Die Kanzlerin auf Wahlkampftour
24. August 2013"Simply the best" von Tina Turner dröhnt aus den Lautsprechern auf dem Bonner Marktplatz. Vor dem historischen Rathaus ist eine Bühne errichtet, daneben eine große Videowand. Noch steht dort oben nur die Bonner Bundestagskandidatin der CDU. Doch die Menschen, die sich nach und nach vor der Bühne versammeln, warten auf eine andere Politikerin: Angela Merkel.
Früher war es Alltag, dass die deutschen Regierungschefs in Bonn Reden hielten. Von Konrad Adenauer, dem ersten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, bis zu Gerhard Schröder hatten alle in Bonn ihren Regierungssitz. Nachdem sich 1991 eine knappe Mehrheit der Bundestagsabgeordneten für einen Wechsel der Regierung nach Berlin entschied, wurde 1999 während der Amtszeit von Gerhard Schröder vom Rhein an die Spree gezogen. Merkel war die erste, die ihren Dienst als Kanzlerin in Berlin antrat.
Freundlicher Empfang
Nach Bonn kommt Merkel nur selten - auch wenn sie hier offiziell noch ihren zweiten Dienstsitz hat. Ihr Wahlkampfauftritt auf dem Marktplatz in der Bonner Innenstadt ist für zwölf Uhr angekündigt. Der Bereich vor der Bühne füllt sich langsam. Auf der anderen Seite des Platzes geht der Wochenmarkt seinen regulären Gang. Heike Beckenhusen verkauft hier Obst und Gemüse. Mehr Umsatz bringe der Besuch der Kanzlerin bisher nicht, sagt sie.
Um kurz vor zwölf wird es dann hektisch. Die Kanzlerin ist eingetroffen. Mit zwei eilig gespannten Absperrseilen wird eine schmale Gasse durch die wartenden Menschen in Richtung Bühne freigemacht. Polizei und Personenschützer laufen auf und ab. Und dann, fast auf die Minute pünktlich, erscheint die Kanzlerin. Ein paar Hände werden geschüttelt, ein Großteil der Menge applaudiert.
Bekenntnis zur "Bundesstadt Bonn"
Für Merkel scheint es ein Heimspiel zu werden, auch wenn das Verhältnis der Kanzlerin zur ehemaligen Hauptstadt nicht frei von Spannungen ist. Dafür, dass während ihrer Amtszeit die Zahl der in Bonn ansässigen Ministeriumsarbeitsplätze von über 50 Prozent auf knapp unter 40 Prozent gesunken ist, wird Merkel von Bonner Abgeordneten heftig kritisiert.
Und so wird die Kanzlerin auch gleich zu Beginn ihres Auftritts von der Bonner CDU-Kandidatin auf das "Berlin/Bonn-Gesetz" angesprochen, was Bonn als Standort für den größten Teil der Arbeitsplätze der Bundesministerien festschreibt. Merkel beschwichtigt und spricht ein klares Bekenntnis zum Standort am Rhein aus. Für sie selbst sei Bonn zwar nie Heimat gewesen, aber als Umweltministerin unter Helmut Kohl habe sie gerne in Bonn gewohnt. Nur im Karneval, der im Rheinland besonders ausgiebig gefeiert wird, habe sie sich meist in ihren Wahlkreis an der Ostsee zurückgezogen.
Inhalt oder Phrasen?
Nach diesen speziell an das Bonner Publikum gerichteten Worten spricht Merkel allgemein über den Arbeitsmarkt, die Rettung des Euro, die Steuerpolitik und den Sozialstaat. Pfiffe gibt es nur vereinzelt, Merkels Gegner machen vor allem durch Plakate auf sich aufmerksam.
"Bullshit Bingo" ist auf einem Schild zu lesen. Dazu werden Zettel verteilt, auf denen man Standardsätze ankreuzen kann, die die Kanzlerin häufig verwendet. Merkel sei "Deutschlands größte Phrasendrescherin", sagt Initiator Simon Brücken. "Ich bin hier, um das zu entlarven."
Kein Wort zum Herausforderer
Inzwischen haben sich Wolken vor die vorher strahlende Sonne über dem Marktplatz geschoben und es beginnt leicht zu regnen. Wahlkampfhelfer verteilen eilig Regencapes. "Danke, dass sie ausharren", sagt Merkel. Doch einige Zuhörer suchen bereits Schutz in den umliegenden Geschäften und Cafés.
Am Schluss ihrer Rede ruft Merkel die Zuhörer auf, zur Wahl zu gehen. "Wenn Sie finden, dass wir ein gutes Angebot für Sie haben, dann machen Sie ihr Kreuz bei uns." Ihren Herausforderer, Peer Streinbrück von der SPD, erwähnt die Kanzlerin kein einziges Mal.
Und so pünktlich wie die Kanzlerin kam, verabschiedet sie sich auch nach einer Stunde wieder von den etwa 4000 Zuhörern. Nachdem die letzten Takte der Nationalhymne, die zum Abschluss von CDU-Großveranstaltungen immer gesungen wird, verklungen sind, ist Merkel auch schon hinter der Bühne verschwunden. Nächste Station: Wiesbaden.