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Wie weit ist Rumänien auf dem Weg zum EU-Beitritt?

13. August 2004

- Vor dem Rumänien-Besuch von Kanzler Schröder

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Bonn, 10.8.2004, DW-RADIO / Rumänisch, Robert Schwartz

Bundeskanzler Gerhard Schröder besucht am 12. August an der Spitze einer deutschen Wirtschaftsdelegation Rumänien. Zwei Themenkreise stehen bei den Gesprächen in Bukarest offiziell im Vordergrund: Die bilateralen Beziehungen und die EU-Erweiterung. Nach dem NATO-Beitritt im Frühling 2004 rechnet Rumänien jetzt fest mit der Unterstützung Berlins für die ab 2007 angestrebte EU-Mitgliedschaft. Wo aber steht das Land heute, drei Jahre vor dem gewünschten Beitrittsdatum? Informationen von Robert Schwartz.

Rumänien rückt der EU immer näher. Allerdings nicht in dem Tempo, das man ursprünglich erwartet hatte. Dennoch: Die EU ist nicht mehr das Licht am Ende des Tunnels, sondern eher das greifbare Ziel, das man nur verpasst hat, rechtzeitig am 1. Mai mit den anderen 10 Kandidaten zu erreichen. Jetzt müssen die Rumänen auf 2007 warten und darauf, dass die sozial-demokratische Regierung des Ministerpräsidenten Adrian Nastase auch die letzten Verhandlungskapitel mit der EU noch in diesem Jahr abschließt - im Gegensatz zu Bulgarien, dessen Beitritt in die Europäische Union auch für 2007 geplant ist, das aber alle 31 Kapitel des "acquis communautaire" bereits in diesem Sommer abgeschlossen hat.

Rumänien muss noch sechs Kapitel unter Dach und Fach bringen. Erst kürzlich hatte sich der rumänische Staatspräsident Ion Iliescu zuversichtlich gezeigt, dass sein Land die Verhandlungen mit der Europäischen Kommission bis Oktober dieses Jahres erfolgreich abschließen kann. Nicht alle rumänischen Politiker sind da so optimistisch. Da aber der EU-Gipfel in Brüssel vor zwei Monaten klar eine Mitgliedschaft für Rumänien und Bulgarien zum 1. Januar 2007 in Aussicht gestellt hat, hoffen auch die Pessimisten in Bukarest inzwischen, dass die Termine eingehalten werden. Welche dabei die Schwierigkeiten sind, erklärt Leonard Orban, Staatssekretär im rumänischen Ministerium für EU-Integration:

"Die schwierigsten Aspekte betreffen die Kapitel 'Justiz und Lokalverwaltung', 'Wettbewerb‘, 'Umwelt', 'Regionale Entwicklung', 'Freier Verkehr von Dienstleitungen' und das Kapitel 'Verschiedenes'. Es ist kein leichter Prozess. Aber wir wissen, dass die Verhandlungen mit der EU Schritt für Schritt zur Modernisierung Rumäniens führen. Ich bin überzeugt, dass wir die Fristen einhalten werden."

Es ist klar, dass Rumänien seine Hausaufgaben machen muss, um die EU-Integration 2007 nicht zu gefährden. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) hat mit Blick auf die bevorstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im November 2004 erneut darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, den Reformprozess zu beschleunigen und in der makroökonomischen Stabilisierung nicht nachzulassen. Nur so könne das Wirtschaftswachstum mittelfristig garantiert werden und die Einkommenslücke zwischen Rumänien und der EU auf Dauer verringert werden.

Rumäniens Wirtschafts-Eckdaten sehen nicht schlecht aus: Seit drei Jahren liegt das Wachstum bei 5 Prozent und wird in diesem Jahr auf 5,6 Prozent geschätzt - die größte Wachstumsrate in den letzten 20 Jahren. Die Inflation ist seit Jahren rückläufig und soll in diesem Jahr auf unter 10 Prozent nach 14,1 Prozent im Vorjahr sinken, das Haushaltsdefizit lag im letzten Jahr bei 2,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Auch im bisher nur schleppend verlaufenden Privatisierungsprozess kann Rumänien auf eine positive Wende hoffen: Die jüngste Übernahme des größten rumänischen Ölkonzerns Petrom durch die österreichische OMV - eine Investition von 1,5 Milliarden Euro - wird allgemein als Signal für weitere Privatisierungen großer rumänischer Staatsbetriebe gewertet. Die Vertreter der deutschen Wirtschaft, die den Kanzler begleiten, werden sich die Lage genau ansehen. Mit rund 2000 staatlich kontrollierten Betrieben hat Rumänien mehr zu privatisieren als die anderen zentral-europäischen ex-kommunistischen Länder zusammen.

Was erwartet Rumänien von deutschen Investoren? Dazu der rumänische Wirtschaftsexperte Ilie Serbanescu:

"Bisher haben die deutschen Konzerne sich vor Großinvestitionen gescheut und haben es vorgezogen, Verträge mit staatlichen Firmen abzuschließen, bei denen sie sicher sein konnten, ihr Geld zu bekommen. Jetzt sieht es anders aus, vor allem vor dem Hintergrund der EU-Integration Rumäniens. Die Spielregeln haben sich geändert und deshalb werden auch deutsche Investoren verstärkt nach Rumänien kommen. Es gibt klare Profitmöglichkeiten in Rumänien."

Der Kanzler-Besuch wird in Bukarest von den regierenden Sozialdemokraten nicht nur als Unterstützung zum EU-Beitritt, sondern auch als Wahlhilfe verstanden. Ende November 2004 sind Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Rumänien und die PSD des Ministerpräsidenten Adrian Nastase liegt in allen Umfragen hinter der oppositionellen liberal-demokratischen Allianz. Der Stand der Sozialdemokraten ist schwer, werden überwiegend sie für die flächendeckende Korruption verantwortlich gemacht, die bis in die Spitze der Regierung reicht. Trotz Reformen im Justizwesen sind die "großen Fische", wie sie EU-Erweiterungskommissar Günther Verheugen mehrmals in Gesprächen mit rumänischen Spitzenpolitikern genannt hat, immer noch nicht ins Netz gegangen. Doch da wird auch der EU-Beitritt des Landes keine schnelle Änderung bringen, glauben die meisten Rumänen. (lr)