und deshalb bin ich jetzt bei der Abstimmung, um zur Verbesserung des Landes beitragen zu können."
Eine Wählerin machte vor einem Wahllokal in der Hauptstadt deutlich, dass sie dem amtierenden Präsidenten vertraut: "Diese Wahlen sind wichtig, weil Touadéra ein Demokrat ist. Menschen wollten die Wahlen verschieben, aber er wollte das nicht. Für uns ist das Demokratie. Also bin ich zur Wahl gegangen."
Oppositionskandidat Dologuélé gibt sich jedenfalls kämpferisch: "Das Ziel ist es, sicherzustellen, dass Austin Archange Touadéra morgen nicht mehr Präsident ist."
Beobachter sehen allerdings eine Zersplitterung der Opposition, wovon Amtsinhaber Touadéra profitieren könnte. So sieht das auch Thierry Vircoulon vom Observatorium für das südliche und zentrale Afrika am französischen Institut für internationale Beziehungen (IFRI): "Zum einen haben sie nicht viel Glück. Andererseits haben sie es nicht geschafft, eine gemeinsame Position zu finden. Insbesondere haben sie sich schwergetan, sich zu dem zu äußern, was vergangene Woche zwischen dem Präsidenten - der Wahlen um jeden Preis will - und den bewaffneten Gruppen, die die Wahlen verschieben wollten, passiert ist", sagte Vircoulon der DW. Präsident Touadéra sehe sich "in einer Position der Stärke".
Legimität des Präsidenten fragwürdig
Oppositionskandidat Dologuélé vermutet, das am vergangenen Sonntag ein Großteil der Wahlberechtigten keine Möglichkeit hatte, die Stimme abzugeben - und zwar im Westen des Landes, in Ouham, der bevölkerungsreichsten Region und zugleich ehemalige Hochburg von Ex-Präsident Bozizés: "Leider habe ich den Eindruck, dass mehr als die Hälfte des Landes nicht gewählt hat. Das haben wir befürchtet, als wir die Bedingungen gefordert haben, damit jeder Bürger sein Wahlrecht ausüben kann", sagte Dologuélé am Sonntag.
Jean-François Akandji-Kombé, Professor für öffentliches Recht an der juristischen Fakultät der Sorbonne in Paris, plädiert deshalb dafür, die Wahlbeteiligung genau zu analysieren. Davon würde die Legitimation der künftigen Regierung und der Stabilität der Zentralafrikanischen Republik abhängen, sagte Akandji-Kombé der DW, egal wer zum Präsidenten gewählt wird. Die Nationale Wahlbehörde rechnet damit, das Ergebnis am 4. Januar bekanntgeben zu können.