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Wie lange bleibt Chodorkowski in Berlin?

Kay-Alexander Scholz (mit Agenturen)21. Dezember 2013

Am Sonntag will Michail Chodorkowski in Berlin vor die Presse treten. Die Politikerin Marieluise Beck konnte ihn bereits treffen. Spannung herrscht darüber, wie der "Triumph der deutschen Geheimdiplomatie" weitergeht.

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Michail Chodorkowski Marieluise Beck am Samstag in Berlin (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Den zweiten Tag seines Deutschlandaufenthalts widmete Michail Chodorkowski, wie angekündigt, zunächst ganz der Familie. Seine Mutter Marina und sein Vater Boris landeten mit einer Linienmaschine aus Moskau und fuhren dann ins Hotel "Adlon", wo sich Chodorkowski aufhält. Direkt vor dem Hotel-Eingang warteten viele Journalisten mit Kameras und Mikrofonen. Einige Meter weiter auf dem Mittelstreifen versammelten sich viele Schaulustige.

Zu sehen bekamen sie allein den erwachsenen Sohn Chodorkowskis aus erster Ehe, der in New York lebt. Es ginge seinem Vater gut, rief er den Journalisten zu. "Meine Familie ist endlich wieder vereint." Mehr werde er, sein Vater, am Sonntag selber sagen.

Chodorkowski Sohn Pawel vor dem Hotel "Adlon" (Foto: Reuters)
Chodorkowski Sohn Pawel: "Meine Familie ist endlich wieder vereint"Bild: Reuters

Pressekonferenz am Sonntagmittag

Gegen Sonntagmittag (13 Uhr) hat der 50-jährige Chodorkowski zu einer internationalen Pressekonferenz eingeladen. Er wird dann erstmals nach seiner Freilassung vor die Öffentlichkeit treten und wohl über seine Zukunftspläne sprechen. Offen ist, wie lange Chodorkowski in Deutschland bleiben will. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes bekam Chodorkowski ein Visum für ein Jahr. Seine Frau und die gemeinsamen Kinder leben in der Schweiz. Mehrere TV-Sender wollen die Pressekonferenz live übertragen, auch nach Russland, wo die Freilassung bisher kaum von den Medien aufgegriffen wurde. Ganz im Gegenteil zu Deutschland, wo das Thema die Schlagzeilen beherrscht.

Chodorkowski hat sich einen symbolischen Ort für die Pressekonferenz ausgesucht: das Mauermuseum am Checkpoint Charlie, dem ehemaligen Grenzübergang zwischen Ost- und Westberlin, einer Nahtstelle des Kalten Krieges. Der Ort sei recht logisch gewählt, sagte Nikita Jolkver vom russischen Programm der Deutschen Welle auf DW-TV. Die Leiterin des Mauermuseums, Alexandra Hildebrandt, habe "sehr aktiv Chodorkowski und seine Familie unterstützt". Es gab Ausstellungen über Chodorkowski und den Prozess gegen den ehemaligen Oligarchen. Seiner Einschätzung nach, so Jolkver weiter, werde sich Chodorkowski politisch am Anfang erst einmal zurückhalten.

"Triumph der deutschen Geheimdiplomatie"

Der Russland-Experte Alexander Rahr sagte "Spiegel-Online", der Erfolg von Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher zeige, "dass Deutschland in Moskau noch über Kanäle verfügt, die Briten oder Amerikaner nicht haben". Die Freilassung des Kreml-Kritikers sei ein "Triumph der deutschen Geheimdiplomatie", so Rahr. Genscher habe sich zweieinhalb Jahre für die Freilassung eingesetzt.

Genscher vor dem Berliner Hotel Adlon (Foto: dpa)
Hans-Dietrich Genscher will sich von nun an zurückhaltenBild: picture alliance/dpa

Auf die Frage, welche Folgen der Fall Chodorkowski für die deutsch-russischen Beziehungen habe, sagte der derzeitige Russland-Beauftragte der Bundesregierung Andreas Schockenhoff im Interview mit der Deutschen Welle: "Das können wir überhaupt nicht absehen. Für uns ist wichtig, dass wir gegenüber Russland eine Politik der ausgestreckten Hand haben - aber auch innere Missstände offen ansprechen." Schockenhoff erinnerte daran, dass es in Russland noch zahlreiche Fälle gibt, bei denen die Richter nicht unabhängig entscheiden würden. Das sei eine Frage der Rechtsordnung in Russland und müsse deshalb im Dialog mit Russland offen angesprochen werden. Im Fall Chodorkowski könne eine Begnadigung natürlich ein faires Verfahren nicht ersetzen. Seine Verurteilung habe gegen grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen.

"Unabhängig davon, was die Motive waren, es sind gute Entscheidungen, die in Moskau in den letzten Tagen gefallen sind", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier dem "Tagesspiegel am Sonntag". Chodorkowski sei schon frei, und Tausende Gefangene kämen infolge der jüngsten Amnestie bald auf freien Fuß. Das sei eine "anständige Grundlage für weitere Gespräche" mit Russland, sagte Steinmeier.

"Ein überaus klarer Kopf - wie immer"

Am Nachmittag fand dann im "Adlon" doch noch ein nicht-familiäres Treffen statt. Chodorkowski traf die Sprecherin für Osteuropapolitik der Grünen im Bundestag, Marieluise Beck. "Eine Rückkehr nach Russland steht nicht auf der Tagesordnung", sagte Beck nach dem einstündigen Treffen. Chodorkowski sei in körperlich guter Verfassung und habe "einen überaus klaren Kopf - wie immer". Beide hätten aber auch besprochen, dass Chodorkowskis wichtigster Weggefährte und Geschäftspartner Platon Lebedew nicht freigelassen sei. Die Begnadigung Chodorkowskis verändere noch nicht die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin, sagte Beck.