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Wird "Talahon" das deutsche Jugendwort des Jahres?

Stefan Dege mit dpa und KNA
10. September 2024

"Talahon" zählt zu den drei Favoriten für das Jugendwort 2024. Die Abstimmung läuft noch bis Oktober. Doch ist das Jugendwort mehr als ein Marketinggag?

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Junge Talahons in einem TikTok-Video
Bekannter "Talahon" auf TikTok: @talasohn alias ArabermitseitenscheitelBild: @talasohn/TikTok

Der Begriff hat es in die Musik-Charts geschafft, er hat die Modebranche inspiriert und er regt politische Debatten an. Nun steht "Talahon" (vom arabischen "Tahal lahon"/ übersetzt: "Komm her") in der engeren Auswahl für das "Jugendwort des Jahres". Auch die beiden Begriffe "Aura" und "Schere" haben es in die engere Auswahl geschafft, wie der Langenscheidt Verlag in Stuttgart mitteilt.

Das Wort "Talahon" bezeichnet vor allem junge Männer, die gefälschte Luxusklamotten tragen, mit Bauchtasche, Trainingshose und Goldkette durch Innenstädte laufen und dabei ausladende Boxbewegungen machen. Dabei filmen sie sich mit dem Smartphone und laden die Videos bei TikTok hoch. Häufig sind es Männer mit Migrationshintergrund, die das TiKTok-Video als Bühne nutzen. "Underdogs inszenieren sich als coole Underdogs", sagt Susanne Schröter, Ethnologie-Professorin an der Goethe-Universität Frankfurt am Main im DW-Interview.

"Es geht um Selbstinszenierung", sagt auch der Schweizer Psychologe und Psychotherapeut Lothar Janssen, der viel mit Jugendlichen arbeitet, auch an Schulen. "Wenn einer das geschafft hat und andere liken das, dann bist du der King, dann hast Du Fame. Dann wird nachproduziert." Wer Fame - sprich: Aufmerksamkeit - hat, kommt unter Gleichgesinnten in der Peergroup gut an. "Die Sozialen Medien wirken dann noch wie ein Brandbeschleuniger", erklärt Janssen.

Talahons als Feindbild der Rechten

Tatsächlich erscheint Talahon als ein Phänomen zwischen Rassismus, Ressentiment und Selbstironie. Es berührt die Migrationsdebatte in Deutschland und gilt manchen als Ausdruck von Jugendkultur. Manche der Talahons gelten als gewaltbereit und sexistisch. Die "Bild"-Zeitung etwa spricht von einem "widerlichen TikTok-Trend". Der Westdeutsche Rundfunk, ein großer überregionaler Sender in Deutschland, konstatierte, einige Äußerungen der jungen Männer reproduzierten ein problematisches Frauenbild: "Eine (brauchst) du zum Kochen, eine zum Putzen".

Die rechtspopulistische Partei Alternative für Deutschland (AfD) hat die Talahons als Feindbild ausgemacht und fordert die Ausweisung junger arabischstämmiger Männer. Mit "Talahon", so viel steht bereits fest, hat der Langenscheidt-Verlag in diesem Jahr einen echten Treffer gelandet. Das Lied "Verknallt in einen Talahon" des österreichischen Musikproduzenten Butterbro etwa schaffte es als erster KI-generierte Song in die deutschen Charts.

Über das "Jugendwort" wird online abgestimmt

Unter die Top-3 der Jugendwörter kamen auch "Aura" und "Schere". Wer als besonders cool gilt, hat viel "Aura", erläutert die Sprachjury des Verlags. Der Begriff wird - oft auch scherzhaft - genutzt, wenn es um die persönliche Ausstrahlung oder den Status geht. Und die neue Bedeutung des Wortes "Schere" oder "Schere heben" stammt vom Online-Spielen und aus der Streaming-Szene. Wer es benutzt, gesteht einen Fehler oder seine Niederlage ein. Dann "hebt man die Schere".

Blick auf einen Handy-Screen: Das Wort "goofy"  mit drei Smilies
Goofy war das Jugendwort des Jahres 2023Bild: Carla Benkö/dpa/picture alliance

Ursprünglich gab es zehn Kandidaten für das Jugendwort des Jahres. Geblieben sind drei. Das Siegerwort wird durch ein Online-Voting über die Website "jugendwort.de" ermittelt. Abstimmen dürfen junge Menschen zwischen 11 und 20 Jahren. Am 19. Oktober soll es live auf der Frankfurter Buchmesse verkündet werden. In die Abstimmung fließen nach Verlagsangaben Begriffe ein, die zum regelmäßigen Sprachgebrauch Jugendlicher und junger Erwachsener gehören.

Mit «Gammelfleischparty» fing alles an

Das deutsche "Jugendwort des Jahres" gibt es seit 2008. Damals wurde "Gammelfleischparty" als Synonym für eine Ü-30-Party gekürt, also für Menschen jenseits der 30 Jahren. Im vergangenen Jahr hatte "goofy» das Rennen gemacht. Es beschreibt eine tollpatschige, alberne Person oder Verhaltensweise. Ob die Wahl des Jugendworts wirklich Rückschlüsse auf die Sprache der jungen Generation zulässt, bezweifeln viele. Häufig heißt es, die Gewinnerwörter seien unter Jugendlichen gar nicht gängig. Der Verlag hält dagegen, die Begriffe seien online von mehr als 100.000 Jugendlichen vorgeschlagen und von einer Sprachjury auf ihre Verbreitung in den Sozialen Medien geprüft worden.  Aussortiert habe man lediglich rassistische, diskriminierende oder sexistische Begriffe.