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Wie Norwegen zur E-Autonation wurde

Nik Martin
8. Januar 2025

Norwegen wollte bis 2025 nur noch elektrisch betriebene Neuwagen zulassen - ein Jahrzehnt vor dem EU-Termin. Subventionen und Anreize haben dem Land geholfen, sein Ziel fast zu erreichen. Was können andere daraus lernen?

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Elektroauto Norwegen | Elektroauto Tesla Model Y
Tesla ist der Marktführer bei Elektrofahrzeugen in NorwegenBild: Michael Bihlmayer/CHROMORANGE/picture alliance

Norwegen ist zum Vorzeigemodell für den Übergang zur Elektromobilität geworden. Im vergangenen Jahr waren laut offiziellen Statistiken der Regierung fast neun von zehn verkauften Autos elektrisch.

Im Jahr 2023 - dem letzten Jahr, für das Daten verfügbar sind - lag die weltweite Verbreitung von Elektrofahrzeugen laut der Internationalen Energieagentur (IEA) bei nur 18 Prozent.

Norwegen hat sich in bemerkenswerter Weise dem Kampf gegen den Klimawandel verschrieben, angetrieben durch eine geradlinige Regierungspolitik, robuste Infrastruktur und die Unterstützung der Öffentlichkeit.

Das skandinavische Land hat sich zum Ziel gesetzt, dass bis Ende 2025 alle im Land verkauften Personenkraftwagen emissionsfrei sind - ein Jahrzehnt früher als die Europäische Union, der Norwegen nicht angehört.

Wohlhabend, kleine Bevölkerung und starke Anreize

Der Wohlstand und die Größe Norwegens haben zweifellos eine Rolle für den Erfolg von E-Autos gespielt. Das Land mit seinen 5,5 Millionen Einwohnern ist eines der reichsten Länder der Welt und verfügt über beträchtliche Ölreserven. In Europa hat nur Russland größere Lagerstätten. Diese Faktoren allein erklären aber noch nicht den Erfolg bei der Mobilitätswende in Norwegen.

Robbie Andrew, leitender Wissenschaftler am Osloer CICERO-Zentrum für internationale Klimaforschung, ist der Ansicht, dass Norwegens frühes Engagement für die Entwicklung von Elektrofahrzeugen im eigenen Land ein entscheidender Faktor war.

"In den 1990er Jahren bemühte sich Norwegen, ein Unternehmen zur Herstellung von Elektrofahrzeugen zu gründen", sagt Andrew gegenüber der DW und weist darauf hin, dass das Fehlen einer starken einheimischen Autolobby diese Initiativen begünstigte.

Obwohl die ersten Versuche zur Herstellung von E-Autos nur einen begrenzten kommerziellen Erfolg hatten, - es wurden nur ein paar tausend Fahrzeuge verkauft - förderten sie das öffentliche Bewusstsein und die Akzeptanz der Elektromobilität. Dies ebnete den Weg für die weit verbreitete Einführung batteriebetriebener Autos von globalen Herstellern wie Tesla und Volkswagen.

Ford-Chef Jacques Nasser posiert vor dem norwegischen E-Auto-Modell THINK (1999)
In den 1990er Jahren versuchte Norwegen eigene E-Auto zu produzierenBild: Jeff Kowalsky/dpa/picture-alliance

Steuererleichterungen und andere Anreize

Unterstützende staatliche Maßnahmen haben zweifelsohne dazu beigetragen, den Übergang zu Elektrofahrzeugen zu erleichtern. Norwegen erhebt keine Mehrwertsteuer oder Einfuhrzölle auf E-Fahrzeuge, die zwischen einem Drittel und fast der Hälfte der Kosten eines Neuwagens ausmachen können.

E-Autos waren auch von Maut- und Parkgebühren befreit. Sie konnten sogar die Busspuren im Großraum der Hauptstadt Oslo nutzen.

Einkommensstärkere Gruppen profitierten am meisten von den Steuererleichterungen, und das neu gekaufte Elektroauto war oft ein Zweitwagen für die Familie.

Seit die Regierung das Ziel für die Einführung von E-Autos im Jahr 2025 fast erreicht hat, hat sie kürzlich einige dieser Anreize zurückgenommen. Die Mehrwertsteuer wird nun teilweise auf große und luxuriöse Elektrofahrzeuge erhoben, die mehr als 500.000 Kronen (44.200 US-Dollar, 42.500 Euro) kosten. Autofahrer aus einkommensschwachen Schichten profitieren nach wie vor von vielen der Anreize und auch von den sinkenden Preisen für Elektrofahrzeuge.

Bjorne Grimsrud, Direktor des in Oslo ansässigen Verkehrsforschungszentrums TOI, hält die staatlichen Anreize für "sehr kostspielig", aber angesichts des Reichtums Norwegens und dem Wunsch, bis 2050 klimaneutral zu sein, für erschwinglich.

"Früher hat die Regierung jährlich 75 Milliarden Kronen aus Steuern und Mautgebühren für Autos eingenommen, aber diese Summe wurde halbiert", so Grimsrud gegenüber DW.

Subventionskürzungen bremsen E-Autos anderswo aus

Anderen Ländern, darunter auch Deutschland, wird vorgeworfen, ihre Klimaschutzziele zu vernachlässigen, indem sie staatliche Zuschüsse für neue Elektrofahrzeuge kürzen oder streichen, lange bevor die Ziele erreicht sind. Anfang Januar teilte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) mit, dass im Jahr 2024 in Deutschland, dem größten europäischen Automarkt, 27,4 Prozent weniger Elektrofahrzeuge zugelassen wurden als im Vorjahr.

Diese Entscheidungen müssen überdacht werden, wenn Deutschland, ein wichtiger Hersteller von Elektrofahrzeugen, sein Ziel erreichen will, bis 2030 15 Millionen Elektrofahrzeuge auf die Straße zu bringen.

Vorrang für die Wallbox in Norwegen 

Ein weiterer Vorteil Norwegens ist das Stromnetz - eines der umweltfreundlichsten und robustesten der Welt. Mehr als 90 Prozent der norwegischen Stromproduktion stammt aus Wasserkraft, die in der Regel einen Überschuss an Energie produziert, was das Aufladen von E-Auto zu Hause erleichtert.

"Während anderswo in Europa der Zugang zum Stromnetz eine Herausforderung sein kann, können die meisten Norweger ihr Elektroauto zu Hause aufladen (und nicht an öffentlichen Ladestationen, Anm. d. Red.)", so Grimsrud.

Eine Umfrage des norwegischen Elektrofahrzeug-Verbandes aus dem Jahr 2022 ergab, dass etwa drei Viertel der Besitzer von E-Autos in Einfamilienhäusern leben, was die Installation von Heimladestationen, so genannten Wallboxen, erleichtert. Einem Bericht des Londoner Beratungsunternehmens LCP zufolge werden 82 Prozent der E-Autos in Norwegen zu Hause aufgeladen, obwohl diese Zahl in städtischen Gebieten niedriger ist.

"Die flächendeckende Verbreitung von Ladestationen der Stufe 1 in Norwegen hat wahrscheinlich einen viel größeren Einfluss (auf die Akzeptanz von E-Fahrzeugen, Anm. d. Red.)", erklärt Lance Noel vom Center for Sustainable Energy in San Diego gegenüber der DW. Level-1-Ladestationen sind Ladestationen mit geringerer Leistung, die in Haushalten, Unternehmen und Schulen eingesetzt werden.

Noel betont, dass andere Länder gut daran täten, "über billigere und sichtbarere Wege nachzudenken, um E-Autos in die Gesellschaft zu integrieren", anstatt sich auf eine schnellere, öffentliche Ladeinfrastruktur, bekannt als Level 2 und 3, zu konzentrieren.

Elektroauto Norwegen | Ladestation in Oslo
Neben öffentlichen Ladestationen gibt es in Norwegen in großer Zahl Privathaushalte mit Wallbox Bild: Zhang Yuliang/Xinhua News Agency/picture alliance

Trump und das Erfolgsmodell Norwegens

Nach der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus befürchten viele Amerikaner, dass Joe Bidens Förderpolitik für E-Fahrzeuge beendet und Trump alles andere als das norwegische Erfolgsmodell kopieren wird.

Der designierte Präsident hat angekündigt, Steuergutschriften von bis zu 7500 Dollar (7230 Euro) für den Kauf von E-Autos zu streichen und neue Zölle auf Fahrzeuge ausländischer Hersteller zu erheben, was zu höheren Preisen führen könnte. Mehrere US-Bundesstaaten planen ebenfalls, ihre eigenen Anreize für Elektrofahrzeuge zu kürzen. Und das, obwohl der US-Branchendienstleister Cox Automotive prognostiziert hatte, dass der Anteil von E-Fahrzeugen in den USA 2024 nur auf acht Prozent kommen würde.

Auch in den USA hat sich der Absatz von E-Fahrzeugen in den letzten Monaten verlangsamt: Vielen Kunden sind sie zu teuer und in vielen Regionen fehlt die Ladeinfrastruktur. Vor kurzem meldete Tesla sogar den ersten Absatzrückgang seit über einem Jahrzehnt.

Für Lance Noel, der die Einführung von E-Fahrzeugen in den skandinavischen Ländern erforscht hat, ist es keine Überraschung, dass die Länder, die am meisten in die Elektromobilität investieren, auch am meisten davon profitieren. "Vielleicht werden die Länder, die am meisten damit zu kämpfen haben, das wiederholen, was Norwegen getan hat", unterstreicht der Experte aus San Diego. Dafür müsse man aber wie in Norwegen den politischen Willen aufbringen und eine starke und klare Linie verfolgen.

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert