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Wirtschaft kritisiert Corona-Beschlüsse

23. März 2021

Nach der Verlängerung der Lockdown-Maßnahmen zeigen sich viele Wirtschaftsvertreter verärgert. Geduld und Verständnis seien aufgebraucht. Nur eine Branche hält sich mit Kritik zurück.

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Lockdown I Köln I Wenige Passanten in der Innenstadt
Bild: Rupert Oberhäuser/picture alliance

Der Lockdown wird verlängert. Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder haben sich darauf geeinigt, die derzeit geltenden Maßnahmen zur Corona-Eindämmung bis zum 18. April fortzuschreiben. Über die Ostertage soll ein verschärfter Lockdown gelten.

Für viele Branchen sind die Beschlüsse Grund zur Kritik. So auch beim Handelsverband Deutschland (HDE). Nach wie vor konzentriere sich die Corona-Politik ausschließlich auf die Inzidenzen und honoriere nicht ausreichend, dass die Ansteckungsgefahren im Einzelhandel auch von Experten als niedrig beurteilt werden, erklärte der Verband. "Bund und Länder agieren nur noch im Tunnelmodus. Die alleinige Fixierung auf die Corona-Inzidenzwerte wird der komplexen Lage nicht gerecht", sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.

Die Maßnahmen müssten sich an den wissenschaftlichen Fakten orientieren - und die zeigten, dass die Infektionsgefahr beim Einkaufen niedrig sei. Es sei deshalb "höchste Zeit", die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen und alle Geschäfte unter Einhaltung strikter Hygienekonzepte wieder zu öffnen, so Genth.

Viele Existenzen auf dem Spiel

Auch Deutschlands Autohändler haben mit Unverständnis auf die Verlängerung und Verschärfung des Lockdowns reagiert. Autohäuser seien mit ihren großen Verkaufsräumen, der geringen Kundenfrequenz und Schutzauflagen laut Robert-Koch-Institut fast so sicher wie Aufenthalte im Freien, erklärte der Präsident des Zentralverbandes Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), Jürgen Karpinski.

Die Geduld und das Verständnis seien aufgebraucht. "Wir können und dürfen nicht warten, bis die Pleitewelle rollt. Die Politik muss Handlungswege aufzeigen und darf unser Land nicht länger stilllegen", forderte Karpinski. Viele Existenzen im mittelständischen Kraftfahrzeuggewerbe stünden auf dem Spiel. Der "zentrale Vertriebskanal der volkswirtschaftlich bedeutenden Automobilbranche" sei schon seit Mitte Dezember 2020 geschlossen.

Veranstalter und Handwerker wollen verbindliches Signal

Auch die besonders betroffene Veranstaltungswirtschaft kritisiert die Corona-Beschlüsse. Statt der in Aussicht gestellten weiteren Öffnungen rudere die Politik getrieben von Inzidenzen und kurzfristigen Handlungshorizonten zurück, erklärte der Fachverband Famab. Die vollmundig angekündigte Öffnungsstrategie ertrinke in einem Meer operativer Fehler. Die Branche sei länger im Lockdown als jeder andere Sektor. Man erwarte endlich ein verbindliches Signal aus der Politik. Zudem müsse die Regierung endlich dafür sorgen, dass die finanziellen Rettungsmittel in dem Wirtschaftszweig ankämen.

Aktion «Night of Light» - Potsdam
Mit roter Beleuchtung macht die Veranstaltungsbranche immer wieder auf ihre Situation aufmerksamBild: picture-alliance/dpa/S. Stache

Der Handwerksverband ZDH warnte vor einem großflächigen Kollaps von Firmen. "Angesichts eines weiterhin fehlenden Planungshorizonts, dazu auch noch stockender oder unzureichender Überbrückungshilfen, werden viele Betriebe nicht überleben können", sagte ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer im ZDF.

Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga hat erneut finanzielle Hilfen für die betroffenen Gastronomen gefordert. ″Spätestens am 12. April muss die Politik liefern″, teilte Dehoga-Präsident Guido Zöllick mit. ″Insbesondere erwarten wir, dass dann auch für das Gastgewerbe ein konkreter Fahrplan für die Wiedereröffnung vorgelegt wird.″ 

Inlandsreisen nein, Auslandsreisen ja

Auch der Deutsche Tourismusverband hat mit Unverständnis und Empörung auf die Beschlüsse von Bund und Ländern reagiert. "Wut, Ärger, Verzweiflung - damit kann man es eigentlich umschreiben", sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Dirk Dunkelberg am Dienstag im SWR. Die Stimmungslage in der Branche sei "mittlerweile dramatisch". Dunkelberg kritisierte, dass die Bund-Länder-Runde Möglichkeiten wie den kontaktarmen Urlaub in Ferienwohnungen und Wohnmobilen in Deutschland völlig außer Acht gelassen habe. "Die Politik ist einfach nicht in der Lage, hier differenziert zu beurteilen." Unverständnis äußerte der Verbandsvertreter darüber, dass Reisen ans Mittelmeer möglich seien, die Vermietung von Ferienwohnungen beispielsweise im Schwarzwald aber verboten bleibe. "Das kann man eigentlich nicht mehr wirklich ernsthaft begründen."

Hotels bleiben wegen Corona weiterhin geschlossen
Hotels - wie hier auf Usedom - bleiben wegen Corona weiterhin geschlossenBild: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/picture alliance

Gerade das führt bei anderen Teilen der Reiseindustrie auch zu positiven Stimmen. Vor allem sei zu begrüßen, dass keine Quarantänepflicht bei der Rückkehr aus Nicht-Risiko-Gebieten beschlossen wurde, sagt der Präsident des Deutsche Reiseverbandes (DRV), Norbert Fiebig, im ZDF. Er plädiert zugleich dafür, auch Inlandsreisen zu ermöglichen, wo dies ″gesundheitlich vertretbar″ sei. Dies sei wichtig, damit die Branche wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen könne.

Die Fluggesellschaften warten auf Details zu den Corona-Tests, die sie Mallorca-Touristen vor der Rückreise nach Deutschland anbieten sollen. Man benötige für die weitere Planung die genaue Ausgestaltung der angekündigten Verordnung, hieß es bei den Ferienfliegern Condor und Tuifly. 

Mit den Tests befinde man sich grundsätzlich auf einem guten Weg, weil damit Quarantänen bei der Rückkehr aus dem Urlaub verhindert würden, sagte eine Condor-Sprecherin. Zur genauen Ausgestaltung des Testregimes werde man sich auch mit den anderen Anbietern verständigen. Beide Fluggesellschaften erklärten zudem, über die Osterfeiertage keine zusätzlichen Flüge mehr zu planen. Das hatten Bund und Länder verlangt.

nm/hb (dpa, rtr)