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Wahlwerbung am Straßenrand

Arne Lichtenberg15. August 2013

Wenn die Parteien ihre Plakate aushängen, ist der Wahlkampf endgültig allgegenwärtig. Teure Werbeagenturen versprechen flotte Sprüche und emotionale Bilder. Doch ist das überhaupt noch zeitgemäß?

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Wahlhelfer trägt Plakat vom SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Der aktuelle Wahlkampf hatte noch nicht einmal richtig angefangen, da hatte die SPD schon ein Problem. Die Plakate ihrer Bundestagskandidaten waren nicht wetterfest. Die Poster hielten Regenschauern nicht stand, saugten sich voll Wasser und mussten am Ende kostenpflichtig ausgetauscht werden.

Sechs Wochen vor der Wahl wird es nun so langsam ernst. Zwei Monate vor einer Wahl dürfen die Parteien mit Plakaten um die Wählergunst werben - und davon machen sie in großem Maße Gebrauch. Keine Wand, keine Stellfläche scheint mehr vor ihnen sicher zu sein. Politikergesichter, wohin man schaut. Manche Großstädte wirken regelrecht zuplakatiert. Über Sinn und Unsinn der altmodisch wirkenden Werbung scheiden sich die Geister, doch Experten vertreten eine klare Ansicht. "In Deutschland spielt das Wahlplakat noch immer eine große Rolle", sagt Coordt von Mannstein, Professor für Visuelle Kommunikation und Inhaber einer Werbeagentur, die schon mehrere FDP-Wahlplakate entwarf.

Wahlkampfplakat der CDU (Foto: CDU)
"Heile Welt" - Die CDU stellt sympathische Familien in den Vordergrund, denen es anscheinend gut gehtBild: CDU

Effizientes Werbemittel mit großer Reichweite

"Das Plakat ist das öffentlichste Werbemittel, welches vor allem in Ballungszentren innerhalb kürzester Zeit Millionen von Wählern erreichen kann", sagt der Werbefachmann im Interview mit der DW.

In Deutschland gibt es nur wenige Auflagen für die Parteien in puncto Plakatwerbung. Die Parteien haben gegenüber Unternehmen sogar den Vorteil, dass ihnen Städte und Kommunen vor Wahlen exklusiv Flächen für Werbung zur Verfügung stellen. Zahlen müssen sie dafür nichts. Einzige Auflagen: Die Plakate dürfen den Verkehr nicht beinträchtigen und das Plakatieren an Bäumen wird nicht gern gesehen. Es gibt auch keinen Schlüssel, wie viel Prozent der Fläche Partei A oder Partei B zusteht, bestätigt die Stadt Bonn auf Nachfrage. Das Rennen um die begehrtesten Plätze ist völlig offen. Hier entscheidet also oft, wer am meisten freiwillige Wahlhelfer aufbieten kann, um die Plakate anzubringen und wer zuerst an Ort und Stelle ist.

Auch Alexander Schimansky, Marketing-Professor an der ISM Dortmund, sieht vor allem die geringen Kosten als Vorteil des Plakats: "Es ist das günstige Massenmedium. Der Druck ist einfach, selbst die kleinen Parteien können ihre Plakate mittlerweile selber drucken und verteilen."

Präsenz auf allen Kanälen

In einem Wahlkampf in der heutigen Zeit kommt es vor allem auf die Kombination aus verschiedenen Medien an: Online, Plakate, Printanzeigen, TV-Werbung und persönliche Wahlkampfauftritte. Keine Partei könne es sich erlauben, einen der Kanäle zu vernachlässigen, sagt der Hamburger PR-Berater Wolfgang Raike. Im Internet erreiche man beispielsweise viele ältere Stammwähler nicht und über Printanzeigen nicht mehr die Jungen, die sich keine Tageszeitung mehr kaufen. "Selbst die internetaffine Piratenpartei gibt zwei Drittel ihres Wahlkampfbudgets für Plakate aus", sagt Werbefachmann Coordt von Mannstein. Das Plakat scheint da noch das effizienteste Medium zu sein. Irgendwann wird zwangsläufig jeder Wähler einen dieser Werbeträger sehen. Aus der Mode ist das Plakat also noch lange nicht.

Ob es die Erfolgsformel für das perfekte Wahlplakat gibt? Einig sind sich die Experten, dass in jedem Fall ein Foto auf das Poster gehört. Heute werde eben viel mehr über Bilder kommuniziert, so von Mannstein im Gespräch mit der Deutschen Welle. Durch Bilder könne sich der Wähler eben ein "Bild" von einer Person oder einer Partei machen. Das Foto sollte möglichst ein positives, sympathisches Erscheinungsbild haben und dazu einen prägnanten Text, der noch nicht einmal ein vollständiger Satz sein muss. Möglichst mit einer klaren Aussage: "Für Gerechtigkeit", sagt Alexander Schimansky oder "für die Familie".

Peer Steinbrück vor SPD-Wahlkampfplakaten (Foto: Reuters)
SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück - vor Bilder seiner GegnerinBild: Reuters

Aufpassen müssten die Parteien aber, wenn sie das Foto des politischen Gegners auf ihr eigenes Plakat drucken, sagt Christoph Moss, Kommunikationswissenschaftler an der BiTS-Hochschule Iserlohn. Aktuell fährt die SPD eine Kampagne, in der sie unvorteilhafte Fotos von der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel zeigt, statt den eigenen Kandidaten Peer Steinbrück zu präsentieren. Ein großes Risiko, findet Moss. "Wenn Sie durch die Stadt fahren und Bilder von Angela Merkel sehen, aber die Plakate eigentlich von der SPD sind, dann bleibt erst einmal das Foto von Angela Merkel im Gedächtnis hängen", sagt er. Dadurch verstärke die SPD noch die Wahrnehmung der CDU.

Auch der Einsatz von Bildbearbeitung und Fotoretuschierung sei mit Bedacht zu gebrauchen. "Plakate müssen authentisch sein. In einem Wahlkampf muss der Bürger seinen Politiker authentisch erleben", sagt von Mannstein. "Da können auch ruhig einmal ein paar Falten zu sehen sein", ergänzt PR-Mann Raike. Die Menschen würden Politiker nicht wegen ihrer jugendlichen Frische wählen, sondern wegen ihrer politischen Erfahrung. Ein paar Falten dienen dann als Beweis für ausreichend Lebenserfahrung.

Verzicht auf Politikerfotos

Doch der Trend geht in diesem Wahlkampf offenbar sowieso in eine andere Richtung. Ob retuschiert oder nicht: Die Parteien verzichten weitgehend auf Porträts ihrer Politiker. Die CDU setzt stattdessen stark auf "Heile-Welt-Bilder", die Familien in positiven und sympathischen Lebenssituationen zeigen. Kanzlerin Angela Merkel soll erst später im Wahlkampf auf den Plakaten ihrer Partei auftauchen.

Auch die SPD plakatiert Menschen in ihrem Alltag, lässt aber Motive drucken, auf denen beispielsweise Probleme von alleinerziehenden Müttern zu sehen sind oder Familien, die mit steigenden Mieten zu kämpfen haben. "Die Grünen setzen hingegen stark auf die Farbe Grün und sprechen auch den Wähler mit ihrem Spruch: 'Und Du?' an. Dazu verweisen sie auf das Internet, das ist schon sehr gelungen", sagt Christoph Moss.

Wahlkampfplakat der Grünen (Foto: Bündnis 90/Die Grünen)
Grünen-Plakat: Internet-Link und direkte WähleranspracheBild: Grüne

Alle Plakate teilen jedoch das gleiche Schicksal: Sie werden im Herbst im Altpapier landen. Denn spätestens am Tag nach der Bundestagswahl am 22. September dürfen die Städte nicht mehr mit Wahlplakaten zugepflastert sein. Die Parteien müssen ihre Werbung unverzüglich entfernen, ansonsten droht ihnen eine Ordnungsstrafe.