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Das Amerikabild der Deutschen in Zeiten von Trump

25. August 2018

Im Oktober beginnt ein hochkarätiges Projekt: "Deutschlandjahr USA". Mit über 1000 Veranstaltungen soll es auf das Deutschlandbild der Amerikaner einwirken. Aber wie denken eigentlich die Deutschen über Amerika?

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USA Freiheitsstatue in New York
Bild: picture-alliance/Bildagentur-online/Tetra Images

"In Deinen Armen fühle ich mich frei", singt der Freiburger Liedermacher Philipp Poisel. "Ich bin Dein und Du bist mein….mein Amerika". Eine solche Liebeserklärung ist selten geworden in Deutschland. Seit Donald Trump die USA regiert, wandelt sich das Amerika-Bild vieler Kulturleute - wieder einmal.

Wie zufällig beginnt in diesem Herbst das lange geplante "Deutschlandjahr USA". Vereinbart haben es der damalige Bundesaußenminister Sigmar Gabriel und sein amerikanischer Kollege Rex Tillerson. Ihre Absicht: Die jahrzehntelange deutsch-amerikanische Freundschaft zu pflegen und auszubauen.

Geplant sind gut 1000 Veranstaltungen in den Bereichen Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und Sport. Träger des Veranstaltungsreigens sind das Auswärtige Amt, das Goethe-Institut und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).

Philipp Poisel
Philipp Poisel verehrt Amerika - mit poetischem GesangBild: Imago/STAR-MEDIA

Auch Bundesaußenminister Heiko Maas hat  zuletzt gefordert, die Partnerschaft zwischen Deutschland und den USA "neu zu vermessen". "Nicht um sie hinter uns zu lassen, sondern um sie zu erneuern und zu bewahren", so Maas in einem Beitrag für das "Handelsblatt", wo er die Eckpunkte einer neuen USA-Strategie der Bundesregierung skizzierte. Die Idee: Eine "balancierte Partnerschaft, in der wir ein Gegengewicht bilden, wo rote Linien überschritten werden".

Neue USA-Strategie 

Wie sich das "Deutschlandjahr USA" in die neue Strategie einfügt, muss sich zeigen. Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts konkretisiert daher: "50 Millionen Amerikaner haben deutsche Wurzeln. Diese Beziehungen möchten wir stärken. Im Sinne dieser neuen Strategie wollen wir aber auch in Diskussionen Dinge ansprechen, die wir unterschiedlich sehen. Insofern ist das kein Widerspruch", so Ebert im DW-Interview.

Eine Musikgruppe posiert vor großem Publikum beim Deutschlandjahr Mexiko 2016/2017.
Musikalischer Dialog: Eindruck vom letzten Deutschlandjahr in Mexiko. Bild: Goethe-Institut Mexico

Eine deutsch-amerikanische Brücke schlagen in diesen Tagen die Kunsthistorikerinnen Barbara Schaefer und Anita Hachmann. "Es war einmal in Amerika" haben sie ihre Ausstellung im Kölner Wallraf-Richartz-Museum getauft. Über den kommenden Winter zeigt sie US-amerikanische Kunst aus drei Jahrhunderten, der Bogen spannt sich von Werken der Kolonialzeit bis zu Vertretern des Abstrakten Expressionismus in den 1950er Jahren. Ein Mammutprojekt ohne Zweifel, für das die Kölnerinnen Leihgaben der wichtigsten Museen in den USA loseisen konnten.

Kunst-Brücke nach Amerika

"Meine Eltern stammten noch aus der Generation, die den Krieg miterlebt hat", sagt Barbara Schaefer, Jahrgang 1968, "deshalb bin ich mit dem Bild von Amerika als dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten groß geworden, einem positiven Amerikabild."

Donald Trump hat Sex mit der amerikanischen Freitheitsstatue. Das zeigt ein Motivwagen der Düsseldorfer Karnevalisten beim Rosenmontag 2017. picture-alliance/dpa/F. Gambarini)
US-Präsident Donald Trump, wie ihn die Karnevalisten sehen: Schnappschuss beim Rosenmontagszug in Düsseldorf 2017.Bild: picture-alliance/dpa/F. Gambarini

Dagegen halten - nach Umfragen des Meinungsforschungsinstituts infratest-dimap - die meisten Deutschen Amerika für "machtgierig, überheblich und übergriffig". Gehörten die Deutschen Anfang des Jahrtausends im europäischen Vergleich noch zur Spitzengruppe der Amerika-Versteher, so rangieren sie heute ganz hinten, wie das PEW-Research-Center in Washington ermittelt hat. Nur den Russen sind die USA noch unsympathischer.

Bei den Vorbereitungen zu ihrer Ausstellung habe sie "Probleme und Sorgen" bei ihren amerikanischen Museumskollegen beobachtet, sagt Schaefer: "Das spürt man, das kann man bei aller positiver Grundeinstellung nicht ausblenden." Die zehn Jahre jüngere Anita Hachmann hat, wie sie einwirft, ein gespaltenes Verhältnis zu Amerika.

Dennoch sei es bei der Projektvorbereitung "wahnsinnig schwer" gewesen, "diese sehr schöne, schillernde Idealvorstellung von einem Land auszublenden, in dem jeder Wunsch in Erfüllung gehen kann, wo jeder sein Glück und sein Vermögen machen kann, trotz der alltäglichen Nachrichten und dem, was sich alles an Bedenklichem in Amerika tut."

Auswanderer in Abfertigungshalle Hamburg 1900
Auswanderer in einer Abfertigungshalle des Hamburger Hafens um 1900Bild: picture-alliance/akg-images

Goethe: "Amerika, Du hast es besser."

Noch im letzten US-Census von 2010 beriefen sich über 50 Millionen US-Amerikaner auf deutsche Wurzeln. Nicht von ungefähr: Im Laufe des 19. Jahrhunderts setzte in den deutschen Kleinstaaten eine Massenauswanderung nach Amerika ein. Zunächst waren es vor allem verarmte Bauern aus Deutschland, die in die neue Welt aufbrachen.

Nach der gescheiterten Revolution von 1848 kamen viele Intellektuelle hinzu, die aus politischen Gründen oder auf der Suche nach religiöser Freiheit auswanderten. Aus wirtschaftlicher Not folgten schließlich Handwerker und andere Berufsgruppen.

BAFTA Film Awards, 2018 Angelina Jolie
Hat einen deutschen Urgroßvater: die Hollywood-Schauspielerin Angelina JolieBild: picture-alliance/AP/V. Le Caer

Selbst Hollywood-Star Angelina Jolie hat einen deutschen Urgroßvater, wie das US-Ahnenforschungs-Portal Ancestry angibt - einen westfälischen Schneider namens Josef Kamp.

Im Land ihrer Träume stießen die Ankömmlinge mitunter auf üble Missstände - in den Großstädten grassierten Massenarmut und Verelendung. Randgruppen wurden benachteiligt - Afroamerikaner, Indianer und - Einwanderer.

"Amerika Du hast es besser", dichtete Johann Wolfgang von Goethe in seinen Xenien, "als unser Kontinent (…)Dich stört nicht im Innern zu lebender Zeit unnützes Erinnern und vergeblicher Streit." Der Dichterfürst hätte sich, wäre er jünger gewesen, wohl selbst gern in das Land der Verheißung aufgemacht.

Wandel im deutschen Amerikabild

Spätestens mit den Weltkriegen im 20. Jahrhundert änderte sich das Amerikabild vieler Deutscher: Das "böse Amerika" erstand, je mehr die USA politisch, kulturell und wirtschaftlich aufstiegen. Immer häufiger standen die USA auf einmal für Massenkultur, Massenkonsum, Verflachung, Degeneration. "Zugleich werden die USA zu einem neuen Bezugspunkt im Koordinatensystem der deutschen Identität", erinnerte der Kulturwissenschaftler Wolfgang Kaschuba vom Berliner Institut für Migrationsforschung erst kürzlich in einem Interview des Deutschlandfunks (DLF).

"Ich habe sehr viel USA in mir, weil ich nichts so sehr liebe wie afroamerikanische Musik", sagt der in Niederbayern lebende Autor und Musiker Thomas Meinecke. Für den gebürtigen Hamburger scheint das Leben in Deutschland stark vom American Way of Life geprägt. Seit 35 Jahren spielt Meinecke in der Avantgarde-Band F.S.K. ("Freiwillige Selbstkontrolle").

Die Band zitiert US-Vorbilder und beschäftigte sich lange mit "elektrifiziert-gebrochener, zeitgenössischer transatlantischer Folklore". Sie erforschte die Wurzeln deutscher Musik in den USA und brachte sie zurück nach Deutschland. Was Meinecke an Amerika reizt? "In gewissem Sinne sind die USA das Gegenmodell zu dem Sehnsuchtsort der Deutschen aus den vergangenen Jahrhunderten, was immer Italien war", so Meinecke in einem DLF-Interview, "dagegen boten die USA das Heterogene, das völlig Unübersichtliche, das im Abgrund lauernde."

"Reklame für Deutschland ist gut"

"Die Vereinigten Staaten sind kein Vorbild für Frieden und Freiheit", stellt der Göttinger Roman- und Sachbuchautor Wolfgang Bittner dagegen fest. Der gelernte Jurist, Jahrgang 1941, kritisiert vor allem den Verlust an Rechtsstaatlichkeit in den USA seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001.

Autor Wolfgang Bittner
Kritische Distanz: Autor Wolfgang BittnerBild: Privat

Das Land werde schlecht regiert, habe ein Drogenproblem, ein marodes Gesundheitssystem, Schulen, die den Namen nicht verdienten, leide an Rassismus und unter ausufernder Polizeigewalt. "Die USA sollten die eigenen Probleme lösen, statt Chaos in der Welt zu veranstalten", verlangt Bittner. Er hat Freunde in den USA und empfiehlt, zwischen der Bevölkerung und der Politik zu unterscheiden. Ein "Deutschlandjahr USA" begrüßt der Intellektuelle auch: "Reklame für Deutschland ist gut."

Bei der Einweihung des Thomas Mann-Hauses im Juni in Los Angeles war Heinrich Detering Ehrengast an der Seite von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Detering ist Deutschlands profiliertester Mann-Forscher, er lehrt Literaturwissenschaft in Göttingen. Deutschlands berühmtester Autor habe sich schon 1947 im amerikanischen Exil über politische Zustände im Nachkriegsamerika beschwert, berichtet er.

USA, Los Angeles: Exil-Villa von Thomas Mann
Erstrahlt im neuen Glanz - die ehemalige Thomas Mann-Villa in Los AngelesBild: picture-alliance/dpa/rebuild.ing

Nun reiste auch Detering "mit einer merkwürdigen Gefühlsmischung" in die USA. "Die Gegenwart gießt Essig ins historische Vergnügen", so Detering im DW-Interview. "Ich war in Amerika während der Monate, in denen sich die Tea-Party-Bewegung zum ersten Mal massiv öffentlich artikulierte, im Kampf gegen Obamas Gesundheitsreform. Und ich habe das damals als schockhaft empfunden, wie der aggressiv rassistische Diskurs, dem man nirgends entgehen konnte, plötzlich mein helles Amerikabild verdunkelte."

Auf seiner 2016 erschienen CD "Mein Amerika" flüstert, singt, jauchzt und schluchzt der junge Freiburger Barde Philipp Poisel. Dabei zeichnet er das Traumbild seiner Jugend vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten: "Wie eine Straße in den Süden / So wie ein Kornfeld, endlos weit / So wie Flüsse ihre Betten durch die Schluchten schlagen / Hohe Pässe, tief verschneit / So wie ein Sommer in der Wüste / Wie bei Woodstock mittendrin / Tiefe Wälder, kalte Meere / In deinen Armen fühle ich mich frei".

Poisels Song entstand kurz vor der Ära Trump. Inspiriert haben den mittlerweile 35-Jährigen "Erinnerungen an Mickey Mouse, 'Die drei Fragezeichen' und ungezählte Nachmittage mit der Nintendo-Konsole auf dem Schoß."