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Wiens Rechtspopulisten hoffen auf Sieg

Alison Langley / kk10. Oktober 2015

In Wien wird an diesem Sonntag ein neuer Bürgermeister gewählt. Der Wahlkampf drehte sich vor allem um die Flüchtlingskrise - das könnte die rechtspopulistische FPÖ zur stärksten Partei machen. Aus Wien Alison Langley.

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Österreich, Kundgebung der FPÖ in Wien mit Heinz-Christian Strache, 08.10.2015 (Foto: picture alliance)
Bild: picture-alliance/H. Oczeret

Seit 70 Jahren sind in Wien die Sozialdemokraten an der Macht. Das könnte sich nun angesichts hunderttausender ins und durchs Land reisender Flüchtlinge ändern. Einiges lässt vermuten, dass die gewaltige Migrationsbewegung der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) an diesem Sonntag weitere Stimmen bescheren wird.

Seit dem Zweiten Weltkrieg haben die Sozialdemokraten Wahl um Wahl gewonnen. Der derzeitige Bürgermeister der Stadt, Michael Häupl, ist seit 1994 im Amt. Die steigende Zahl von Migranten aus dem Nahen Osten könnte den Niedergang des "Roten Wien" nun zwar beschleunigen. Tatsächlich aber bröckelt die Macht der Wiener Sozialdemokraten seit Jahren.

"Die Stadtverschuldung ist so hoch wie nie zuvor", sagt Heinz-Christian Strache, der Vorsitzende der FPÖ, und legt nach: "Höchste Steuerbelastung, höchste Arbeitslosigkeit, und jetzt die Flüchtlinge. Dass ist das Ergebnis von 20 Jahren Häupl."

Wiener Bürgermeister Michael Häupl, 07.10.2015 (Foto: APA)
Seit über 20 Jahren im Amt: Wiens Bürgermeister Michael HäuplBild: picture-alliance/H. Neubauer

Flüchtlingspolitik polarisiert

Nun, da auch Wien zu einer Anlaufstelle für Flüchtlinge geworden ist, ist die Wählerschaft geteilt. Einige, meist junge Wiener heißen die Ankömmlinge weiterhin willkommen. An den beiden Bahnhöfen, an denen sie sich sammeln, versorgen die Freiwilligen sie mit Nahrung und Kleidung und schenken ihnen Zeit, Geld und SIM-Karten.

Andere Bürger hingegen sind vor allem besorgt. Sie fragen sich, wie die Stadt den Flüchtlingsandrang bewältigen kann und wie es um die Zukunft der Schulen, Immobilienpreise und Sozialleistungen steht.

Auch die hohe Zahl der Flüchtlinge bereitet ihnen Unbehagen. Beide Bahnhöfe sind überfüllt von nach Deutschland reisenden Flüchtlingen - das erschwert auch den Österreichern das Reisen. Die Hauptstadt erwartet in diesem Jahr 12.000 Asylsuchende. "Wir können nicht alle, aber viele Probleme lösen", sagte Häupl in einer Fernsehdebatte.

Anhänger der FPÖ auf einer Kundgebung, 08.10.2015 (Foto: AP)
Haben ihre Wahlentscheidung bereits getroffen: Anhänger der FPÖBild: picture-alliance/AP Photo/R. Zak

Wahlkampf gegen "Islamisierung"

Die Zahl der Flüchtlinge beträgt zwar gerade mal ein halbes Prozent der Gesamtbevölkerung. Trotzdem stellt die FPÖ die Flüchtlingsproblematik ins Zentrum ihres Wahlkampfs. So hat Strache die österreichische Regierung aufgefordert, einen Grenzzaun zu bauen, um Asylsuchende draußen zu halten. Das Land drohe seine Kultur und Religion zu verlieren, erklärt er.

"Sicherheit für unsere Bürger statt offener Grenzen für Kriminelle", steht auf einem der FPÖ-Wahlplakate. Strache verspricht, jede Stimme für seine Partei sei eine Stimme gegen die "Islamisierung" der österreichischen Kultur. "Wir haben eine christliche Kultur, und wollen diese auch für unsere Kinder erhalten."

Während der Abschlusskundgebung der FPÖ am zentral gelegenen Stephansplatz läuteten die Glocken der Kathedrale sieben Mal. Strache hielt inne. "Die Glocken sind wunderbar. Genießen wir sie", rief er unter donnerndem Applaus.

Solche Botschaften verfangen. Laut Umfragen haben sich die Rechtspopulisten direkt an die Fersen der Sozialdemokraten geheftet. Laut einer von der Zeitung "Kurier" in Auftrag gegebenen Umfrage kommen die Sozialdemokraten auf 37 bis 38 Prozent der Stimmen. Die FPÖ könnte einen Anteil von 33 bis 34 Prozent erreichen.

Flüchtlinge auf dem Westbahnhof Wien, 13.09.2015 (Foto: Reuters)
Zentrales Wahlkampfthema: die Flüchtlinge - hier am Wiener WestbahnhofBild: Reuters/H.-P. Bader

Stagnierende Wirtschaft

So spielt die Flüchtlingskrise der Freiheitlichen Partei und ihrem Führer Heinz-Christian Strache in die Hände - und zwar just zu dem Zeitpunkt, zu dem europäische Politiker wie Angela Merkel und François Hollande daran arbeiten, für die Flüchtlinge aus dem kriegsgeplagten Syrien eine gemeinsame Lösung zu finden.

Florian Perlot, Politikwissenschaftler am Wiener Institut für Strategieanalysen, weist darauf hin, dass auch Häupls Sozialdemokraten Teil der nationalen Regierungskoalition sind. Diese hat durch ihren Umgang mit der Flüchtlingskrise stark an Popularität verloren. So könnte das Ergebnis der Wiener Wahl ein Vorbote für den Ausgang der Wahlen auch in anderen europäischen Ländern sein.

Doch die Flüchtlingsfrage ist nicht das einzige Thema, das den Wienern auf den Nägeln brennt. Wirtschaftlich stagniert die Stadt. Mit rund 8,5 Prozent hat Wien die höchste Arbeitslosenquote des gesamten Landes. Die Löhne steigen nicht. Das bekommen vor allem jene Menschen zu spüren, die der FPÖ ihre Stimmen geben. Ungelernte Arbeiter aus Osteuropa, die oftmals kein Deutsch sprechen, tragen dazu bei, dass die Löhne niedrig bleiben. Vor diesem Hintergrund verfängt das Versprechen, künftig gegen den Zuzug weiterer Migranten zu kämpfen, bei den Anhängern der FPÖ.

Wachsende Herausforderungen

Auch demographisch steht Wien vor erheblichen Herausforderungen. Stadtplaner erwarten, dass die Bevölkerung von bisher 1,8 Millionen Einwohnern bis zum Jahr 2020 die Schwelle zu zwei Millionen überschreiten wird. Auf dem Wohnungsmarkt übersteigt die Nachfrage das Angebot. Nicht zuletzt aufgrund der niedrigen Zinsen sind die Immobilienpreise seit 2005 in einigen Bezirken um bis zu zehn Prozent jährlich gestiegen.

Wie es um die politische Zukunft Wiens bestellt ist, wird sich am Sonntagabend zeigen. Bei einer Fernsehdebatte erklärten die Vertreter der bürgerlichen Parteien aber bereits, im Fall eines Wahlsiegs der FPÖ mit dieser nicht koalieren zu wollen.