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Wo bleiben die olympischen Medaillen?

9. November 2021

Weil es immer weniger deutsche Medaillengewinner gibt, will der DOSB Kinder und Jugendliche in Bewegung bringen, um so eine erfolgreiche neue Sportlergeneration aufzubauen. Dabei muss die Politik aber mitspielen.

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Olympische Sommerspiele 2020 | Medaillen
Objekte der Begierde für alle Spitzensportler: OlympiamedaillenBild: Issei Kato/REUTERS

"Wo wir früher noch zehn Talente bekommen haben, bekommen wir heute gerade einmal zwei", sagt Jörn Elberding der DW. Der Geschäftsführer vom TSV Bayer 04 Leverkusen kennt die Problematik um den Nachwuchs im Leistungs- und Spitzensport seit einigen Jahren. "Das hat sich definitiv verändert. Man muss jetzt an allen Ecken und Enden suchen." In dem Klub, der schon viele Weltmeister und Olympiasieger hervorgebracht hat, herrscht in manchen Bereichen Mangel. Und wenn selbst weltweit so renommierte Vereine wie Bayer 04 um die Breite an Athleten und Athletinnen kämpfen müssen, scheint das Problem ernst zu sein. So ernst, dass der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) diesem Trend nun massiv entgegenwirken will. 

"Wir müssen versuchen, durch neue Konzepte einen Turnaround hinzubekommen", sagt Dirk Schimmelpfennig, Vorstand Leistungssport des DOSB, der DW. Dies soll durch einen ganzheitlichen Ansatz, von den Kindern bis zum Spitzensport, umgesetzt werden. Dafür müssen aber mehr Menschen, vor allem jüngeren Alters, in Bewegung versetzt werden. Denn die Entwicklungen im Hochleistungssport bei Olympischen Sommerspielen der vergangenen Jahre sind mehr als ernüchternd. "Die Bilanz von Tokio spiegelt eine Entwicklung der letzten 30 Jahre wider", sagt Schimmelpfennig. Holte die deutsche Mannschaft bei den Sommerspielen von Barcelona 1992 insgesamt noch 82 Medaillen (33 Gold, 21 Silber, 28 Bronze), waren es in Japan in deisem Sommer gerade einmal 37 (10 Gold, 11 Silber, 16 Bronze). Mehr Medaillen durch mehr Sportler soll der Ansatz sein.

Schlechterer Bildungsgrad, größere motorischen Defizite 

"Es wird immer deutlicher,  dass Jugendliche und Kinder motorisch rückständig sind, sich immer weniger bewegen. Das wurde durch die Pandemie nochmal verstärkt", sagt Schimmelpfennig. "Wir müssen erstmal sehen, dass wir die Kinder wieder in Bewegung bringen." 

Kinder spielen zusammen | Symbolbild
Kinder sollen wieder mehr Sport treiben, fordert der DOSBBild: Monkey Business/Shotshop/Imago Images

Auch die Wissenschaft hat sich dem Phänomen seit längerer Zeit angenommen. "Es gibt kein einheitliches Bild bei den motorischen Problemen", sagt Christine Joisten, Leiterin der Abteilung für Bewegungs- und Gesundheitsförderung an der Deutschen Sporthochschule Köln, der DW. "Es gibt natürlich noch Kinder, die sich ausreichend und gut bewegen. Aber mit schlechter werdendem Bildungsgrad wird auch die Motorik schlechter."

Die Folgen: Adipositas, mangelnde Beweglichkeit und daraus resultierend noch geringer Bewegungsdrang. Ein weiterer wichtiger Grund: "Studien haben gezeigt, dass um die Jahrtausendwende das motorische Niveau durch den veränderten Medienkonsum nochmal abgefallen ist. Mittlerweile hat sich das aber auch auf niedrigem Niveau stabilisiert", sagt Joisten. 

Andere Länder investieren mehr

Außerhalb Deutschlands funktioniert zumindest der Spitzensport noch deutlich besser. "Der Sport spielt in anderen Ländern, im internationalen Vergleich, eine größere Rolle. Im Leistungsbereich agieren andere Nationen schneller und effizienter, gerade bei denen, die zu uns aufgeschlossen haben wie etwa Italien, Frankreich, Japan. Wir haben auch eine sehr komplizierte Fördersystematik", erläutert Schimmelpfennig, der auch die Strukturen verändern will.

Aber ein wesentlicher (Erfolgs-) Faktor ist auch immer die Finanzierung. Bayer-04-Geschäftsführer Elberding verweist in dieser Frage in Richtung Amerika. "In manchen Colleges werden alleine jeweils 100 Millionen Euro pro Jahr in den Sport investiert", sagt er. Im Vergleich: Die Bundeszuwendung des Bundesministeriums des Innern (BMI) lag im Jahr 2019 bei knapp 83 Millionen Euro hierzulande für alle olympischen Verbände zusammen. 

Politik muss mitspielen

Der Weg zu einer besseren kollektiven Bewegung, zu mehr Spitzensportlern und damit auch mehr Olympia-Medaillen soll an der Basis beginnen. Der DOSB hofft auf die Unterstützung der neuen Bundesregierung. 

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Das Zocken an Computer oder der Spielkonsole lässt viele Jugendliche den Sport vergessenBild: Fleig/Eibner-Pressefoto/picture alliance

"Erstmal muss es politisch gewollt sein, dass man die Bewegung vorantreibt", sagt Schimmelpfennig. "Wir müssen in die Kindertagesstätten, in die Grundschulen, einen festen Aspekt zu mehr Bewegung einbringen. Das ist von der gesellschaftspolitischen Bedeutung und vom Gesundheitsaspekt wichtig." Wenn man mehr Kinder in Bewegung bekomme und diese motorisch besser geschult seien, könne man auch eine effizientere Talentsichtung ableiten, so Schimmelpfennig. Erste positive Signale aus der Politik gäbe es bereits. "Um wieder eine positive Richtung einzuschlagen und den Turnaround zu schaffen, müssen wir in Richtung der Spiele in Los Angeles 2028 oder Brisbane 2032 schauen", so Schimmelpfennig. 

"Wir müssen jetzt nach Talenten suchen", sagt Elberding. "Die entscheidende Frage ist: Wollen wir in Deutschland den Sport und die Medaillen haben", sagt der Bayer-04-Geschäftsführer und fügt an, dass dafür aber nicht nur mehr finanzielle Mittel nötig seien, sondern grundsätzliche Veränderungen - zum Beispiel auch bei der Akzeptanz der Wichtigkeit des Sports oder für die Ausrichtung Olympischer Spiele in Deutschland. "Dafür muss die Gesellschaft bereit sein."