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Wohnen ist keine Privatsache

20. Januar 2010

Der Januar ist in Köln der Möbelmonat. Zum 21. Mal zünden die Passagen, das Off-Programm der Kölner Möbelmesse, ihr kreatives Feuerwerk. Ökologie und eine schwedische Avantgarde gilt es zu entdecken.

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Schwarzes Pfer mit Lampenschirm (Foto: ökoRausch)
Bild: ÖkoRausch

Lampe? Der Begriff trifft es nicht. Eher animalische Skulptur mit Leuchtkraft. Mitten im Raum steht ein lebensgroßes Pferd aus schwarzem Plastik, auf seinem Kopf thront ein Lampenschirm. Daneben befindet sich ein kleines schwarzes Schwein, ebenfalls aus Plastik, auf dem Rücken balanciert ein Kaffeetischchen. Dieser kleine Design-Bauernhof stammt von Front. Einem Frauenkollektiv aus Schweden. Die drei Front-Damen sind derzeit auf Platz eins der Möbelhitparade, sie wurden von dem Magazin Architektur und Wohnen zu den Designerinnen des Jahres 2010 gekürt.

Schnittstelle zur Kunst

Eine zerbrechlich scheinende weiße Stehlampe von den Front-Damen (Foto: ökoRausch)
Front: Mehr Schein als seinBild: ÖkoRausch

Die Designerinnen arbeiten mit einem Computerprogramm, das auch für die Animation von dreidimensionalen Figuren beim Film eingesetzt wird. Das sieht ein bisschen nach Zauberei aus. Erst wird in die Luft gemalt, dann scheint die Zeichnung plötzlich Gestalt anzunehmen. Das Verfahren nennt sich "motion capture". Kameras erfassen den Stift, die Daten werden an einen Computer gesendet, der plastische Linien erzeugt. Bei Youtube stellen die Designerinnen regelmäßig Videos ins Netz, um den Entstehungsprozess ihrer Möbel zu dokumentieren. "Königinnen der Illusion" nennen sich die Front-Frauen ironisch. High-End- Technik und Kitsch, Witz und Feingefühl gehen Hand in Hand. Dieser Stilmix und der offene Umgang mit Farben und Mustern ist typisch für die Passagen 2010. Trashige Tapeten werden mit hochwertigen Materialien zu neuem Leben erweckt, Tische, Stühle und Sofas von einem alten Designhasen wie Finn Juhl kommen aufgepeppt als neue Produktionen auf den Markt. Passagen-Initatorin Sabine Voggenreiter vergleicht die Entwicklungen im Design mit denen in der Mode: "Da mixt man ja auch eine Chaneljacke mit einer Khaki-Hose oder einer Jeans."

Ökologie setzt sich durch

Ein Couchtisch aus alten Ölfässern der Agentur KO.J(Foto: ökoRausch)
Ausrangiert für die EwigkeitBild: ÖkoRausch

Auch wenn es den einen Trend nicht gibt, scheinen sich immer mehr Designer heute Gedanken um Ökologie zu machen. "Natürlich ist Nachhaltigkeit ein Thema und kein Randthema mehr", sagt Sabine Voggenreiter und verweist auf die Messe "Öko-Rausch", eine kleine Messe, die im Rahmen der Passagen nachhaltiges Design ausstellt. Zu sehen sind Tische, Lampen oder Sessel, deren Material eigentlich ausgemustert worden ist. Die Agentur KO.J hat sich spezialisiert auf alte Ölfässer, Reifen oder Werbe-Fahnen aus Indonesien. Sibylle Hansen und ihr indonesischer Mann Aulia Muhammad sammeln Reste von der Straße oder kaufen billige, ausrangierte Materialien der Wegwerf-Gesellschaft. Längst wird in Indonesien mit altem Gummi oder Metall Geschäfte gemacht. Die Möbel verkaufen sich in Deutschland noch immer zögerlich, aber allmählich scheint das Bewusstsein für Herkunft und Herstellung des Interieurs zu wachsen. Der Klassiker im Sortiment ist ein Couchtisch aus Ölfässern, er erfreut sich besonders großer Beliebtheit.

Lampe aus PET-Flasche

Ein bläulich schimmerne Deckenlampe aus PET-Flaschen gebaut (Foto: ökoRausch)
Leuchten ohne EndeBild: ÖkoRausch

Lust auf grüne Mode und Möbel macht auch manamaniacs. So nennen sich zwei Designerinnen, die nur mit Abfall, mit weggeworfenen oder Wegwerf-Materialien arbeiten. Sie nähen Röcke aus Altkleidern, fertigen Ohrringe aus alten Gardinenaufhängern oder entwerfen Lampen aus PET-Flaschen, die wegen ihrer krebserregenden Stoffe in Verruf geraten sind. "Es ist weniger gesundheitsschädigend, sich so eine Lampe aufzuhängen, als das Wasser daraus zu trinken", sagt Tanja Kötting, eine der beiden manamaniacs-Designerinnen ironisch. Form, Funktion und Nachhaltigkeit sollen Hand in Hand gehen. Längst sehen die Möbel nicht mehr nach "öko" aus. Im Gegenteil, wer keine Lust hat, seine Wohnung mit Massenprodukten vollzustopfen und stattdessen einen persönlichen Touch mag, der kann bei vielen dieser Objekte fündig werden.

Handmade statt Massenproduktion

Ausschnitt einer Rückenlehne eins Stuls aus Altpapier mit Micky-Maus-Motiven (Foto: ökoRausch)
Hält für immerBild: koelnerbox

Die Werkstatt für Upcycling produziert Möbel aus Altpapier. Mitarbeiterin Ulla Kather versichert, dass die Stühle im Micky-Maus-Design oder das Sofa aus Tageszeitungen halten, auch wenn sie nicht so aussehen.

"Die Möbel sind aus Zeitungen hergestellt, die gelesen wurden. Wir führen sie in einen Kreislauf zurück." Schicht für Schicht werden die Zeitungen oder Comics übereinander geklebt. "Wir arbeiten mit wasserfestem Holzleim, das wird so massiv, wir gehen auf 2 mm Dicke und dann kann man sich auch draufsetzen."

Noch ist der Markt für nachhaltiges Design klein und ohne den Idealismus der Macher würden viele Recycling-Möbel nie in Produktion gehen. Aber immer mehr Menschen scheint es nicht mehr egal zu sein, woher die Tische, Stühle und Lampen in ihren Wohnungen kommen. Sibylle Hanssen von KO.J-Design bemerkt ein wachsendes Interesse an ihren Möbeln: "Die Leute denken mehr nach. Das ist eine Entwicklung, die uns sehr positiv stimmt."

Autorin: Sabine Oelze

Redaktion: Conny Paul