Windernte auf der Nordsee
18. November 2009Mehr als 6 Prozent des Stroms, den die Deutschen verbrauchen, wird inzwischen mit Wind erzeugt. Allerdings wird es zunehmend schwieriger, an Land noch geeignete Flächen für neue Windparks zu finden. Anders sieht es im Meer aus: Dort gibt es riesige Gebiete ganz ohne Windräder - dabei weht gerade hier der Wind regelmäßiger und stärker. Eine verlockende Perspektive, sollte man meinen.
Aber: "Man kann Onshore nicht mit Offshore vergleichen", sagt Andreas Kölling von der Firma Bard. Wellen und Wind zerren an den Fundamenten und den Windrädern. Das Salz droht die Konstruktionen schneller verrosten zu lassen. Zudem sind sowohl der Aufbau der Windräder als auch Wartung und Reparaturen wesentlich schwieriger.
So gibt es bislang hauptsächlich Windkraftanlagen an Land oder in flacheren Gewässern. Denn viele der in den vergangenen Jahren geplanten Windparks im tieferen Meer scheiterten an technischen Gegebenheiten. Das Risiko und die Kosten galten einfach als zu hoch. Diese Woche wurde ein Pilotprojekt der Energieversorger EWE, E.on und Vattenfall in 30 Meter tiefen Wasser fertiggestellt. Mit den aufgestellten 12 Windrädern sollen Erfahrungen für Offshore Windparks gesammelt werden. Einen Schritt weiter ist die Firma Bard.
Weltweiter Vorreiter
Das Familienunternehmen Bard ist das erste weltweit, das in Wassertiefen von bis zu 40 Metern Windräder betreiben kann. Im September hat die Firma mit den Arbeiten 100 km nordwestlich der Insel Borkum begonnen. Erstmal wurde das Gebiet des künftigen Windparks für den Schiffverkehr mit Bojen markiert. Der weitere Zeitplan ist ehrgeizig: Bis Ende 2010 sollen alle 80 Windräder des ersten Windparks Bard Offshore 1 Strom auf das Festland liefern. Insgesamt 400 Megawatt - das ist genug für 400.000 Haushalte im Jahr.
Dieser Windpark von Bard ist aber nur der Anfang. Zwölf andere sind bei der Firma bereits in Planung und zum Teil auch schon genehmigt. Wirtschaftlich betreiben lassen sich diese Parks nur, weil die deutsche Regierung im Erneuerbare-Energien-Gesetz dem Betreiber 15 Cent pro Kilowattstunde garantiert. Damit möchte sie Anreize geben für weitere Projekte - genauer gesagt sollen bis zum Jahr 2030 auf dem Meer bis zu 25.000 Megawatt produziert werden. Genug Strom für 25 Millionen Haushalte.
Offshore-Technologie weltweit gefragt
Aber nicht nur in Deutschland, auch in anderen Ländern will man die Stromversorgung aus erneuerbaren Energien ausbauen. Es habe bereits Gespräche mit Vertretern aus den Benelux-Staaten gegeben, erzählt Kölling. "Wir haben großes Interesse für unsere Anlagen in Fernost und auch im Mittleren Osten gefunden - überall wo sich Offshore anbietet". Gerade im ostasiatischen Raum seien sehr große Projekte im Gigawattbereich geplant. Und Bard sei langfristig durchaus bereit, seinen Standort international auszubauen. "Da muss man sicherlich drüber nachdenken, die Fertigung an Ort und Stelle vorzunehmen", sagt Kölling.
Alles Wesentliche wird selbst produziert
Als Arngold Bekker - ein Neuling im Bereich Windenergie - das Unternehmen Bard gründete, plante er erst ein reines Projektierungsbüro für Offshore-Windkraft. Wie es einem Vorreiter so gehen kann, stand Bekker aber bald vor dem Problem, dass es keine geeigneten Anbieter für die benötigten Komponenten gab. Also beschloss er, alles Wesentliche selber herzustellen: die dreibeinigen Stützpfeiler, die 30 Meter tief in den Meeresboden gerammt werden. Die Gondeln, die auf dem 90 Meter hohen Turm sitzen, und die 60 Meter langen Flügel der Windräder - Hightech in übergroßen Dimensionen und gleichzeitig millimetergenaue Präzisionsarbeit.
Auch spezielle Schiffe mussten gekauft werden, die auf hoher See die Windräder montieren. Weltweit gäbe es nur fünf oder sechs Kranschiffe, die solche Strukturen bewegen können, erzählt Kölling, und die sind natürlich sehr gefragt. "Und wenn sie dieses gebuchte Zeitfenster nicht nutzen können, weil der Wind stark ist, dann haben sie bezahlt, aber nicht ein Windrad aufgestellt." Aber nicht nur Windräder werden in dem Park installiert - um Reparaturen und Wartungen zügig durchführen zu können, wird es im Meer eine Wohn- und Umspannplattform geben, auf der permanent Monteure wohnen und arbeiten. Diese Plattform wird zurzeit gerade vom irischen Belfast über den Kanal transportiert und Ende November in Deutschland erwartet.
Knackpunkt: Logistik
Entscheidend für derartige Projekte ist die Logistik, so Kölling. Bauteile, Mitarbeiter, Zulieferer – alles muss miteinander koordiniert werden. Und das alles wird von Emden aus gesteuert – genauer gesagt in der Leitzentrale, dem Hirn des Windparks. Gegenüber von zwölf Computer-Arbeitsplätzen befinden sich riesige Bildschirme an der Wand. Sie zeigen alle technischen Daten der Windräder sowie der Leitungen zwischen Windrädern, der Umspannplattform und dem Festland.
"Wir werden in der Bauphase hier die gesamte Baulogistik steuern", erklärt Kölling. Eine Software bündelt alle Daten und stellt auf einen Blick, nämlich in Form einer rot, gelb oder grün geschalteten Ampel, genau die Phasen da, in denen bestimmte Arbeiten gemacht werden können. "Das heißt also, wann ist die Wetterlage so, dass wir beispielsweise Fundamente setzen können, wann wir Rotorsterne montieren können." Später wenn der Wald aus Windrädern steht, wird man in der Leitzentrale einen Überblick über die Leistung jedes einzelnen Windrades und über die Stromerzeugung des gesamten Parks haben. "Diese Leitzentrale ist europaweit, wenn nicht gar weltweit wirklich die modernste in diesem Bereich," schwärmt Kölling.
Durch das Fenster fällt der Blick auf riesige Gondeln, so groß wie Einfamilienhäuser, die auf ihren Transport ins Meer warten. Während Andreas Kölling noch erzählt, werden draußen Rotorblätter auf ein Schiff verladen. Ihr Ziel: Eemshaven in den Niederlanden. Dort werden jeweils drei zu einem Rotorstern mit einem Durchmesser von 122 Metern montiert. Dieses riesige Gebilde wird dann mit Pontons aufs Meer gebracht, um sie dort auf den Windradturm zu hieven – wenn denn das Wetter mitspielt und die Ampel auf grün steht.
Autorin: Insa Wrede
Redaktion: Rolf Wenkel