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Wirtschaftswunder an der Ostsee

5. Juli 2002

Während der Konjunkturmotor in Westeuropa stottert, wächst die Wirtschaft in den baltischen Staaten auf hohem Niveau weiter. Auch immer mehr deutsche Firmen engagieren sich in Riga, Tallinn und Vilnius.

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Auch in Tallinn hat der Big Mac Einzug gehaltenBild: AP

Mit Wachstumsraten zwischen vier und gut sieben Prozent 2001 konnten sich die Volkswirtschaften im Baltikum der Konjunkturschwäche entziehen, die Westeuropa spätestens nach den Terroranschlägen vom 11. September Sorge bereitet. Von einer "weiter anhaltenden Sonderkonjunktur im Baltikum" spricht Joachim Legat, Analyst der Vereins- und Westbank, die in den baltischen Ländern tätig ist.

Baltikum trotzt der Wirtschaftskrise

"Auch wenn der globale wirtschaftliche Rückgang schwerer als erwartet ausfällt, werden die Auswirkungen auf Estland, Lettland und Litauen gering bleiben", heißt es in einer Analyse der größten skandinavische Bank SEB, die im Baltikum lokale Geldinstitute übernommen hat.

Für die kommenden Jahre erwarten die Volkswirte ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Baltikum von mehr als vier Prozent. Dabei soll die Inflation mit weniger als drei Prozent moderat bleiben. Gestützt wird der Boom von einer steigenden Nachfrage im Binnenmarkt und zunehmenden Investitionen.

Deutschen Investoren entdecken die Region

Diese kommen zunehmend auch aus Deutschland. Während nach 1991 zuerst skandinavische Geschäftsleute die Möglichkeiten der ehemaligen Sowjetrepubliken in ihrer wiedererlangten Unabhängigkeit bieten, entdecken mittlerweile auch deutsche Investoren die Region. Knapp 90 Prozent von ihnen zeigen sich dabei hochzufrieden mit dem baltischen
Standort.

Derzeit arbeiten demnach in Litauen etwa 1200 Unternehmen mit deutschen Kapital, in Lettland sind es rund 900 und in Estland um die 300. Die meisten gehören in die Gruppe der klein- und mittelständischen Firmen. Knapp ein Viertel von ihnen produziert, ein anderes Viertel ist im Im- und Export tätig, beinahe die Hälfte bietet Dienstleistungen an. Das Kinderkleidungsunternehmen, welches Mützen nähen lässt, der Generalvertreter für Tiefkühlprodukte oder die deutsch-baltische Consultingfirma sind typische Beispiele.

Geringe Lohnkosten

"Gute Infrastruktur" nennen die Investoren als wichtigsten Standortfaktor vor dem Personalbereich. Dort sehen sie die vergleichsweise niedrigen Lohnkosten als Vorteil. Bei Durchschnittslöhnen von umgerechnet etwa 315 Euro in Estland, 245 Euro in Lettland und 220 Euro in Litauen überrascht dies wenig. Allerdings wird in Estland ein Mangel an Facharbeitern beklagt, wie die Umfrage zeigt.

Weitere Kritikpunkte sind mangelnde Finanzierungsmöglichkeiten durch einheimische oder deutsche Banken und die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen vor Gericht. Trotzdem planen derzeit rund drei Viertel der befragten deutschen Unternehmen, ihre Aktivitäten auszubauen und sehen dabei panbaltisches Engagement als besonders vielversprechend.

Einen weiteren Anreiz für westliche Investoren hat soeben Litauen verwirklicht. Mit der Umkoppelung der Landeswährung vom Dollar an den Euro entfallen seit Monatsbeginn Währungsrisiken für Geschäfte mit der Eurozone. "Das ist nur konsequent, da sich der Außenhandel hauptsächlich mit der EU abspielt", urteil Analyst Legat: "Man darf zwar keinen Quantensprung erwarten, aber positiv ist die Entscheidung allemal."

Bevorstehender Besuch von Außenminister Fischer

Für Montag (11. Februar) hat sich der deutsche Außenminister Joschka Fischer in Riga angesagt. Hauptthema der dortigen Unterredungen mit seinen baltischen Amtskollegen dürfte der baltische Wunsch nach Beitritt zur EU und NATO sein. Damit wollen die Regierungen in Vilnius, Riga und Tallinn die politische Basis schaffen, um das kleine Wirtschaftswunder an der Ostsee fortzusetzen. (dpa)