Wie kriegt man das alte Smartphone wieder flott?
17. April 2022Die Menge aller kaputten Displays würde bei ihr ungefähr in einen Umzugskarton passen, behauptet die hessische Firma Shift, Hersteller eines Shiftphone genannten Smartphones. Sie führte als erste 2016 einen Gerätepfand ein. Gebrauchte Geräte sammelt sie wieder ein und zahlt nach eigenen Angaben neben dem Pfand auch den Restwert.
Ziel ist, die in die Jahre gekommenen Smartphones wiederaufzubereiten oder zumindest alle noch brauchbaren Teile zu identifizieren und weiter zu nutzen. Komponenten, die wirklich nicht zu retten sind, siehe die kaputten Displays, gebe es sehr wenig. Voraussetzung sei jedoch der vollmodulare Aufbau der Shiftphones: Jedes Bauteil lässt sich austauschen.
Zauberwort Modularisierung
Marina Proske und Karsten Schischke vom Fraunhofer Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) untersuchen in verschiedenen Projekten, wie sich der Lebenszyklus mobiler Elektronikgeräte verlängern lässt und haben dabei auch mit Shift kooperiert. Modularisierung, wie bei PCs schon lange üblich, sehen sie als einen Faktor für die bessere Reparierbarkeit von Smartphones und Tablets.
"Bei Shift lassen sich auch ganz kleine Teile einzeln ausbauen: Das macht die Reparatur sehr kostengünstig, wenn man an die entsprechenden Ersatzteile kommt", sagt Proske. "Gerade bei professionellen Reparaturen ist Zeit ein relevanter Kostenfaktor. Deshalb ist es von Bedeutung, wie die Komponenten angeordnet sind. Bei vielen Telefonen muss man erst viele andere Bauteile ausbauen, um an die eine kaputte Komponente heranzukommen." Die Expertin regt an, den Zugang über mehrere Wege zu ermöglichen.
Nicht-reparierbare Geräte dürfen nicht mehr auf den Markt
Akkus und Displays sind die Bauteile, die am häufigsten vorzeitig versagen. Sie auszutauschen müsse so einfach sein, dass es auch Laien hinbekommen, meint Proske. Ein Knackpunkt sei nämlich, dass manche Kunden um ihre Daten fürchten, wenn sie ihr Gerät den Profis überlassen. "Die Geräte kommen gelöscht zurück. Für diese Personen ist deshalb die Reparatur zu Hause oder vor Ort besser." Die bessere Reparierbarkeit kann allerdings die Wasser- und Staubdichtigkeit des Gehäuses oder die Möglichkeit, kabellos zu laden, beeinträchtigen.
Die Erkenntnisse des Instituts fließen auch in die europäische Gesetzgebung ein. Die EU-Kommission arbeitet an entsprechenden Verordnungen für Smartphones und Tablets: Diese werden zum ersten Mal Anforderungen an das Produktdesign, die Verfügbarkeit von Ersatzteilen, die Batterielaufzeit und andere Maßnahmen beinhalten, die die Nutzungsdauer verlängern sollen. Schischke: "Das Minimum ist, keine nicht-reparierbare Geräte mehr auf den Markt zu bringen."
Ein Reparaturlabel ähnlich dem bekannten Energielabel würde dem Käufer als Orientierung dienen, welche Produkte sich vom Mindestniveau abheben - auf verschiedenen Levels.
Ist die Bewertung streng genug?
Frankreich hat einen ähnlichen Index Anfang 2021 für Fernseher, Smartphones, Laptops, Waschmaschinen und Rasenmäher eingeführt. Die Hersteller selbst zeichnen ihre Produkte mit einer Punktzahl zwischen 1 und 10 aus. Die Verbraucherschutzorganisation HOP (Halte à l`Obsolescene Programmée) hat die Erfahrungen mit dem Index ein Jahr später untersucht und festgestellt, dass über die Hälfte der Bevölkerung ihn bereits kenne und bei einer Kaufentscheidung berücksichtige.
"Einige Hersteller und Händler haben wichtige Ressourcen mobilisiert, um die Erstellung und Anzeige des Reparierbarkeitsindexes zu ermöglichen. Sie stellen z.B. mehr Reparaturunterlagen zur Verfügung oder bieten die Möglichkeit, Ersatzteile einfacher zu bestellen", teilt HOP mit.
Produkte mit einem niedrigen Index seien jedoch selten: Das bedeute, dass entweder das meiste gut reparierbar oder das derzeitige Raster nicht streng genug sei. Weil mehrere Aspekte in die Punktzahl einfließen, kann sie hoch ausfallen, obwohl ein einzelnes Kriterium wie die schwierige Demontage eine Reparatur in der Praxis unmöglich macht.
Laut HOP gebe es z.B. für die untersuchten Apple- und Samsung-Telefone gute oder sogar sehr gute Gesamtwerte: "Allerdings wurde die Demontage von allen drei Geräten durch verschweißte oder verklebte Bauteile stark behindert." Für mehr Transparenz schlagen die Verbraucherschützer vor, die detaillierte Berechnung der jeweiligen Werte zu veröffentlichen: etwa wie lange Ersatzteile verfügbar sind und zu welchem Preis.
Die Instandsetzung soll keine kostspielige Ausnahme mehr, sondern die Regel sein, verlangt der Runde Tisch Reparatur, ein Zusammenschluss von Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen und Handwerk in Deutschland. Die Reparaturkosten gehörten gesenkt: entweder durch eine reduzierte Mehrwertsteuer oder einen Reparaturbonus, verlangen die Unterzeichner eines Forderungspapiers von der Bundesregierung. Als Vorbild gilt Thüringen, das als bisher einziges Bundesland für Elektrogeräte einen 50prozentigen Zuschuss bis zu 100 Euro im Jahr vergibt.
Reparateure gehören auf die bekannten Shoppingmeilen
"Dafür brauchen die Bürgerinnen und Bürger Anbieter von Reparaturdienstleistungen in ihrem Lebensumfeld, denen sie vertrauen", sagt Jonathan Schött vom Runden Tisch Reparatur. Für Handwerker lohne sich derzeit jedoch kaum ein Einstieg in diesen Markt, viele alteingesessene Betriebe fänden keinen Nachfolger. Das Ersatzteil- und Softwaremonopol der Hersteller sowie der fehlende Zugriff auf technische Unterlagen, Schaltpläne oder Fehlercodes erschwerten die Wirtschaftlichkeit der Reparatur-Werkstätten.
Menschen haben also kaum noch die Chance zu erleben, wie man kaputte Technik auseinandernimmt und wieder flott kriegt. Das will eine Kampagne der Umweltschutz-Organisation Greenpeace nun ändern. "Ein Zehntel der Verkaufsflächen in Deutschland sollten bis 2030 für Alternativen zum Neukauf bereitgestellt werden", sagt Viola Wohlgemuth, Expertin für Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschutz. Dazu zählen Reparatur wie auch Leih- und Tauschbörsen oder Läden für gebrauchte und generalüberholte Waren.
"Diese Flächen müssen nicht irgendwo da draußen, sondern mittendrin sein." Reparateure gehören nach dem Konzept in 1a-Adressen, etwa auf bekannte Shoppingmeilen wie die Frankfurter Zeil oder die Hamburger Mönckebergstraße. Städte könnten dies durch steuerliche Begünstigungen, subventionierte Mieten und andere Anreize erreichen. Greenpeace sucht deshalb unter seinen Zero-Waste-Kooperationspartnern nach einer Kommune, die den Anfang macht.