Netzwerk "Unternehmen integrieren Flüchtlinge"
1. Dezember 2016Klima- und Lüftungstechnik ist eine heikle Sache. Geht etwas schief bei der Installation großer Kühlanlagen, dann gefährdet das Menschen. Ganz konkret, durch ausströmende Gase. Für das mittelständische Unternehmen HEIFO aus Osnabrück bedeutet das: Qualifiziertes Personal ist der Schlüssel für den Erfolg. Das macht die Suche nach neuen Angestellten gleichzeitig aber noch schwerer, als sie in Zeiten des demografischen Wandels ohnehin ist. "Wir leiden extrem unter dem Fachkräftemangel", sagt Geschäftsführer Martin Rüterbories.
Aus wirtschaftlichem Kalkül, aber auch aus gesellschaftlicher Verantwortung hat sein 240-Mitarbeiter-Betrieb sich deshalb aufgemacht, Flüchtlinge als Facharbeiter zu gewinnen. "Zwei junge Syrier haben bei uns jetzt ein Praktikum absolviert", sagt Rüterbories. Das Problem: Bis aus Geflüchteten Mitarbeiter werden können, gibt es viele Hürden. Mangelnde Sprachkenntnisse, rechtliche Unklarheiten über den Aufenthaltsstatus oder praktische Fragen wie die Anerkennung von Qualifikationen und Zeugnissen. Auch interkulturelle Unterschiede gilt es, mit Fingerspitzengefühl in Ausgleich zu bringen. Und all das hat viele Unternehmen bislang neben dem Tagesgeschäft schlichtweg überfordert.
Netzwerk "Unternehmen integrieren Flüchtlinge" wächst
Neun Monate ist es her, dass sich der Chef des Industrie- und Handelskammertages Eric Schweitzer und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) deshalb die Hand reichten. Gemeinsam hoben beide das Netzwerk "Unternehmen integrieren Flüchtlinge" aus der Taufe. Eine Kampagne, die Flüchtlinge schneller in Ausbildungsberufe bringen will. Auf 1000 Unternehmen ist das Netzwerk bereits angewachsen, was am Donnerstag in Berlin mit dem Wirtschaftsminister gemeinsam gefeiert wurde. Gabriels Credo, in Abwandlung des vielfach zitierten Slogans der Kanzlerin, lautete dabei: "Nicht wir schaffen das, sondern wir machen das, auf das kommt es jetzt an."
Dass sie etwas machen wollen, das hatten die in Berlin versammelten Unternehmer bereits bewiesen. Alle haben Geflüchteten in ihren meist klein- oder mittelständischen Unternehmen Praktikumsplätze oder Ausbildungsstellen angeboten. Bis es allerdings zum Ausbildungsvertrag kommt, gibt es für die allermeisten Betriebe schwierige Hürden zu nehmen. Neben rechtlichen Fragen sind dies, wie beim Kältetechnik-Spezialunternehmen HEIFO, vor allem sprachliche Barrieren. "Das Thema Spracherwerb ist bei uns ein sicherheitsrelevantes Thema", sagt Geschäftsführer Rüterbories und erklärt, dass die Sicherheitseinweisungen für Kühlanlagen in Deutsch stattfinden. "Nur wenn ein Mitarbeiter all das einwandfrei versteht, kann es mit dem Job funktionieren."
Unternehmen wünschen sich berufsbegleitende Deutschkurse
Für die beiden jungen Syrer in seinem Unternehmen bedeutet das: Einer bekommt aufgrund guter sprachlicher und fachlicher Qualifikationen ein Ausbildungsangebot. Dem Zweiten hilft das Unternehmen, nach seinem Praktikum weiter Deutschunterricht zu nehmen. An die Politik hat das Unternehmen vor allem einen Wunsch: Es muss flexiblere Modelle geben, wie die Geflüchteten den Deutschunterricht in die Arbeit integrieren können. "Wir vermissen berufsbegleitende Angebote", sagt Unternehmer Rüterbories. Zu langer Blockunterricht führe zu einer Entfremdung von Unternehmen und Flüchtling, was vielfach vor allem eines zur Folge habe: eine Haltung nach dem Motto "Aus dem Auge, aus dem Sinn".
Damit Unternehmen sich künftig nicht mehr so allein gelassen fühlen, wurden mit dem Geld der Initiative 150 Stellen für "Willkommenslotsen" eingerichtet. Sie sollen bundesweit verteilt Ansprechpartner für beide Seiten sein, vermitteln, Fragen beantworten und Schneisen durch das Bürokratie-Dickicht schlagen. Trotz dieser neuen Vermittler rät der DIHK-Präsident seinen Mitgliedsunternehmen, einen langen Atem zu beweisen. "Fünf bis zehn Jahre dauert es, bis ein Flüchtling in den Arbeitsmarkt integriert ist."
Wer eine Ausbildung beginnt, kann sie beenden
Um zum Gelingen beizutragen, hat die Politik zuletzt das Integrationsgesetz auf den Weg gebracht. Darin wurden Rechtsunsicherheiten für Flüchtlinge und Unternehmen ausgeräumt. So gilt jetzt beispielsweise, dass ein Geflüchteter eine begonnene Ausbildung in jedem Fall beenden darf, auch wenn sein Asylantrag während der Ausbildungszeit abgelehnt werden sollte. Damit haben Unternehmen und Geflüchtete während der dreijährigen Ausbildungszeit Planungssicherheit.
Entschließt sich das Unternehmen, dem neuen Mitarbeiter noch einen Anschlussvertrag anzubieten, kann das für mindestens zwei Jahre ohne weiteren Antrag formlos umgesetzt werden. DIHK-Präsident Schweitzer forderte die Politik auf, diese sogenannte "3+2"-Regelung "unbürokratisch, nachvollziehbar und transparent" in der Praxis umzusetzen. Wirtschaftsminister Gabriel riet den Unternehmen im Gegenzug, sich realistische Zielen zu setzen. "Die große Zahl an Fachkräften werden wir am Ende dieses Weges sehen."