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PolitikEuropa

Wo bleibt die polnisch-deutsche Panzerwerkstatt?

Christoph Hasselbach | Aleksandra Fedorska
7. Juli 2023

Nach einer Vereinbarung zwischen Berlin und Warschau sollten reparaturbedürftige Leopard-Panzer von der Ukraine-Front in Polen instandgesetzt werden. Die Werkstatt fehlt bis heute.

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Panzer mit Tarnnetzen im Schlamm
Der Leopard 2, hier bei einer Übung in Deutschland, wird auch in der Ukraine gegen die russische Invasion eingesetztBild: Christoph Hardt/Panama Pictures/picture alliance

Die ersten reparaturbedürftigen Leopard-Kampfpanzer sind bereits vom Einsatz in der Ukraine in Polen eingetroffen. Instandgesetzt werden sie dort aber bisher nicht. Dabei hatten sich Deutschland und Polen schon Ende April bei einem Treffen der Ukraine-Unterstützerstaaten geeinigt, dass sie bis Ende Mai ein gemeinsames Instandsetzungs- und Wartungszentrum in Polen einrichten würden. 

Nach der Ankündigung des deutschen Verteidigungsministers Boris Pistorius im April schien eigentlich alles geklärt: Die beiden deutschen Panzerschmieden Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann (KMW) sollten mit dem staatlichen polnischen Hersteller PGZ zusammenarbeiten und ein gemeinsames Wartungszentrum im oberschlesischen Gliwice aufbauen. Doch bis heute gibt es nicht einmal einen Vertrag, in dem die Zusammenarbeit des Konsortiums festgeschrieben wäre.

Zwei Männer in Anzügen vor Mikrophonen in einer Halle, im Hintergrund Panzer
Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki (l.) und Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak Ende April beim Rüstungshersteller Bumar Labedy in Gliwice: Hier sollen die Leopard-Panzer repariert werdenBild: Lukasz Gagulski/PAP/dpa/picture alliance

Wer liefert welche Ersatzteile?

Die Verhandlungen dürften sehr zäh verlaufen, glaubt Damian Ratka, Rüstungsexperte des Portals Defence24.pl, gegenüber DW: "Es gilt auszuhandeln, wie die Gewinne verteilt werden, wer welche technischen Sachleistungen erbringt und welchen Preis man dafür veranschlagen wird."

Gerade die Ersatzteilfrage sei kompliziert, meint Ratka. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat kürzlich gesagt, es gebe einen Engpass bei Ersatzteilen für die Kampfpanzer; ohne sie sei es schwierig, über die Reparatur zu sprechen. Die komplexe Wartung der Leopard-Panzer erfordert von allen Seiten eine enge Abstimmung, wer in Zukunft für welche Ersatzteile zuständig ist. Die Polen haben mit ihren Zulieferern, zum Beispiel PCO (Przemyslowe Centrum Optyki) und die Grupa WB, sehr gute Möglichkeiten, Ersatzteile beizusteuern. Daraus ergibt sich in einigen Bereichen eine Konkurrenzsituation mit deutschen Firmen.

Panzerkanone in einer Werkstatt
Kanone des Leopard 2 bei Rheinmetall: Um das Ersatzteilgeschäft wird hart gerungenBild: Philipp Schulze/dpa/picture

Polen hofft auf lukrative Wartungsaufträge

Um Konkurrenz zwischen deutschen und polnischen Rüstungsunternehmen geht es auch bei der Auswahl der Standorte. Aus polnischer Sicht besteht die Gefahr, dass Standorte internationaler Rüstungsentwicklung in Polen durch deutsch-polnische Projekte in ihren Aktivitäten eingeschränkt werden. Bereits die Wartung der deutschen Panzerhaubitze 2000 für die Ukraine wurde an einen polnischen Standort gebunden, der eigentlich dem polnischen Konkurrenzprodukt "Krab" vorbehalten war.

Es ist den Polen wichtig, dass der gut laufende Standort Poznan, das Zentrum für die südkoreanischen und polnischen K2-Panzer und die amerikanischen Abrams-Panzer, durch deutsch-polnische Kooperationen keine Einschränkungen oder Nachteile erfährt. Polen hat für die Modernisierung seiner Streitkräfte 366 amerikanische Abrams-Panzer und 1000 koreanische K2-Panzer bestellt, von denen ein Großteil sowohl in Korea als auch in Polen hergestellt werden. Auch andere Staaten der Region, wie Rumänien, liebäugeln mit dem koreanischen Modell. "Polen würde in dem Fall von Poznan aus die Wartung der K2 übernehmen, und die polnische Rüstungsindustrie würde sehr davon profitieren", sagt Damian Ratka.

Panzer wirbelt Staub auf
Südkoreanischer K2-Panzer: Polen setzt auf eine Alternative zu deutschen HerstellernBild: Kim Hee-Chul/epa/dpa/picture alliance

Pistorius: "Die Zeit drängt"

Probleme gibt es auch bei der Frage einer weiteren Stationierung deutscher Patriot-Flugabwehrsysteme an der polnisch-ukrainischen Grenze. Eigentlich sollten sie nur bis Ende Juni in Polen bleiben. Doch Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak sagte bei einem Besuch seines deutschen Amtskollegen Boris Pistorius kürzlich: "Wir sind daran interessiert, dass die Patriot-Systeme mindestens bis Ende des Jahres auf polnischem Gebiet bleiben."

Einiges spricht dafür, dass die Frage der weiteren Patriot-Stationierung und des deutsch-polnischen Panzerwartungszentrums im Paket verhandelt werden, dass also Deutschland für ein Entgegenkommen bei den Patriots polnische Zugeständnisse beim Wartungszentrum erwartet.

Zwei Männer, einer im Anzug, einer mit schwarzem Hemd und sandfarbener Hose, vor einem Militärfahrzeug
Pistorius und Blaszak beim Patriot-Stationierungsort Zamosc: Polen möchte die Flugabwehr länger im Land habenBild: Kacper Pempel/REUTERS

Pistorius sagte bei seinem Besuch in Polen, die Zeit dränge. "Klar muss sein: Instandsetzung gehört zur nachhaltigen Unterstützung der Ukraine essenziell dazu." Er erinnerte daran, dass Deutschland und Polen Führungsnationen bei den Leopard-Lieferungen seien und sprach von "intensiven, komplexen Verhandlungen", was die diplomatisch abgemilderte Formulierung für Streit sein dürfte. Generell wird aber in Polen die Zusammenarbeit mit deutschen Hochtechnologieunternehmen als Chance begrüßt.

Der Wahlkampffaktor

Die Verhandlungen fallen in eine Zeit, in der das Verhältnis zwischen beiden Regierungen ohnehin angespannt ist. Der linken deutschen Regierung aus Sozialdemokraten, Grünen und liberaler FDP steht eine nationalkonservative PiS-Regierung in Warschau gegenüber. Die sieht viele politische Themen völlig anders als die deutsche, sei es Migration, Energie – oder eben in der Frage der militärischen Unterstützung der Ukraine. Hier hat Warschau Berlin immer wieder vorgeworfen, zu spät zu handeln und zu wenig zu tun.

Dazu kommt, dass in Polen Wahlkampf herrscht, im Herbst wird das Parlament neu gewählt. Da tritt die Warschauer Regierung härter gegenüber Berlin auf, um innenpolitisch zu punkten.

Fuchs-Fabrik in der Ukraine geplant

Anders als beim Kampfpanzer Leopard könnte die Ukraine beim Transportpanzer Fuchs schon bald unabhängig sein von Hakeleien zwischen ihren Helfern. Deutschlands größter Panzerbauer Rheinmetall will nach Angaben seines Vorstandsvorsitzenden Armin Papperger schon in zwölf Wochen eine Panzer-Fabrik im Westen der Ukraine errichten. Dort, so Papperger im Interview mit CNN, könnte der staatliche Rüstungskonzern Ukroboronprom den Fuchs in Lizenz bauen -  und auch selbst reparieren. 

Dieser Artikel wurde am 7.7.2023 veröffentlicht und am 11.7.2023 aktualisiert.

Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik
Aleksandra Fedorska Korrespondentin DW Polnisch